Rekonstruktion macht Geschichte lebendig

Den 25. August 2020 hat sich Pfarrer Jakob Falk rot im Kalender markiert. Aufregend ist das Leben in einer so großen Gemeinde wie der des Pfarrsprengels Fahrland sowieso. Aber an diesem Tag war etwas geplant, was jeder Pfarrer vielleicht nur einmal erlebt: Die Kugel, die sich auf der Turmspitze der Fahrländer Kirche befand, wurde geöffnet.
Durch zwei Sturmschäden ist die Turmspitze derart in Mitleidenschaft gezogen worden, dass sie jetzt komplett überholt und zum Teil baulich ersetzt werden muss.

Mit schwerem Gerät wird die Kirchturmspitze heruntergehoben

Anfang August hob ein riesiger Kran die gesamte Installation aus Turmspitze, Mast, Kugel, Wetterfahne und Stern vorsichtig vom Turm. Dann brachte Dachdeckermeister Mike Kreuzmann alle Teile in seine Werkstatt nach Etzin.

Die Vermutung lag nahe, weil das früher so üblich war: In der Kugel könnte etwas versteckt sein – aus der Zeit, als die Turmspitze auf dem Kirchturm installiert wurde. Und als Kreuzmann die Kugel anhob und lauschte, merkte er: Ja, irgendetwas klappert da drin!
In Absprache mit Pfarrer Falk lud er nun am 25. August zur feierlichen Kugelöffnung unter Zeugen. Das Ereignis ist auch aus Denkmalschutzsicht spannend. Simone Hennig war gemeinsam mit Bauhistoriker Thomas Sander vor Ort. Hennig ist von der Untere Denkmalschutzbehörde Potsdam für die Fahrländer Kirche zuständig.

Große Spannung beim Öffnen des Metallrohres aus dem Inneren der Kirchturmkugel.
Fotos: sk

Erste Überraschung bei Betrachtung der kupfernen Kugel aus der Nähe: Sie ist gar nicht rund, sondern ziemlich oval. Hennig: „Die Baumeister damals haben sich viel Mühe mit der Optik gegeben. Vom Standpunkt des Betrachters aus – in diesem Fall weit unterhalb – sollte es gut aussehen. Wenn man dicht dran steht, wirkt alles verzerrt.“
Mike Kreuzmann versucht die Kugel ganz vorsichtig zu öffnen. Als selbstständiger Dachdecker im Einmannunternehmen hat er sich auf kleine Aufträge mit großen Herausforderungen spezialisiert, zum Beispiel im Denkmalschutzbereich.

Vorsichtig wird die Kugel der Kirchturmspitze geöffnet…

Als sich die beiden Kugelhälften endlich öffnen, fällt eine metallene Kapsel heraus. Große Überraschung! Jetzt wollen alle wissen, was darin ist. Der ursprünglich mit Pech verschlossene Deckel lässt sich leicht abnehmen. Darin: Offensichtlich mehrere zusammengerollte Schriftstücke. Thomas Sander erklärt: „Um die Dokumente vor Umwelteinflüssen zu schützen, wurden sie mit Ölpapier eng umwickelt. Das sieht man hier deutlich.“ Nach kurzer Diskussion sind sich alle Anwesenden einig: Der Inhalt ist zu wertvoll und viel zu empfindlich, um ihn hier im Freien bei Sonnenlicht und Wind auszuwickeln.

…dann kommt ein historischer Schatz zum Vorschein

Jetzt soll unter Laborbedingungen untersucht werden, was sich in der Zeitkapsel verbirgt. Sander vermutet: „Wahrscheinlich wurde die Kapsel 1935 bei der letzten Instandsetzung der Kirchturmspitze verpackt. Möglicherweise werden aber auch ältere Dokumente gefunden. Denn es war üblich, Sachen, die schon vorher in der Kapsel waren, wieder hineinzulegen.“
Nun ist es an Hausherr Pfarrer Jakob Falk zu überlegen, was aus unserer Zeit in die Kapsel hinein soll. Denn natürlich wird die Kugel mit der Kapsel wieder an der Kirchturmspitze montiert. Für spätere Generationen.

sk

Was könnte das bedeuten? Auch die Wetterfahne gibt Rätsel auf. Offensichtlich wurde sie erstmalig 1774 aufgehängt. Aber was bedeutet der Buchstabe in der Mitte? Wer dazu eine Idee hat, kann sich gern an das Pfarrbüro wenden (pfarrsprengel-fahrland.de).