Der Stadtsportbund wendet sich mit einem offenen Brief an Verwaltung und Politik
Potsdam ist eine Stadt für vieles, vor allem des Sports. Und auch wenn Potsdam mit seinen etwa 185.000 Einwohnern keine besonders große Stadt ist, trainieren hier überdurchschnittlich viele national und international erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler. Neben dem sehr erfolgreichen Hochleistungssport hat Potsdam 169 Sportvereine mit fast 33.000 Mitgliedern, 12.000 davon sind unter 18 Jahren.
Die Zukunft dieser sehr aktiven Vereinslandschaft sieht der Stadtsportbund (SSB) aktuell in Gefahr. Aus diesem Grund wandte er sich am 03.09.2022 im Rahmen der 2. Potsdamer Sporttage im Stern-Center Potsdam mit einem offenen Brief an die Politik, die Verwaltung und den Oberbürgermeister.
Freiwilligkeit oder Pflichtaufgabe
Hintergrund des offenen Briefes ist die Befürchtung, dass die Vereine wegen der aktuellen Situation keine ausreichende Finanzierung erfahren und daher viele Angebote einstellen müssen und Mitglieder verlieren. Der Grund für die Befürchtung der ausbleibenden finanziellen Unterstützung in dem benötigten Rahmen ist die Tatsache, dass der Bereich Sport nicht zu den „pflichtigen Aufgaben“ einer Kommune bzw. Stadt gehört, sondern zu den sogenannten „freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben“. Hierzu zählen auch die Bereiche Kultur und Wirtschaftsförderung. Das heißt, dass die Stadt über das Ob und das Wie der Aufgabenerfüllung frei entscheiden kann. Anders ist dies bei sogenannten „pflichtigen Aufgaben“, zu denen u.a. die Abwasserbeseitigung, der ÖPNV, der Schulhausbau, Gemeindestraßen sowie das Meldewesen und andere Aufgaben gehören. Darin, dass der Sport eine gesunde finanzielle Basis braucht, um weiterhin bestehen und arbeiten zu können, sind sich alle Beteiligten einig. Dennoch ist die Zukunft des Sports in Potsdam keine Selbstverständlichkeit und alles andere als sicher.
„Es stehen sowohl in Stadt als auch im Land schwierige Haushaltsverhandlungen bevor. Da Sport eine freiwillige Leistung ist, besteht die große Gefahr, dass hier unverhältnismäßig hohe Kürzungen vorgenommen werden. Das müssen wir vermeiden.
Kürzungen für die Sportförderung, Erhebung von Nutzungsgebühren oder die Schließung von Sportstätten hätten dramatische Folgen für die Vereine und ihre Mitglieder.
Wir haben uns gerade erst von den Coronaschließungen erholt und in dieser Zeit leider viele Ehrenamtliche verloren. Wenn die Sportvereine gezwungen sind, Beiträge zu erhöhen oder aufgrund geschlossener Hallen keinen Trainingsbetrieb anbieten können, verlieren wir mehr Mitglieder als zu Coronazeiten. Diese sind für die Vereine dann dauerhaft verloren“, sorgt sich Anne Pichler, Geschäftsführerin des SSB.
Der Stadtverordnete Clemens Viehrig (CDU), der im Ausschuss für Bildung und Sport sowie im Aufsichtsrat der Luftschiffhafen GmbH sitzt, hält die Forderungen des SBB für begründet: „Wir können stolz auf unsere Vereine in Potsdam sein, auch wenn die Rahmenbedingungen in den letzten zwei Jahren für den Sport nicht optimal waren. Man kann den Vereinen nur die Anerkennung aussprechen, dass sie in dieser schwierigen Zeit nicht den Mut verloren haben. Aktuell verschärft sich durch die Energiekrise die Lage jedoch wieder. Deshalb ist es wichtig und auch richtig, dass sich die Stadt und eine große Mehrheit der politisch Verantwortlichen für die kostenlose Nutzung der Sportstätten bekannt hat. Ich bin mir sicher, dass uns die aktuelle Situation weiterhin vor große Herausforderungen stellen wird. Leider sind es dann immer die freiwilligen Leistungen – darunter fällt eben auch der Sport – die hinten runterfallen. Deshalb ist die Forderung – welche ich auch unterstütze – den Kinder- und Jugendsport als pflichtige Aufgabe anzuerkennen, ein Schlüssel.“
„Der Kinder- und Jugendsport muss in Zukunft eine pflichtige Aufgabe sein. Im Sport wird eine hervorragende und für die Gesellschaft wichtige Arbeit gemacht. Aber für die notwendigen gesetzlichen Änderungen braucht es Land und Bund“, fordert auch Noosha Aubel, Beigeordnete für Bildung, Jugend, Sport und Kultur der Landeshauptstadt Potsdam, und betont dabei die tragende Rolle, die der Sport für eine gesunde Gesellschaft und Gemeinschaft einnimmt.
„Wir fordern von der Stadt eine konstante Sportförderung inklusive Integrations- und Sportstadtmittel ohne weitere Kürzungen, das Offenhalten der Sportanlagen und die Unterstützung bei unserem Kampf nach Anerkennung des Kinder- und Jugendsports als pflichtige Aufgabe. Der Sport leistet so viel für die Gesellschaft, insbesondere auch für Kinder und Jugendliche. Trotzdem wird hier als erstes gekürzt. Das macht keinen Sinn. Wir investieren dann hinterher wieder in Programme, um die Defizite aufzuholen oder auszugleichen. Das wird teurer. Agieren ist immer günstiger als Reagieren“, richtet sich Pichler an die Verantwortlichen.
Flächen und Angebote
Nicht nur die finanzielle Ausstattung der Sportvereine ist in Potsdam ein heißes Thema, bei dem sich die Vereine auch untereinander nicht immer einig sind und fair agieren. Sport braucht geeignete und wohnortnahe Flächen, doch die sind in Potsdam rar.
„Wir benötigen dringend mehr Sportstätten. Es nützt nichts, wenn wir in Studien immer wieder herausarbeiten, dass wir enorme Defizite haben, dann aber nichts passiert. In einer wachsenden Stadt muss man auch für entsprechende Infrastruktur sorgen. Dazu gehören auch Sportplätze. Wir hoffen hier unter anderem auch auf das Land, um rechtliche Voraussetzungen für den Sportplatzbau zu erleichtern bzw. die Raumprogrammempfehlung für Sportplatzbau an neuen Schulen anzupassen“, appelliert Pichler.
Ebenso kennt Viehrig seit vielen Jahren die große Herausforderung nach der Suche geeigneter Sportstätten in Potsdam: „Leider erlebe ich bei der Diskussion um Ideen für neue Sportstätten – gerade bei der Standortfrage – immer wieder die Floskel ‚Gegen Sport bin ich nicht, aber warum hier?‘. Hier müssen wir ansetzen und den Mehrwert von Sport erklären. Der Stadtsportbund hat es sehr treffend beschrieben: ‚Sport fördert die körperliche und geistige Gesundheit, das soziale Verhalten, die Integration und ist am Ende vor allem auch Bildungs-, Jugend- und Erziehungsarbeit.‘ Diesen Mehrwert zu erkennen und immer wieder deutlich zu machen, dies ist unser aller Aufgabe. Und es ist nicht schwer, denn knapp jeder fünfte Potsdamer ist Mitglied in einem Sportverein. Ganz konkret heißt das, wir müssen bei neuen Projekten die Sportinfrastruktur mitdenken. Dies passiert beispielsweise in Krampnitz. Gleichzeitig müssen wir aber auch Flächen in den Sozialräumen für den Sport identifizieren. Daran wird in der Verwaltung gearbeitet, aber es werden nicht die Großfelder sein, die wir uns alle erhoffen. Hier liegt die Herausforderung einer gewachsenen Stadtstruktur. Aber auch dafür gäbe es Ideen, denn warum sollten wir im unteren Teil des Lustgartens nicht einen Sportplatz etablieren? Gleichzeitig dürfen wir den Prüfprozess nicht abbrechen, weil es keine städtischen Flächen gibt. Wir müssen proaktiv an Grundstückeigentümer zugehen und versuchen Potenzialflächen zu erwerben. Um die Bedarfe decken zu können, müssen wir jedoch auch auf die gesamte Stadtfläche schauen. Das heißt, wir brauchen ein Sportzentrum im Norden und Süden von Potsdam. Vermutlich wird dies nur im ländlicheren Teil Potsdams realisierbar sein. Ich sehe ein Sportfunktionsgebäude mit drei bis vier wettkampffähigen Großfeldflächen und multifunktionalen Kleinspielfeldern vor mir, welches an den ÖPNV angebunden ist.“
„Potsdam ist eine Sportstadt“, konstatiert Pichler. „Die Erfolge unserer Sportler bei nationalen und internationalen Wettkämpfen sowie die herausragenden Sportveranstaltungen sprechen für sich. Aber eine Sportstadt kann man nicht nur in guten Zeiten sein. Jetzt liegt es an Potsdam zu beweisen, dass wir auch in Krisenzeiten eine Sportstadt bleiben.“
sts