Politik will kostenlosen Parkeintritt für alle durchsetzen und übersieht die Konsequenzen
Manchmal kann man nur den Kopf schütteln, wenn man erfährt, was das Parlament der Landeshauptstadt, die Stadtverordnetenversammlung (SVV), so beschließt, ohne sich im Vorfeld über die Konsequenzen ihrer Beschlüsse zu informieren.
So geschehen am 25. Januar dieses Jahres, als die SVV beschloss, dass im Volkspark Potsdam für alle Besucher der Eintritt in den Volkspark frei sein soll. Dass das allerdings weitreichende und einschneidende Konsequenzen für den Volkspark bedeutet, haben die Stadtpolitiker nicht bedacht.
In der Sendung „Schulz reicht´s“ des Radiosenders BHeins sprach Steve Schulz mit dem Geschäftsführer der Biosphäre Potsdam und des Volkspark Potsdam, Sebastian Leifgen, sowie dem Stadtverordneten der Fraktion DIE LINKE, Sascha Krämer, über die Kurzsichtigkeit des Beschlusses und seine Bedeutung für die Zukunft des Volksparks.
Der Hintergrund
Seit einigen Jahren zahlt die Landeshauptstadt Potsdam (LHP) pro Jahr etwa eine Million Euro an die defizitäre Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG). Im Gegenzug verpflichtet sich die SPSG keinen Eintritt für alle Besucher im Park Sanssouci zu erheben. Im Volkspark Potsdam hingegen müssen alle ab 18 Jahren Eintritt zahlen. „Die Kultusministerin Manja Schüle wies kürzlich zu Recht darauf hin, dass die Landeshauptstadt Potsdam durch diese Doppelstandards in der öffentlichen Debatte unglaubwürdig“ sei, heißt es in einem Antrag der Fraktion DIE aNDERE im Januar dieses Jahres (DS 22/SVV/1264).
In diesem am 25.01.2023 beschlossenen Antrag spricht sich die Politik dafür aus, die Gelder an die SPSG nicht mehr zu zahlen und den kostenlosen Eintritt in den Volkspark Potsdam für alle zu realisieren: „Die Stadtverordnetenversammlung spricht sich gegen weitere Zahlungen der Landeshauptstadt Potsdam (LHP) an die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) aus.
Der Oberbürgermeister wird beauftragt, aller erforderlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Volkspark zur neuen Saison für alle kostenfrei zugänglich wird und ein um mindestens 200.000 Euro erhöhtes Pflegebudget erhält…“.
Wieso zahlt die Landeshauptstadt Potsdam eine Million Euro pro Jahr an die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG), damit im Park Sanssouci kein Eintritt bezahlt werden muss, und warum ist der Eintritt in den Volkspark Potsdam kostenpflichtig, fragt Schulz den Vertreter der Politik in der Gesprächsrunde der Radiosendung, Sascha Krämer.
„Die eine Million Euro, die die Stadt an die Schlösserstiftung zahlt, kommt aus den Einnahmen der Übernachtungs- bzw. Bettensteuer. Zu dieser Zahlung hat sich die Landeshauptstadt vor einigen Jahren erklärt, um das Defizit der SPSG zu minimieren. Aufgrund der immer desolater werdenden Haushaltslage der Stadt wir in den Fraktionen überlegt, diese eine Million Euro nicht mehr zu zahlen und die Träger der Schlösserstiftung, die Länder Berlin und Brandenburg sowie den Bund stärker in die Pflicht zu nehmen. Aus den dadurch freiwerdenden Mitteln sollte unter anderem auch ein freier Eintritt im Volkspark für alle Besucher ermöglicht werden“, so Krämer.
Ausgleich der verlorenen Eintrittsgelder reicht nicht
Der Einnahmeverlust durch die ausbleibenden Eintrittsgelder soll dem Volkspark aus den Einsparungen der Zahlungen an die SPSG in Form eines Zuschusses in Höhe von 200.000 Euro für den Pflegeaufwand erstattet werden. Was hält der Geschäftsführer des Volksparks, Sebastian Leifgen, von dieser Idee? Was würde ein freier Eintritt für den Volkspark Potsdam unter diesen Bedingungen bedeuten?
„Als Privatperson, die in Potsdam wohnt und mit der Familie regelmäßig spazieren geht, würde ich mich darüber freuen, wenn alle Parks, Museen und Freibäder kostenfrei zur Verfügung stünden. Vor allem bei der derzeitigen Zunahme des Wohnungsbaus in Potsdam ist ein Park ein zusätzlicher und wichtiger Mehrwert. Daher stimme ich der Grundidee eines freien Eintritts zu.
Auf der anderen Seite muss ich als Geschäftsführer auch die wirtschaftlichen Belange des Volksparks vertreten sowie die Konsequenzen eines freien Eintritts für alle berücksichtigen. Und für den Volkspark hieße das konkret, dass er nicht nur auf Einnahmen von knapp 200.000 Euro verzichten müsse, sondern auch auf die Vorsteuerabzugsfähigkeit von 400.000 bis 600.000 Euro pro Jahr. Auch wenn der Volkspark einen Zuschuss von 200.000 Euro erhalten würde, bliebe der zusätzliche Verlust von 400.000 bis 600.000 Euro bestehen. Und das würde bedeuten, dass die Pflege des Parks massiv eingeschränkt, Sportanlagen nicht mehr gewartet und schließlich gesperrt werden sowie Mitarbeiter das Unternehmen verlassen müssten.
Unvorbereitete Politiker
Trotz dem drohenden Verfall des Volksparks aufgrund der fehlenden 400.000 bis 600.000 Euro haben die Potsdamer Politiker im Januar dieses Jahres den freien Eintritt im Volkspark beschlossen, ohne die Gesamtfinanzierung des Volksparks zu berücksichtigen. Sprechen die Politiker in Potsdam nicht vor solchen Beschlüssen mit denen, über die sie beschließen?
„Ehrlich gesagt haben wir nicht direkt mit den Beteiligten geredet. Aber uns lag die Stellungnahme der Verwaltung vor, die genau diese negativen Entwicklungen des Volksparks im Vorfeld beschrieben hat. Aus diesem Grund haben wir uns dafür ausgesprochen, dass der gesamte Verlust des Volksparks durch die ausbleibenden Eintrittsgelder auszugleichen ist. Und dies sollte aus den Geldern realisiert werden, die man bisher an die SPSG freiwillig gezahlt hat“, erklärt Krämer die Idee dahinter.
Dennoch beschloss die SVV erst einmal den freien Eintritt in den Volkspark zum 01.01.2024 und nahm den zusätzlichen Verlust von 400.000 bis 600.000 Euro mit den erwähnten Konsequenzen hin. „Auf mich wirkte der Ablauf, der zu dieser Entscheidung geführt hat, sehr stressig, zu schnell und sehr ungeordnet“, kritisiert Leifgen das Abstimmungsverhalten der Stadtverordneten.
Hätten Sie die Auflagen, die bis zu 600.000 Euro aus dem bisherigen Etat kürzen zu müssen überhaupt so schnell umsetzen können? „Nein. Die Vorgaben, diese enormen Einsparungen in Höhe von etwa einem Drittel unseres gesamten Budgets im laufenden Geschäftsjahr umzusetzen sind nicht realisierbar, weil viele laufende Verträge gar nicht so schnell kündbar sind“, beschreibt Leifgen die Situation.
Ausblenden von Problemen
Als die Verwaltung im April 2023 darauf hinwies, dass der Zahlungsausgleich von 200.000 Euro aufgrund fehlender Mittel im Haushalt „nicht realisiert“ werden könne und zusätzlich „der Pflegeaufwand des Volksparks“ aufgrund des Wegfalls steuerlicher Vorteile in Höhe von bis zu 600.000 Euro „entsprechend reduziert“ werden müsse (DS 23/SVV/0435), reichte die Fraktion DIE aNDERE einen Änderungsantrag ein (DS 23/SVV/0435), der in der diesjährigen Septembersitzung der SVV (06.09.23) abgestimmt werden soll. Darin heißt es, dass der freie Eintritt zum 01.01.2024 umgesetzt werden und „die Mittel für die Pflege des Volksparks … um mindestens 200.000 Euro“ erhöht werden sollen. Auch hier wird an den Verlust von bis zu 600.000 Euro und die Konsequenzen für den Volkspark kein Gedanke verschwendet. „Dieser Lösungsvorschlag ist für mich kein Lösungsvorschlag, weil er die Gesamtheit der Herausforderung nicht trifft“ so Leifgen, der darauf hinweist, dass die weiterhin fehlenden Mittel im Volkspark sehr schnell sichtbar und negativ erlebbar würden.
Die Fraktionen von SPD sowie von Bündnis 90/Die Grünen bringen in derselben Septembersitzung der SVV einen Antrag ein, der den freien Eintritt nicht für alle gewähren soll. Solange Potsdam an die SPSG Geld zahlt, um den freien Eintritt für alle in den Park Sanssouci zu ermöglichen, soll der kostenlose Eintritt in den Volkspark Potsdam nicht mehr nur für alle unter 18 Jahren, sondern auch für „Studierende, Azubis und alle SGB-Leistungsbeziehende inkl. Wohngeld“ gelten. Mit diesem Schritt soll gewährleistet werden, dass der Volkspark die Steuervorteile von bis zu 600.000 Euro pro Jahr nicht verloren gehen und lediglich auf Einnahmen aus Eintrittsgeldern in Höhe von etwa 40.000 Euro verzichtet werden muss.
Krämer betonte in der Radio-Gesprächsrunde die Notwendigkeit, die Wertigkeit und die Qualität des Volksparks dringend erhalten zu müssen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass das die Flächen und die Angebote des Volksparks in den vergangenen Jahren immer weniger geworden seien.
„Wir müssen auf politischer Ebene und gemeinsam mit der Verwaltung einen Weg finden, nicht nur den freien Eintritt für so viele Menschen wie möglich zu realisieren, sondern die Qualität des Volksparks insgesamt nachhaltig zu sichern.“ Krämer führt dabei auch selbstkritische Töne an: „Die Politik hat es in den vergangenen Jahren nicht geschafft, einen ausreichenden Etat für den Baumschutz, Baumpflanzungen sowie die Grünpflege im Allgemeinen zu sichern.“
„Wenn wir an dem Volkspark in seiner bestehenden Funktion und seinem aktuellen Angebot festhalten wollen, müssen wir seine Gesamtfinanzierung berücksichtigen und gewährleisten. Und solange wir keine Gelder haben, die dies sichern, müssen wir noch an dem Parkeintritt für einzelne Besucher festhalten. Vor allem mit der Erfahrung aus den letzten Jahren und dem Blick in die Zukunft, in der die Kostenstrukturen in allen Bereichen seit Jahren ansteigen und weiterhin ansteigen werden“, mahnt Leifgen.
Aber das Grundproblem ist nicht nur ein finanzielles.
Keine klare Linie
Oberbürgermeister Mike Schubert, der seit Jahren die Zahlung an die Schlösserstiftung in Höhe von einer Million Euro verteidigt, hat vor wenigen Tagen angekündigt, ein „Haushaltsstabilisierungsprogramm“ ins Leben rufen zu wollen und nimmt dabei Politik, Verwaltung und Bürger in die Pflicht. Wie soll das realisiert werden? Was hält der Vertreter der Politik in der Gesprächsrunde von dieser Ankündigung der Rathausführung?
„Wir haben bereits in der Vergangenheit massive Einsparungen in wichtigen Bereichen durchführen und hinnehmen müssen, wie in der Kultur, im Sport, in der Grünpflege und anderen. Vor den diesjährigen Haushaltsverhandlungen hat sich Oberbürgermeister Schubert finanzielle Mittel für einige Prestigeprojekte gesichert. Wir sind in vielen Entscheidungsfragen in einem Zwiespalt. Der Oberbürgermeister und auch die Stadtverordneten haben zu oft keine klare Linie. Wir wissen gar nicht genau, wo unsere Stadt hinsoll. Wir wollen alles sein. Wir wollen Kultur, Sport, Familie, Wissenschaft sowie Familien- und Filmstadt sein. Und das alles auf einmal. Wir sollten uns vielmehr auf ein paar wesentliche Bereiche fokussieren. Vor allem die Belange der Kinder und Jugendlichen kommen in unserer Stadt noch viel zu kurz. Statt überall ein bisschen Geld zu verstreuen, sollten wir mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln ein klares Bild von unserer Position zeichnen und in die Bereiche investieren, die für uns als Stadt wirklich wichtig sind. Doch da fehlt es vielen an dem nötigen Mut zu einer klaren Positionierung. Wir können nicht alles finanzieren. Wenn ich nur eine begrenzte Menge Geld zur Verfügung habe, muss man eben auch an der ein oder anderen Stelle auf Ausgaben verzichten. Auch wenn politische Entscheidungen und Beschlüsse oft Ergebnisse von Kompromissen sind, braucht die Politik auch den Mut, mal unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Und wir brauchen endlich einen Oberbürgermeister, der ein klares Ziel vor Augen und einen Plan davon hat, wo er mit der Stadt hinwill, wofür Potsdam stehen soll“, appelliert Sascha Krämer an seine Politiker-Kollegen und an Oberbürgermeister Schubert.
Keinen Kompromiss
„Einen Kompromiss darf es aber in der Frage der Finanzierung des Volksparks nicht geben. Entweder man erhält ihn oder er verkommt“, bestätigt der Geschäftsführer des Volksparks. „Der vorliegende Kompromiss, dem Volkspark 200.000 Euro für die Pflege zur Verfügung zu stellen, ist ein Kompromiss, der zu höheren Kosten führt, ohne dass die Landeshauptstadt Potsdam auch nur einen Euro spart. Deshalb gibt es momentan nur zwei Varianten: Entweder es bleibt beim Parkeintritt für einzelne Besucher und der Park kann sein Angebot aufrechterhalten oder der Parkeintritt entfällt für alle und die benötigten Gelder müssen von woanders herkommen. Wenn nicht, wird es bald keinen nutzbaren Volkspark mehr geben, der diesen Namen zu Recht trägt“, prognostiziert Leifgen.
Der Geschäftsführer der Biosphäre Potsdam und des Volkspark Potsdam, Sebastian Leifgen, ist vor zwei Jahren mit vielen guten Ideen nach Potsdam gekommen, um die Angebote der Biosphäre und des Volksparks auszubauen, zu bündeln und noch attraktiver zu machen.
Nun muss die Politik entscheiden, ob sie diesen Ideen eine Chance und den Fortbestand des Volksparks sichern will oder nicht.
sts