Potsdams Uferwegsbeauftragte Maria Elisabeth Hartleb im Gespräch

Die Zeiten eines freien Uferwegs am Groß Glienicker See sind schon sehr lange her, und die am Griebnitzsee noch länger. Wird sich das bald ändern?
Anwohner waren vor vielen Jahren der Meinung, den öffentlichen Uferweg, der über ihr Grundstück verlief, sperren zu müssen. Seit dieser Zeit versucht die Landeshauptstadt – manchmal geschickt, manchmal ungeschickt – mit den „Sperrern“ eine Lösung für die öffentliche Nutzung der Uferwege zu erzielen. Die „Verhandlungen“ finden seit geraumer Zeit teilweise vor Gericht statt, was die Fronten nicht unbedingt aufweicht oder das Problem gänzlich löst.
So klagte unter anderem eine Groß Glienicker Eigentümergemeinschaft, weil auf deren Grundstücke eine Dienstbarkeit der Landeshauptstadt für die öffentliche Nutzung des Uferwegs eingetragen werden sollte. Am 12. Oktober 2018 wies die Baulandkammer des Landgerichts in Neuruppin die Klage ab, wogegen die Eigentümergemeinschaft Widerspruch einlegte. Am 01. April 2022 hat nun die Verhandlung vor dem Oberlandesgericht in Brandenburg/Havel stattgefunden. In deren Verlauf gab das Gericht zu erkennen, dass es den Argumentationen der Eigentümerseite nicht folgt, sah aber auch ein Problem in dem Urteil des Landgerichts von 2018, weil das Landgericht zwar die Klage zurückgewiesen, die Frage der Entschädigung jedoch offengelassen hatte. „Nach dem Verlauf dieser OLG-Verhandlung ist nicht auszuschließen, dass die Klage wegen der Entschädigungsfrage noch einmal an das Landgericht zurückverwiesen wird“, so der Ortsvorsteher von Groß Glienicke, Winfried Sträter.

Während sich die Gerichtsverfahren vermutlich noch über Jahre hinziehen, arbeitet seit etwa einem Jahr in der Stadtverwaltung die neue Uferwegsbeauftragte, Maria Elisabeth Hartleb, an einem Konzept für die Uferlandschaft. Der POTSDAMER sprach mit ihr über ihre Arbeit des vergangenen Jahres und ihren Plan, die Uferwege wieder für die Öffentlichkeit begehbar zu machen.

Potsdams Uferwegsbeauftragte, Maria Elisabeth Hartleb, braucht bei der Konfliktlösung viel Geschick und Ausdauer.

Potsdams Uferwegsbeauftragte, Maria Elisabeth Hartleb, braucht bei der Konfliktlösung viel Geschick und Ausdauer.
Foto: privat

Sie sind jetzt seit etwa 13 Monaten im Amt. Worin liegt der Unterschied zwischen der Situation, die Sie zum Amtsantritt vorgefunden haben und der heutigen, wenn wir uns die Si-tuation am Groß Glienicker See anschauen?
In die seit vielen Jahren schwelenden Konflikte habe ich mich eingearbeitet, viele ordnungsbehördliche Akten gewälzt und verschiedenste Gespräche mit dem Ortsbeirat und mit Anwohnern geführt. Was sich verändert hat, ist, dass manche Anwohner nach längerer Funkstille zumindest wieder zu einem Austausch mit der Stadt bereit sind. Das ist für mich schon einmal eine bessere Basis für die Suche nach Lösungen.

Welches Thema stellt für Sie die größte Herausforderung im Uferweg-Konflikt dar?
Am Groß Glienicker See stehen die Regelungen einer Landschaftsschutzgebietsverordnung und des geltenden Bebauungsplans Nr. 8 „Seepromenade/Dorfstraße“ dem Interesse sehr vieler Eigentümerinnen und Eigentümer von Ufergrundstücken an Privatheit entgegen.
Manche Eigentümerinnen und Eigentümer wünschen, den gesamten Uferbereich – ohne Weg – privat zu nutzen. Andere sind zwar prinzipiell für den Weg, wünschen aber eine private Nutzung des am Ufer gelegenen Grundstückteils – sprich: möchten diesen Teil einzäunen oder mit einer Hecke umpflanzen, nicht selten auch gärtnerisch intensiv gestalten. Aufgrund der Festsetzung einer öffentlichen Grünfläche im Bebauungsplan und wegen des am Ufer liegenden Landschaftsschutzgebiets sind Einfriedungen der Uferbereiche und intensive gärtnerische Nutzungen jedoch rechtlich ausgeschlossen. Daher besteht die größte Herausforderung darin, die planungsrechtlichen und naturschutzrechtlichen Belange zu vermitteln und Lösungen zu finden, die auch für die Eigentümerinnen und Eigentümer akzeptabel sind.

Haben Sie bereits mit den Eigentümern der Uferzonen in Groß Glienicke sprechen können? Wenn ja, worüber haben Sie sich ausgetauscht, und was haben Sie vereinbart?
Nach diesen über viele Jahre ausgetragenen Konflikten ist die Kommunikation zwischen der Stadt und den betroffenen Eigentümerinnen und Eigentümern natürlich in manchen Fällen angespannt. Aus der mediativen Beratung kommend, habe ich zunächst in persönlichen Gesprächen die jeweiligen Erfahrungen und Erwartungen erfragt. Manche Ufer-Eigentümer lehnen aber leider jedes Gespräch mit der Stadtverwaltung und damit auch mit mir ab und warten nur noch den Ausgang der Enteignungsverfahren ab.
Neben diesen Gesprächen mit Eigentümerinnen und Eigentümern stehe ich in Kontakt mit dem Ortsbeirat von Groß Glienicke, dem Ortsvorsteher Winfried Sträter, dem Verein „Freies Groß Glienicker Seeufer!“ und bin Ansprechpartnerin für Anwohnende, die sich Sorgen um Zustand von Weg und Ufer machen.
Eine Sorge, die nahezu alle meine bisherigen Gesprächspartner teilten, ist, dass bereits jetzt die öffentlich zugänglichen Teile des Ufers durch teilweise rücksichtsloses Verhalten von Seebesuchern und Badegästen stark in Mitleidenschaft gezogen sind und auch erschreckend viel Müll hinterlassen wird. Das weckt nicht nur bei den betroffenen Eigentümerinnen und Eigentümern die Befürchtung, dass sich bei einer Öffnung ihrer Ufergrundstücke auch deren Zustand entsprechend verschlechtern würde.

Wie sieht die von Ihnen präferierte Lösung aus?
Mein Ziel ist es, unter Einbeziehung der gewonnenen Erkenntnisse für das Ufer eine Art Agenda zu erarbeiten, mit dem ein möglichst hohes Maß an sozialem und rechtlichem Frieden zu erreichen ist. Bei diesem Prozess steht mir die Projektgruppe Uferwege zur Seite, in der die für Weg und See maßgeblichen Bereiche der Stadtverwaltung vertreten sind. Wir können so die anstehenden Fragen in allen Aspekten beleuchten, und ich bin zuversichtlich, dass wir spürbare Verbesserungen für alle Betroffenen bewirken können.

Welche sind die nächsten Schritte, die die Stadt und die Eigentümer gehen müssen, um eine Kompromisslösung zu erreichen?
Am Ufer des Groß Glienicker Sees fallen im Moment die Rechtslage und der tatsächliche Zustand an vielen Stellen weit auseinander. Probleme sind Einfriedungen von Uferbereichen – zum Teil über den alten Postenweg hinweg – sowie eine teilweise sehr intensive gärtnerische Nutzung von Flächen im Landschaftsschutzgebiet. Und insbesondere fehlt natürlich der durchgängige Uferweg.
Um hier letztlich eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können, braucht es wieder ein Mindestmaß an Dialog. Meine Hauptfrage an die Eigentümerinnen und Eigentümer von Uferflächen ist immer: Mit welchem Maß an erlaubter Nutzung und eingeräumter Privatheit des Uferbereichs könnten Sie inneren Frieden schließen? Mit dieser wichtigen Information können Stadtverwaltung und Politik in weitere Überlegungen eintreten.
Nicht verhandelbar sind aus meiner persönlichen Perspektive aber der durchgängige Uferweg und ein freier Blick über zumindest naturnahe Strukturen am Ufer.

Rechnen Sie mit einer einvernehmlichen Lösung oder gehen Sie davon aus, dass es zu Enteignungen kommen wird?
Bezüglich aller Grundstücke auf eine einvernehmliche Lösung zu hoffen, wäre sicher naiv. Ich habe aber zumindest die Hoffnung, dass wir in einigen Fällen zu Einigungen kommen können. Einzelne Enteignungsverfahren werden aber sicher durch alle offenstehenden Instanzen getragen werden.

Bis wann glauben Sie, dass eine einvernehmliche Lösung gefunden bzw. umgesetzt werden kann und es einen offenen Uferweg für alle geben wird?
Wann es einen durchgängigen Uferweg für alle geben wird, kann ich aktuell nicht seriös abschätzen. Letztlich reicht ein einziges der Allgemeinheit versperrtes Ufergrundstück, um den Weg zu unterbrechen. Und Enteignungsverfahren dauern Jahre bis Jahrzehnte. Ein in gewissermaßen als Pilotverfahren dem Oberlandesgericht Brandenburg vorliegendes Verfahren droht gerade durch Zurückverweisung an das Landgericht Neuruppin um Jahre zurückgeworfen zu werden. Das sind zeitliche Abläufe, auf die die Stadtverwaltung leider keinerlei Einfluss hat.

Das Interview führte Steve Schulz