Bürgerinitiative hat weitreichende Kritik an aktueller Verwaltungsplanung
Als im Oktober 2018 Viola Holtkamp, Bereichsleiterin Verbindliche Bauleitplanung der Stadt Potsdam, den jüngsten Bebauungsplan für die Nedlitzinsel im Rahmen einer Ortsbeiratssitzung den Neu Fahrländern vorstellte, war die einstimmige Meinung eher Entsetzen als Begeisterung. Dr. Wilhelm Wilderink war in diesem Moment klar, dass, wenn man diese Pläne verhindern wollte, sofort handeln müsse. Das war der Startschuss für die Bürgerinitiative (BI) Rettet die Nedlitzinsel.
Wilderink, Jurist und Sprecher der Bürgerinitiative, ist selbst unmittelbarer Anwohner der Nedlitzinsel und kaufte im Jahr 2015 die Villa Adlon, direkt am Lehnitzsee, die er und seine Frau seitdem liebevoll unter hohen Auflagen der Denkmalschutzbehörde sanieren, um die einstige Schönheit des historischen Gebäudes wieder herzustellen. Dabei sei es seine Absicht gewesen, einen gestalterischen Beitrag zu leisten und gemeinsam mit anderen das „Tor zum Norden“ mitzugestalten, so Wilderink. „Es ist eine sehr konstruktive Zusammenarbeit mit der Denkmalschutzbehörde, und wir verstehen die hohen Auflagen, denn es ist ihre Pflicht, dafür zu sorgen, dass die einmalige Architektur Potsdams erhalten bleibt. Vor allem das historische und für Potsdam bedeutende architektonische Ensemble auf und um die Nedlitzinsel muss geschützt werden. Es muss eine Einbindung der Insel in die Gesamtlandschaft und in den bestehenden Lebensraum so seltener Vögel wie dem Eisvorgel und dem Seeadler geben, deren Lebensräume sich direkt auf und um die Nedlitzinsel befinden. Es darf eben nicht so sein, dass jeder machen kann, was er will.“ Und das dürfe auch die Verwaltung nicht, so Wilderink gegenüber dem POTSDAMER.
Keine Berücksichtigung des Natur- und Landschaftsschutzes
„Mindestens zwölf der dreizehn im Baugesetzbuch vorgesehenen abwägungsrelevanten Kriterien wurden bei der derzeitige Bauplanung von der Stadt schlichtweg ignoriert“, stellt Wilderink fest.
Im vorliegenden B-Plan spreche man nur von rohem Wohnraum. Anforderungen des Natur-, Landschafts- und Denkmalschutzes, die Integration sozialer Infrastrukturen, ortsprägende Elemente und auch die ursprünglichen Bebauungspläne vor der Eingemeindung seien völlig außer Acht gelassen. Ganz im Gegenteil: Von Seiten der Verwaltung heißt es nur, dass alles berücksichtigt worden sei. Inwiefern diese ‚Berücksichtigungen‘ jedoch in die Planung Einzug gehalten haben, werde im derzeitigen Bebauungsplan weder erwähnt, noch seien diese in irgendeiner Weise erkennbar, so Wilderink. Den „Höhepunkt unsensibler Architektur“ nennt Wilderink den Fünf-Geschosser, den man am nördlichen Ende der Insel plant.
Was will die BI erreichen?
„Die Bürgerinitiative Rettet die Nedlitzinsel möchte den derzeitigen Bebauungsplan der Stadt auf der Nedlitzinsel verhindern, weil dieser einerseits eine sehr intensive Bebauung vorsieht und andererseits viele Bau-Kriterien von Seiten der Stadt nicht berücksichtigt wurden“, fasst Wilderink die Ziele der BI zusammen. „Dabei möchten wir die Bebauung des Geländes nicht verhindern, sondern die ursprüngliche Idee aufgreifen, einen sehenswerten Ortskern zu errichten, der neben einer leichten und in das umliegende Landschaftsbild passenden Architektur auch ausreichend Raum für Erholung bietet. Ein Dorfplatz für Natur- und Erholungssuchende, Platz für Kinder zum Spielen und ein Café wünschen sich die Neu Fahrländer zum Beispiel. Dafür setzen wir uns ein.“
Massive Bebauung könne woanders geplant werden, nicht an einer so fragilen und naturbetonten Ortsdurchfahrt, meint Wilderink und nennt noch einen weiteren Grund, warum es sinnvoll ist, mit der finalen Bauplanung zu warten: „Der Verlauf der Straßenbahn ist noch fraglich und ungenau. Wir wollen und brauchen die Straßenbahn, man sollte sich jedoch erst sicher sein, wo deren Trasse und der geplante Radschnellweg verlaufen, bevor man zu bauen beginnt“. Wilderink sieht auch die geplante Tiefgarage als nicht durchdachtes Stellplatzkonzept. Das Unterbaggern der Insel soll dem Stellplatzproblem entgegenwirken, das die mehr als 250 Bewohner der über 120 geplanten Wohneinheiten auf der Insel verursachen würden. Mit über 1000 Fahrbewegungen pro Tag aus der Garage raus und wieder rein rechnet Wilderink. Auch deshalb müsse man genauestens den Verlauf des Radweges und der Tramtrasse planen – von Fragen des Naturschutzes ganz zu schweigen.
Fraktionen sollen vor Wahlen Farbe bekennen
Wilderink fordert nun vor den im Mai stattfindenden Kommunalwahlen eine offizielle Stellungnahme der einzelnen Fraktionen zu den vorgestellten Bebauungsplänen der Stadt, die noch weit über das Bebauungsvolumen hinausgehen, die der Investor selbst der Stadtverwaltung vorgeschlagen hatte. „Wir erwarten vor der Kommunalwahl von den einzelnen Fraktionen eine Äußerung, wie diese zu der derzeitigen Planung stehen. Sind die Grünen wirklich bereit, die Habitate des Seeadlers und des Eisvogels aufs Spiel zu setzen? Sind die SPD oder CDU, die sich Bürgernähe auf die Fahnen schreiben, ernsthaft bereit, ein solch eindeutiges Bürgervotum zu ignorieren?“, möchte Wilderink wissen.
Die BI rechnet sich große Chancen aus
Die derzeitige Planung laufe laut Wilderink auch vollkommen gegen den gemeinsamen Entwicklungsplan von Berlin und Brandenburg, der vorsieht, dass man die weitere Entwicklung der Städte an den sechs aus Berlin herausführenden Strängen entlang plane, die von einer eng getakteten ÖPNV-Führung begleitet werden sollte.
Nun habe man laut Wilderink auf der Hälfte der Strecke in den Norden genau das, was man nicht wollte, nämlich eine unnötige Verdichtung der Bebauung und des Verkehrs und erhöhe damit die Problematik, die man eigentlich vermeiden sollte.
Weil sich das Verfahren zum Bebauungsplan 143 „Westliche Nedlitzinsel“ zurzeit noch in der Planungsphase befindet und rechtlich verbindliche Festsetzungen bislang nicht erfolgt sind, rechnet sich Wilderink gute Chancen dafür aus, dass das Anliegen der Neu Fahrländer Gehör findet und die Bebauungspläne der Stadt verhindert werden. Auch hoffe er auf die Vernunft der Stadtverordneten, die bis dato keinen finalen Beschluss gefasst haben. „Wir können somit noch auf allen Ebenen Einfluss nehmen. Insbesondere können wir in direkten Kontakt mit der Bauverwaltung treten und die offene Diskussion mit den Fraktionen und Medien führen“, schildert Wilderink die Situation.
Bleibt zu hoffen, dass man das, wodurch sich Potsdam von den meisten anderen Städten unterscheidet, bewahren kann, nämlich der gelungenen Kombination von geschützter Architektur in eine einmalige Naturlandschaft zu einem einheitlichen und in seiner Vielfalt und Schönheit unerreichten Komposition. sts