Grasen für die Wissenschaft

Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) wird in diesem Jahr zum dritten Mal in Folge zehn Wiesenflächen im Potsdamer Park Sanssouci von Schafen beweiden lassen. Die etwa fünfzig Schafe der Rassen Bentheimer und Pommersche Landschafe werden von dem Seeburger Schäfer Olaf Kolecki mit Unterstützung von Alexander Beer und seinen Hütehunden betreut.
Die Weidesaison wurde am 19.05. dieses Jahres eröffnet und geht bis in den November hinein. In diesem Jahr sind zum ersten Mal Milchlämmer mit dabei, die den Muttertieren noch mehr beim Grasen zugucken als es selbst zu probieren.

Für die Lämmer bietet das hohe Gras gute Versteck- und Spielmöglichkeiten. Fotos: sts

Schafe sorgen für Artenvielfalt

Mähte man in der Regel zweimal im Jahr die Wiesen um die historische Parkanlage, wobei Unmengen an Wiesenmahdgut anfielen, entstand 2018 die Idee der ökologischen Beweidung durch Schafe, als man nach einer ökologischeren Parkbewirtschaftung suchte. Im Rahmen dieser jungen Maßnahme wird untersucht, wie sich diese auf die Artenvielfalt der Wiesen auswirkt.

Sven Hannemann

„Die Beweidung durch Schafe wirkt sich nachweislich sehr positiv auf den Artenschutz und die biologische Vielfalt auf unseren Wiesen aus“, so Sven Hannemann, Parkleiter Parkrevier 3 in Sanssouci Nord. Auch der Einsatz herkömmlicher Mähtechnik sei dadurch auf ein Minimum reduziert.
Wie es zu einem Anwachsen der Artenvielfalt kommt, obwohl die Schafe das Gras und andere Blühpflanzen fressen, erklärt Schäfer Kolecki so: „Die Schafe fressen die Samen der Pflanzen und verteilen diese durch ihre Ausscheidungen. Doch auch ihr Fell sorgt für eine breite Verteilung der Pflanzenvielfalt. Denn in dem Fell fangen sich große Mengen von Samen, die sich durch das Wandern der Schafe und das Schütteln des Fells noch weiter verbreiten.“
In den letzten beiden Jahren gab es wegen der starken Trockenheit Probleme und man musste mit der Beweidung später beginnen, erzählt Helmut Querhammer, Landwirt und im Vorstand des Landschaftspflegeverband Potsdam, der von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg den Auftrag zur Beweidung der Flächen erhalten hat. „Jetzt ist das Gras hoch und saftig genug. Die Schafe finden also ausreichend Futter. Diese Art der Bewirtschaftung ist eine ganz andere ökologische Qualität der Pflege der Flächen. Man produziert keinen Abfall, der auf Kompostplätze gefahren werden muss, der technische Aufwand ist sehr gering, und auch für die allgemeine Flora und Fauna ist die Beweidung durch Schafe ein großer Mehrwert. Vor allem für die Insekten, Vögel und viele Blühpflanzen ist die Beweidung durch Schafe wesentlich schonender“, so Querhammer weiter. In Berlin und Brandenburg setzt der Verband neben Schafen auch erfolgreich Pferde, Galloway-Rinder, Wasserbüffel und Ziegen zur Bewirtschaftung von Grünflächen ein.

Weinig Zukunft für die Schäfer?

Schäfer Olaf Kolecki

Kolecki ist seit fünf Jahren Schäfer aus Leidenschaft und besitzt etwa 400 Schafe. Der Großteil seiner Herde steht in Schönwalde auf einem ehemaligen Kasernengelände, einem Landschaftsschutzgebiet. Leben kann man jedoch von einer so kleinen Herde nicht, sagt Kolecki dem POTSDAMER. „Erst ab einer Herdengröße von 1000 Tieren kann man als Schäfer Geld verdienen. Das liegt auch an den Kosten, die man für den Herdenschutz ausgeben muss. Seitdem der Wolf sich auch in Brandenburg wieder angesiedelt hat, müssen Schäfer ihre Herden durch höhere Stromzäune schützen. Zusätzlich ist der Einsatz von Herdenschutzhunden notwendig, die sich innerhalb der Herde bewegen und bei Bedrohung anschlagen. Das Land Brandenburg unterstützt zwar die Schäfer bei der Anschaffung von Elektrozäunen und Herdenschutzhunden, den Unterhalt von etwa 2.500 Euro pro Jahr und Hund müssen die Schäfer jedoch noch selbst aufbringen. Kolecki hat vier Herdenschutzhunde im Einsatz.
Weil man in den letzten Jahrzehnten immer mehr von einer ökologischen Bewirtschaftung der Grünflächen Abstand genommen und ökonomischere Mähmaschinen eingesetzt hat, hat der Beruf des Schäfers (heute: Tierwirt, Fachrichtung Schäferei) immer mehr an Bedeutung verloren. Mittlerweile gibt es nur noch eine einzige Schule in Bayern für diesen Beruf.
Vielleicht kann die Rückbesinnung auf den Naturschutz und den weiteren ökologischen Einsatz von Schafen die Zukunft des Schäferberufes retten.

Die Schafe gehören mittlerweile für viele zur Parkanlage und sind Lieblinge der Parkbesucher.

Kolkraben größere Bedrohung als Wölfe

Alexander Beer, Schäfer im Nebenberuf, unterstützt Kollege Kolecki

Für Schäfer Kolecki ist der Wolf bisher kein Problem gewesen. Die wesentlich größere Bedrohung kommt von oben. „Die Kolkraben sind für uns Schäfer eine viel größere Bedrohung, weil sie unseren neugeborenen Lämmern die Augen auspicken und die Muttertiere können ihre Jungen nicht verteidigen.“ Durch die massiven Verletzungen bleibt den Schäfern dann oft nur das Töten der Jungtiere. Der Verlust von Lämmern und Schafen durch Kolkraben und Krähenvögel sei um ein Vielfaches höher als durch Wölfe und gehe jedes Jahr in die Tausende, heißt es vom Verband der Berufsschäfer. Weil man sich aber gegen die Raben schlechter schützen kann und Kolkraben ebenso unter Schutz stehen wie Wölfe, ist man dem Angriff aus der Luft fast hilflos ausgeliefert.

Schafe sind magnetisch

Neben den positiven Auswirkungen auf die Artenvielfalt sind die Schafe mit ihren Lämmern auch ein Publikumsmagnet. „Die Schafe sind eine absolute Bereicherung und waren bereits in den letzten Jahren ein Highlight für die Besucher der Parkanlage Sanssouci. Mittlerweile entwickelt sich ein richtiger Schafstourismus in Potsdam“, beschreibt Querhammer die Begeisterung der Menschen für den Einsatz der Schafe, die je nach Beweidungsstand zwischen den zehn Weideflächen hin und her wechseln. sts
Das Projekt wird durch die Unterstützung der Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten e. V. ermöglicht. Wer die mit einer Spende unterstützen möchte, findet hierzu weitere Informationen: https://www.freunde-psg.de/projekte/schafe