Menschen aus dem Potsdamer Norden berichten
Patrick Müller, Müllfahrer
Patrick Müller sammelt mit seinem Lkw für die Stadtentsorgung Potsdam (STEP)den Biomüll ein.
„Die STEP hat einiges für unsere Sicherheit getan: Das Verwaltungsgebäude ist seit Mitte März für den öffentlichen Besucherverkehr geschlossen und die Disposition ist mit einer Plexiglasscheibe geschützt. Desinfektionsmittelspender stehen überall bereit, für unterwegs hat jeder sein eigenes kleines Desinfektionsmittel. Unsere persönliche Arbeitsschutzbekleidung geht zweimal pro Woche in die Reinigung, statt vorher einmal. Außerdem wurde der Schichtbeginn geändert, damit morgens nicht alle Kollegen aufeinandertreffen. Je nachdem, für welche Tour wir zuständig sind, fangen wir jetzt unterschiedlich an, statt alle gleichzeitig um sechs Uhr. Für mich ist es nicht so einfach, wenn die Schicht erst um acht beginnt. Man ist so oder so um halb fünf wach. Aber die Anfangszeiten wechseln. Ganz am Anfang der Krise hatten wir mal zwei Verdachtsfälle auf Corona unter den Kollegen. Die wurden sofort mit ihren Teams für 14 Tage nach Hause geschickt. Jetzt sind alle wieder dabei, keiner von Ihnen hatte Corona.
Alle denken, auf der Straße kommen wir mit den Müllautos jetzt besser durch. Auf den Hauptstraßen ist es entspannt, aber sobald man in ein Wohngebiet kommt, haben wir jetzt viel größere Probleme, weil die Leute alle zu Hause sind. Zum Beispiel in Fahrland in der Paul-Lange-Bey-Straße, am Stern und in der Innenstadt. Es gibt einfach zu wenige Parkplätze. Es ist alles so zugeparkt, dass wir teilweise gar nicht durchkommen. Da müssen wir unser fahrerisches Können noch ein bisschen mehr unter Beweis stellen.
Leider gibt es viele Autofahrer, die überhaupt keine Rücksicht auf uns nehmen. Viele Leute sind gestresst, wollen schnell vorbei, sind uneinsichtig. Jeder möchte, dass seine Tonne entleert wird. Wir freuen uns hier über gegenseitige Rücksichtnahme und Verständnis aller Teilnehmer im Straßenverkehr.
Ich freue mich sehr, wenn man mal ein Plakat sieht, wie z.B. in der Karl-Marx-Straße, wo auch den Müllfahrern gedankt wird oder mal eine Omi am Straßenrand winkt.
Die Entschleunigung tut gerade gut. Aber ich glaube, wenn die Corona-Krise vorbei ist, denkt niemand mehr daran. Es geht einfach so weiter wie vorher.
Das Müllaufkommen ist beim Biomüll um circa 15 Prozent gestiegen. Viele kochen nun zu Hause und bringen ihren Garten auf Vordermann, dabei fallen viel mehr Küchenabfälle und Grünschnitt an. In der Woche nach Ostern waren wir zum Beispiel Am alten Rad, in Eiche, an der Belastungsgrenze mit unserer Ladung. Auch bei den anderen Touren wird es immer mehr, besonders beim Sperrmüll. Die Leute haben Zeit zum Renovieren und zum Kellerausräumen.
Beim Abladen tragen wir sowieso schon Staubschutzmasken, das ist Pflicht. Ich mache mir schon Gedanken wegen einer möglichen Ansteckung. Bisher hat unser Stadtentsorgungsteam aber alles gut hinbekommen und alle Touren geschafft. Die Kollegen und Disponenten leisten da gute Arbeit. Wir sind und bleiben zuversichtlich!“
Shirley Schramm, Musikerin
Shirley Schramm unterrichtet an der Städtischen Musikschule Potsdam, an der Rosa-Luxemburg-Schule und der Meusebach-Grundschule in Geltow, ist musikalische Leiterin der Ensembles „Querklang“ und „Corona Musica“ und spielt Solo-Fagott im Sinfonieorchester Collegium musicum Potsdam.
„Wir Musikschullehrer müssen nun online das Instrument lehren und Musik vermitteln und das ist eine neue Herausforderung.
Es fängt schon an mit der Technik und den Erfahrungen, die bei jedem Lehrer als auch Schüler unterschiedlich sind.
Da einen gemeinsamen Nenner zu finden, gehört zu unserem Angebot eines adäquaten alternativen Unterrichts. Für den Einzelunterricht funktioniert es inzwischen ganz gut und die kleinen Gruppen teile ich mir auf.
Wir verabreden uns für ein Telefonat oder einen Videochat, spontan und flexibel, sobald die Musikschüler etwas fertig haben oder wenn es Fragen gibt. Sie können sich melden, wenn sie gerade bereit sind. Es gibt keine festen Zeiten wie in der Musikschule, es sei denn, es wird gewünscht. Wie oft kamen die Schüler früher nach einem langen Schultag ziemlich fertig und kaum mehr aufnahmefähig zum Unterricht. Ich genieße es gerade sehr, dass das jetzt so schön entspannt funktioniert. Keine Ahnung, wie man das mal ins spätere Leben transferiert.
Tempo und Noten kann man gut vermitteln. Aber musikalisch vollenden kann man die Stücke so nicht. Das müssen wir machen, wenn wir uns wiedersehen. Das Fagott zu blasen, ist sehr komplex und man muss auf viele Dinge gleichzeitig achten. Und manchmal kann ich es aus der Ferne nicht gleich einschätzen, ob es am Mundstück, Instrument oder am Spieler selbst liegt. Normalerweise würde ich das Instrument ausprobieren, am Mundstück was verändern und um den Schüler herumspringen. Der direkte Kontakt, das Zwischenmenschliche, fehlt mir sehr und das ist ja auch das Besondere an unserem Unterricht.
Manche Schüler, auch Erwachsene, können gerade gar nicht üben und leider auch keinen Unterricht wahrnehmen. Sie sind mit den vielen Hausaufgaben, Geschwistern und Stress zu Hause total überlastet. Aber gerade denen würde ich ein entspanntes Musizieren gönnen.
Der „Klasse Musik“-Unterricht (siehe Kasten) an den Schulen fällt nun auch aus. Mit meinen Tandempartnern bereiten wir trotzdem die Programme für die Einschulungen vor, und wir haben die Stücke, Tänze und Lieder aufgenommen.
Orchesterwochenenden und Auftritte mit dem Jugendsinfonieorchester und dem Stringendo der Musikschule sind gestrichen. Das ist sehr bedauerlich, weil das große Ziel der Orchesterarbeit wegfällt und es schwieriger wird, das Niveau wieder zu erreichen.
Meine eigenen musikalischen Aktivitäten und Konzerte fallen nun auch alle weg und das vermisse ich sehr.
So nutze ich die Zeit entweder für Technik oder ich schreibe und arrangiere Stücke für meine Gruppen. Oder ich sortiere meine ganzen Noten und Unterlagen, was ich sonst in der Ferienzeit mache und meistens nie vollständig schaffe.
Sehr angenehm finde ich, dass wir selbstständig arbeiten können und uns die Musikschulleitung vertraut und uns auch bei technischen Angeboten unterstützt.
Mein erster Videochat mit meiner Gruppe „Querklang“ war sehr lustig und anstrengend. Ich möchte wieder mit meinen Erwachsenen richtig Musik machen. Meine andere Instrumentalgruppe aus Marquardt heißt „Corona Musica“. Über unseren Namen müssen wir aufgrund der Entwicklung vielleicht doch mal nachdenken… Sobald es geht, wollen wir vor einem Altersheim musizieren. Und wir holen bei einem Probenwochenende in Rheinsberg ein bisschen was nach.
Was mich in dieser Zeit sehr beschäftigt, ist der Kontakt zu meiner Mutter. Ich habe gerade mehr Zeit für sie, aber es ist meine größte Angst, sie anzustecken oder dass ihr etwas passieren kann.
Uns fehlt der ganz nahe Kontakt. Ist schon blöd, wenn man gegenüber seiner Mutter immer anderthalb Meter Abstand halten muss. Zum Glück geht es uns gut, und es soll auch so bleiben.“
Ernst Ruden, Landwirt
Der Bauernhof von Landwirt Ernst Ruden in Krampnitz ist ein Familienunternehmen mit 200 ha Nutzfläche, Gemüse- und Obstanbau, Rindern, Alpakas, Gänsen und Hühnern sowie einem eigenen Hofladen.
„Die Corona Krise trifft uns als Betrieb nicht wirklich. Unser Hofladen läuft besser als vorher, da mehr Menschen Wert auf regionales Gemüse legen. Unser großes Problem ist aber, dass das Verhalten der Leute in der freien Landschaft aufgrund der Corona-Krise unmöglich geworden ist. Auf Acker- und Grünlandflächen sind Leute in Scharen unterwegs. Jeder ist der Meinung, er muss sich mit viel Abstand an der frischen Luft ausbreiten. Es wird mit Autos auf den Feldern herumgefahren, um irgendwo Picknick zu machen.
Der Hunde-Gassi-Service aus Berlin lässt die Tiere über die Wiesen rennen. Bei unseren Rindern stehen die Leute um den Koppeldraht herum wie im Tierpark. Kürzlich haben wir zwei Kälber verloren. Die Tiere sind während der Geburt hin und her gerannt, weil ständig jemand mit dem Handy daneben stand.
Die hiesigen Leute haben das Problem zum großen Teil schon verstanden. Weil in Berlin aber alle Parks und Spielplätze geschlossen sind, kommen Unmengen von Berlinern hierher, um sich mit ihren Kindern irgendwie zu beschäftigen. Ich kann das schon nachvollziehen. Aber wir sind hier im Landschaftsschutzgebiet! Es ist Brut- und Nistzeit. Fasane und Enten sind beim Brüten. Das Betreten von Flächen ist zu dieser Jahreszeit generell untersagt, weil alles am Wachsen ist. Die Futterflächen werden dringend gebraucht. Bei der Trockenheit wächst sowieso schon wenig. Wenn dann noch Völkerwanderungen stattfinden, dann ist das für uns ein arges Problem. Ich möchte an die Vernunft der Leute appellieren! Bitte bleiben Sie auf den Wegen!
Mit dem Runden Tisch Potsdam Nord haben wir uns seit November letzten Jahres dafür eingesetzt, das wilde Campen und das Surfen am Fahrländer See einzuschränken, die Natur am Ufer und auf den Flächen davor zu schützen. Durch Corona ist das leider kurz vorm Erfolg abgebrochen worden. Am Pumphaus haben die Jäger jetzt in Eigeninitiative angefangen, Wege zu sperren und zu pollern, damit die Autos nicht überall hinkommen. Die Frage ist, was jetzt passiert. Ob die Leute den Acker weiter breitparken? Die Wohnmobile können wegen der Poller jetzt nicht mehr wenden. Mal sehen, ob es ruhiger wird.
Normalerweise ist die Stadt verpflichtet, sich um diese Dinge zu kümmern. Eigentlich müssten die landwirtschaftlichen Wirtschaftswege beschildert sein. Dann könnte die Polizei bei den wildparkenden Surfern Tickets verteilen. Im Land Brandenburg ist die Stadt Potsdam mit ihrer ländlichen Region die einzige Ecke, wo noch jeder machen kann, was er will. Die Stadt kümmert sich nur um ihre Garnisonskirchen und Schlösser. Aber um ihre eingemeindeten Ortsteile kümmert sie sich überhaupt nicht. Das ist ja in allen Belangen so. Da müssen fünf Behörden und am Ende noch die Stadtverordnetenversammlung zustimmen, bis jemand ein Schild hinstellt. Wir waren mit den Verhandlungen darüber auf einem guten Weg, aber durch Corona ist alles gestoppt.
Langfristig würde es das meiste bringen, wenn sich der NABU mit seiner Forderung durchsetzt, den Randgürtel des Fahrländer Sees wegen seltener Vogelarten unter Naturschutz zu stellen. Regelmäßig beobachten wir hier einen Seeadler. Die Stadt Potsdam wird sich damit allerdings schwertun, weil sie diese Fahrradautobahn plant. Aber sie ist hier mit verantwortlich. An ihr liegt es, eine rechtliche Grundlage zu schaffen!
Privat haben wir uns mit der Situation ganz gut arrangiert. Unser Jüngster ist in der fünften Klasse. Da muss man schon hinterher sein, denn nächstes Jahr ist die Bewerbung für die weiterführende Schule. Die Doppelbelastung aus Arbeit und Schulbetreuung zu Hause ist anstrengend. Aber wir haben den Vorteil, dass wir mit unserer Arbeit viel auf dem Hof sind und zwischendurch immer mal wieder schauen können. Die Notbetreuung nehmen wir nicht in Anspruch. Das Risiko, dass die Kinder etwas hier mit herschleppen, ist uns einfach zu groß. Denn meine Eltern leben mit auf dem Hof und sind schon zwischen 80 und 90 Jahre alt. Es wäre eine mittelschwere Katastrophe, wenn wir hier einen Coronafall hätten. Entsprechend versuchen wir uns zu benehmen.“
www.bauernhof-ruden.de
Silvana Green, Schulleiterin
Silvana Green leitet die Grundschule in Bornim.
„Als die Schule meiner Tochter bereits eine Woche vor unserer geschlossen wurde hatten wir schon eine Vorahnung. Wir haben die Eltern in einem Elternbrief über die Schulschließung informiert und in den Tagen davor alle Hefte und Bücher mitgegeben.
Für das Bereitstellen der Unterrichtsmaterialien, Wochenpläne und Aufgaben haben wir jeder Klasse einen Ordner in einer Cloud eingerichtet und verlinkt. Dieser „Klassen-Link“ wurde mit den jeweiligen Eltern in einem weiteren Anschreiben geteilt. In den Ordner legen die Lehrer*innen ihre Dateien hinein. Eltern die keine Möglichkeit zum Drucken haben, benachrichtigen das Sekretariat und wir legen die Ausdrucke im Flur in entsprechende Körbe zum Abholen. So organisieren einige Kolleg*innen auch das Einsammeln und Korrigieren von Aufgaben.
Kommen Eltern bei der Unterstützung zuhause nicht weiter, bieten die Kolleg*innen z.B. Hilfen am Telefon, per E-Mail oder in Video-Konferenzen an. Wir legen auch Hilfsmittel zum Abholen in der Schule bereit.
Insgesamt lief die Schulschließung sehr unaufgeregt und geregelt bei uns ab. Dafür haben wir auch positives Feedback von einzelnen Eltern erhalten. Jede Schule erarbeitet eigenständig Vorgehensweisen, da jede Schule unterschiedlich ausgestattet ist. Wir sind technisch recht gut aufgestellt und die Kolleg*innen sind sehr offen für das Abhalten von z.B. Video-Konferenzen oder das Einbinden verschiedener Online-Plattformen. Auf die Einhaltung des Datenschutzes zu achten, bremst unseren Enthusiasmus jedoch mitunter.
Als Schule wurden wir in den Osterferien in das Pilotprojekt der HPI Schul-Cloud Brandenburg aufgenommen. Über diese Cloud-Lösung können wir den Kindern Aufgaben in Kursen (z.B. Englisch) zuweisen und auch online Angebote, wie Quizlet, Learningsnacks oder Padlet direkt einbinden. Das häufige Wechseln von Internetseiten entfällt. Außerdem können die Kinder ihre erledigten Aufgaben hochladen und ein Feedback bekommen. Toll ist auch, dass direkt aus der HPI Schul-Cloud Videokonferenzen stattfinden können.
Die Einrichtung ist jedoch eine Herausforderung, da alle Kinder eine eigene E-Mail-Adresse benötigen und wir nicht wollten, dass sich die Kinder mit Fantasie-Mails wie Trullertrinchen@… anmelden. Wir haben daher für alle Viert- und Fünftklässler die Eltern um Einwilligung zur Einrichtung einer schuleigenen E-Mail-Adresse gebeten. Nun richten meine Stellvertreterin und ich diese Adressen ein und versenden anschließend die Einladungslinks zur Schul-Cloud an die Eltern.
Gerade das Thema Videokonferenzen hat uns umgetrieben. Wir haben vor den Osterferien für jede Klasse einen virtuellen Raum bei einem OpenSource-Anbieter eingerichtet, der seine Server in Europa hat. Eltern haben dann untereinander Treffen der Kinder organisiert und auch die Lehrkräfte dazu eingeladen. Einige Kolleginnen verabreden sich regelmäßig zu Videokonferenzen mit ihren Schülerinnen und Schülern. Ansonsten agieren wir alle noch kreativer als zuvor, nehmen selbst Lernvideos auf, rufen bei den Kindern an oder verschicken selbstaufgezeichnete Audios in denen den Kindern von Lehrer*innen Geschichten vorgelesen werden.
Für die Einwilligungserklärungen in Bezug auf den Datenschutz bei der Verwendung verschiedener Online-Angebote hätte ich mir Vorlagen gewünscht. Das Erstellen hat sehr viel Zeit gekostet, da man ja datenschutzkonform und transparent arbeiten möchte.
Um uns gegenseitig auszutauschen treffen wir uns häufig in einer Video-Konferenz, schreiben E-Mails und einige Kolleginnen treffen sich auch, mit Abstand, in der Schule. Alle unterstützen sich gegenseitig und werden plötzlich zu Kameraleuten, Hauptdarstellern oder Profis für digitales Lernen.“
www.gs-bornim.de
Burkhard Radtke,Rentner
Burkhard Radtke ist ehemaliger Vorsitzender des Gemeindekirchenrats der evangelischen Kirchengemeinde Groß Glienicke
„Die aktuelle Corona-Situation ist keine Zuchtrute Gottes, sie ist eine Reaktion der Erde auf unseren Umgang mit ihr. „Was der Mensch sät, soll der Mensch ernten“ (Galater 6:7) Und diese zum größten Teil selbstverschuldete Lage ist eine, in der der christliche Glaube auf eine besondere Probe gestellt wird – und auch besonders gebraucht wird.
Wir sollen alle zu Hause bleiben oder zumindest den bisher gewohnten sozialen Kontakt zu anderen – auch zu Familienangehörigen – weitestgehend meiden. Was stellt diese Situation mit unserer Seele an? Wir sind Menschen und brauchen einander. Und wir brauchen den Glauben als Anker für unsere Seele.
Wir haben verlernt, mit der Schöpfung Gottes, mit unserer Umwelt, verantwortlicher und rücksichtsvoller umzugehen. Wir müssen erkennen, was Schöpfung ist und was Menschenwerk. Wir haben die Welt an den Abgrund gebracht und müssen jetzt mit ganzer Kraft auf die Bremse treten.
Bewegungen wie Fridays for future sind deutliche Zeichen dafür, dass auch die Jugend erkannt hat, dass sich etwas ändern muss. Es muss sich etwas ändern. Und das ETWAS sind wir. Wir müssen den Umgang mit der Erde, der allumfassenden Schöpfung, unserer Umwelt ändern. Wir müssen uns ändern.
Wir sind in Deutschland 40 Millionen Menschen, die an christliche Werte glauben. Das ist ein großes Gut, auf dem wir aufbauen und das wir nutzen müssen. Deshalb hätte ich mir gewünscht, dass sowohl die katholische als auch die protestantische Linie der christlichen Kirche sich sehr viel intensiver in der gesamten Situation zu Wort meldet und Position bezieht.
Wie systemrelevant ist denn Kirche? Welche tragende Rolle hat Kirche in der Gesellschaft und in der Gemeinde? Der Kontakt zur Kirche wurde uns von einem Tag auf den anderen genommen. Gottesdienste hat man online übertragen, um diese den Menschen nach Hause bringen zu können. Doch es fehlt das persönliche Gespräch. Pfarrerinnen und Pfarrer haben vor allem die Aufgabe, innerhalb ihrer Gemeinde als Seelsorger zu fungieren, ansprechbar zu sein für die Sorgen der Menschen. Sie mit Rat und wenn möglich auch Tat zu begleiten, ihnen Halt, Orientierung und Hoffnung zu schenken. Wenn den Pfarrern und den Menschen dieser Austausch verwehrt wird, bleiben die Menschen mit ihren Sorgen allein. Und das darf es insbesondere in einer Situation, die von Angst und Unsicherheit geprägt ist und die so tiefe Einschnitte in unser gesellschaftliches Leben hat, nicht geben. Wir müssen den Menschen zeigen, dass sie nicht alleine sind, dass sie auf die Gemeinde, die Mitmenschen vertrauen können.
Ich erlebe jeden Tag in den vielen Gesprächen, wie es den Menschen geht, wie wichtig es ist, ihnen zuzuhören, sie anzunehmen. Selbst Menschen, die sonst mit der Kirche nicht viel zu tun haben, suchen das Gespräch mit mir und sind froh darüber, dass sie sich jemandem anvertrauen können.
Oft höre ich, dass die Menschen zur Normalität zurück wollen. Ich bin der Meinung, dass dürfen wir nicht. Das, was wir für normal halten, hat uns in diese Situation gebracht. Wir müssen aus der Situation lernen und anders daraus hervorgehen.
Es ist schön zu sehen, dass es Menschen gibt, die anderen in der heutigen Lage helfen. Dies sollten aber keine Einzelfälle, sondern eine Selbstverständlichkeit sein. Es reicht nicht aus, Christ zu sein. Man muss Vorbild sein, Verantwortung übernehmen. Einzelfälle lösen das Problem nicht. Wir müssen die christlichen Werte in der Gemeinschaft abbilden und leben.
Wir lassen jeden Sonntag die Glocken läuten, damit die Menschen wissen, dass wir da sind und haben die Kirche unter Einhaltung der Vorschriften für alle geöffnet, die kommen möchten, denn wir sind als Kirche auch eine moralische Institution.“
Die Interviews führten Susanna Krüger und Steve Schulz