Diskussionsrunde zum Jubiläum der Eingemeindungen

Mit dem Stadt Forum Potsdam nutzt die Stadtverwaltung die Möglichkeit, einerseits über unterschiedliche städtische Themen zu informieren und andererseits eine Rückmeldung von den Einwohnern Potsdams zu den jeweiligen Themen zu erhalten, um diese wiederum in ihre Planungen einbeziehen zu können. So auch am 11. Oktober, an dem das Stadt Forum Potsdam die nördlichen und vor 15 Jahren (bis auf Golm und Eiche) eingemeindeten Ortsteile in den Fokus stellte.
Aufgrund der viele Themen, die im Norden Potsdams für Unruhe und Verwirrung sorgen, hätte man annehmen können, dass der Wissensdurst nach Informationen aus erster Hand erheblich sein würde. War er aber nicht. Nur etwa 60 Einwohner kamen in die Mensa der Leonardo-Da-Vinci-Schule an der Esplanade in Bornstedt, um sich entweder zu informieren, dem Baubeigeordneten, Bernd Rubelt, Fragen zu stellen oder ihre Wünsche zu äußern.
Der Ablauf war klar gegliedert: Herr Rubelt hielt eine Eingangsrede, anschließend bekamen die OrtsvorsteherInnen bzw. ihre Vertreter die Möglichkeit, ihren Ortsteil innerhalb von vorgegebenen fünf Minuten vorzustellen. Dann war eine Frage-Antwort-Runde geplant.

„Potsdams Wachstum nur noch über den Norden möglich.“

Die Zusammenarbeit entwickelt sich gut
Schwerpunkt des von Herrn Rubelt vorgetragenen Entrees war die gute und zukunftsfähige Zusammenarbeit zwischen den Ortsbeiräten und der Stadtverwaltung. Es gebe „eine neue Qualität der Zusammenarbeit“, sagte Rubelt wörtlich und verwies dabei auf die vielen guten Ideen, die seitens der Ortsbeiräte in die Verwaltung getragen werden, auch lobte er die sehr gute Entwicklung der Ortsteile selbst.

Bernd Rubelt, Baubeigeordneter von Potsdam

Rubelt sei sich der Zuwendung der Ortsteile bewusst, bat jedoch auch um Verständnis, dass nicht „alle Ideen aufgenommen werden können“ und man immer die Gesamtentwicklung und die Gesamtanforderungen der Landeshauptstadt betrachten müsse und eben nicht nur die Sicht einzelner Ortsteile einnehmen könne.
Ebenso verstehe er die Frustration, „wenn wichtige Vorhaben lange Zeit in Anspruch nehmen“. Das lege einerseits an der zu optimierenden Verwaltungsstruktur und ihren Prozessen, andererseits aber auch an benötigten Dienstleistern, die oft schwer zu finden und noch schwerer zu beauftragen seien.
Weil Potsdams Wachstum nur noch über den Norden möglich ist, sei es besonders wichtig, so Rubelt, die Vorschläge aus den Ortsbeiräten aufzunehmen, sie zu sortieren und in die Ziele der Landeshauptstadt zu integrieren, um daraus notwendige Maßnahmen abzuleiten. Die Integration der Vorschläge in die Ziele Potsdams, so Rubelt im Verlauf des weiteren Abends, möchte er konstruktiv verstanden wissen, womit er Vermutungen begegnen möchte, dass die Anforderungen der Ortsteile zweitrangig und den Interessen der Landeshauptstadt unterzuordnen seien.
Aufgrund des Erfolgs und der hohen Beteiligungen solle das Format der Werkstattgespräche laut Rubelt fortgeführt werden, um den Dialog zwischen Stadtverwaltung und Einwohnern weiterhin zu suchen und zu fördern. „Potsdam ist zurzeit die am stärksten wachsende Landeshauptstadt Deutschlands, so Rubelt und man rechne mit 220.000 Einwohner im Jahr 2035, 40.000 Menschen mehr als heute in Potsdam leben.

„In Satzkorn ist Raum für mehr Wohnbebauung. “

Dieter Spira, Ortsvorsteher von Satzkorn

Den Grund für die stark ansteigende Einwohnerzahl sieht Rubelt in der Lebensqualität und Familienfreundlichkeit, der Landschaft sowie der Nähe Potsdams zu Berlin.Hinzu käme die wirtschaftlich erfolgreiche Entwicklung. Potsdam habe sich zu einer Wissenschafts- und Gründerstadt entwickelt, deren Schwerpunkte der Tourismus, die Gesundheitswirtschaft, die Medien, IT- und Kreativwirtschaft seien. „Potsdam ist der Motor für das ganze Land, deshalb muss das Wachstum der Stadt verantwortungsbewusst gestaltet werden“, so Rubelt.
Wegen der starken Entwicklung des nördlichen Potsdams wird laut Rubelt auch bald eine neue Betriebsstätte der Stadtentsorgung Potsdam (STEP) geben, die es derzeit nur in Drewitz gibt.
Auch eine Stadtteilbibliothek und ein Schwimmbad würden intensiv verfolgt (mehr zum Thema Kiezbad erfahren Sie auf Seite 13 dieser Ausgabe).
Am Ende seiner Rede wartet Rubelt noch mit einer Überraschung auf. Aufgrund der Größe des derzeit entwickelnden Areals Krampnitz stellt er die Frage in den Raum, ob Krampnitz, das heute noch zu Fahrland gehört, ein eigener und damit eigenständiger Ortsteil werden solle.

„Wir haben uns in Fahrland für das Wohnen entschieden. Der Bus sollte bis Priort durchfahren.“

Claus Wartenberg, Ortsvorsteher von Fahrland

Es gibt noch viel zu tun
Bevor es zu dem von Rubelt angekündigten Austausch kommen sollte, waren die Mitglieder der Ortsbeiräte oder ihre Vertreter dazu aufgerufen, „ihre“ Ortsteile innerhalb von fünf Minuten vorzustellen. Dabei war Interessantes zu erfahren, wie z.B., dass durch die Eingemeindung die beiden ältesten Gebäude Potsdams die beiden Dorfkirchen aus Groß Glienicke und Fahrland sind. Auch auf die notwendige Fortführung des Kinderbauernhofes in Groß Glienicke wurde hingewiesen.

„Wir sind stolz auf unser aktives Vereinsleben.“

Peter Roggenbuck, Ortsvorsteher von Marquardt

Ebenso stellte Frau Dr. Carmen Klockow (Bürgerbündnis), Ortsvorsteherin von Neu Fahrland, fest, dass es in dem Ortsteil immer noch viel nachzuholen gebe. So verstehe sie es nicht, dass der schon vor Jahren beantragte Fußgängerüberweg über die B2 seitens der Stadtverwaltung weiterhin abgelehnt wird, weil es „Wichtigeres“ gebe und gleichzeitig die Stadtverwaltung für leer stehende Leichtbauhallen über eine Million Euro im Jahr ausgeben kann.

„Wir brauchen in den Ortsteilen dringend eine nachhaltige Verkehrsplanung. An der B2 fehlt ein Fußgängerüberweg.“

Dr. Carmen Klockow, Ortsvorsteherin von Neu Fahrland

Auch andere Forderung kamen aus den Ortsteilen: Öffentlich zugängliche Sportflächen fehlen, die wachsende Verkehrsbelastung ist mit Konsequenz und Sachverstand anzugehen und nicht nur mit dem Verweis auf den ÖPNV zu lösen. Der große Bedarf an Kitas und weiterführenden Schulen muss konsequent gelöst werden. Eine zeitliche Verschiebung dieser Aufgaben mit der Begründung, dass sich das alles ändern wird, wenn Krampnitz erschlossen ist, darf es nicht länger geben, denn dafür sei der Bedarf schon heute zu groß.
In folgenden Punkten waren sich alle einig: Die Lebensqualität soll erhalten bleiben, der ÖPNV und die soziale Infrastruktur muss ausgebaut und der Verkehr muss neu gedacht werden.

„Golm hat den Wissenschaftspark 2003 mit in die Stadt Potsdam eingebracht. Wir brauchen dringend eine weiterführende Schule, am besten mit internationalem Abschluss.“ Dr. Saskia Ludwig, Ortsvorsteherin von Golm

Krampnitz, der neue Ortsteil?
Im Laufe des Abends stellte Benjamin Wille, Geschäftsführer der Machleidt GmbH für Städtebau + Stadtplanung die aktuelle Bauplanung in Krampnitz vor. Diese wird der POTSDAMER in einer dem Areal Krampnitz gewidmeten Serie detaillierter vorstellen.

Landschaft als Kulturgut
Höchst interessant und aufschlussreich war auch der Vortrag von Dr. Ramona Simone Dornbusch, die über das Thema Landschaft als Kulturgut referierte.
Aufgrund des sehr umfangreichen Themas wird der POTSDAMER auch dies in Absprache mit Frau Dr. Dornbusch zu einer eigenen Serie machen. In dieser Serie werden Sie unter anderem mehr darüber erfahren, wie die Landschaftsgestaltung des 17. Jahrhunderts auch heute noch Potsdam beeinflusst, warum die Bornimer Feldflur ein UNESCO Weltkulturerbe ist und weshalb die trapezförmige Grünfläche gegenüber der Haltestelle Jungfernsee, westlich der B2 nicht bebaut werden darf.

„Wir haben eine riesen Angst vor dem Verkehr, der sich von Krampnitz durch Groß Glienicke nach Spandau wälzen wird… Groß Glienicke braucht den Kinderbauernhof.“ Burkhard Radtke, Vorsitzender des Gemeindekirchenrats

Winfried Sträter, Ortsvorsteher von Groß Glienicke

Austausch kann intensiviert werden
Auch wenn Rubelt in seiner Eingangsrede davon sprach, das Wachstum der Ortsteile als Chance zu begreifen und auf eine offene und konstruktive Diskussion hoffe, so blieben doch viele Fragen unbeantwortet.
Es bleibt daher zu hoffen, dass die Stadtverwaltung sich nicht nur dazu bekennt, weiterhin den Dialog zu suchen, sondern auch dazu, die Anforderungen der vor Ort lebenden Einwohner in die aktuellen Planungen einzubeziehen, denn schließlich sind sie es, die dort leben und leben bleiben möchten.

sts