Stadt präsentiert Verkehrskonzept, ohne sich festzulegen

Im Rahmen des Forum Krampnitz stellte die Stadtverwaltung am 03. Dezember 2019 ihr jüngstes Verkehrskonzept zu Potsdams größtem Bauvorhaben vor. Wegen vieler unbeantworteter Fragen und vieler ungeklärter Risikofaktoren bleiben die vorgestellten Pläne jedoch nur Ideen. Ob der Trassenverlauf so und in dem vorgestellten Zeitfenster überhaupt realisiert werden kann, bleibt weiterhin offen.

Für die Überbrückung der Nedlitzinsel sollen zusätzliche Brücken gebaut werden (hier die südliche Brücke).

Neue Versprechen lösen alte ab

Spätestens 2029 soll die Straßenbahn bis nach Krampnitz fahren. Das zumindest verspricht Potsdams Baubeigeordneter, Bernd Rubelt. Die Gründe für diese neue Zeitplanung lägen in dem zu spät begonnenen Planungsprozess, den umfangreichen Baumaßnahmen sowie dem notwendigen Kauf von Grundstücken, über die die Tram-Trasse verlaufen soll, begründet Rubelt die neue Zeitplanung.
Nun soll aber alles besser werden. Den Verkehr bekäme man gut in den Griff. Mit Staus sei nicht mehr zu rechnen und auch die Tram-Trasse wird wie geplant verlaufen. Zur Not werden wohl Enteignungsverfahren eingeleitet werden müssen – zum Wohle aller, versteht sich.
Dass die „alte“ Trasse zum Campus Jungfernsee erst zwei Jahre alt ist und die Stadt damals versicherte, eine einspurige Trassen sei zukunftsfähig, gilt schon lange nicht mehr. Die Stadt muss sich erneut an ihren Versprechen messen lassen. Ein weiteres gab Rubelt zum wiederholten Male: „Eine Sperrung der B2 wird es nicht geben. Die B2 muss funktionieren.“ Wie dieses Versprechen jedoch bei den massiven Bauvorhaben entlang und auf der B2 realisiert werden soll, bleibt offen. Und noch etwas verspricht Rubelt: In jedem Fall sei mit einer mehrjährigen massiven Verkehrsbeeinträchtigung zu rechnen.

Die Zweigleisigkeit der Straßenbahn soll schon vor dem Campus Jungfernsee beginnen. Grafiken: ViP

Die doppelte Trasse

Zweispurig muss sie sein, die neue Trasse der Straßenbahn. Das habe vor allem den Grund, die geplanten Fahrgäste in beiden Richtungen schnell an ihr Ziel bringen zu können, so der Leiter des Bereichs Verkehrsentwicklung, Norman Niehoff. Dass die Zweispurigkeit auch ein Grund für die Finanzierung der Trasse nach Krampnitz sei, verneinte man seitens der Stadt. Eine einspurige Trasse werde zu Null Prozent von Land und Bund gefördert worden. Die Förderung von bis zu 75 Prozent für eine zweispurige Trasse sei zwar willkommen, stehe aber in keinem Zusammenhang mit der Planung selbst, heißt es. Die Zweispurigkeit sei aufgrund der hohen Nachfrage, mit der man rechnet, zwingend notwendig.

Hier geht´s lang

Die zweigleisige Trasse beginnt schon auf der Nedlitzer Straße zwischen Georg-Hermann-Alle und Zum Exerzierhaus, also eine Station vor dem Campus Jungfernsee. Insgesamt werden zehn neue barrierefreie Straßenbahn-Haltestellen geschaffen. Nach dem Campus Jungfernsee kommen der Reihe nach die Haltestellen Insel Neu Fahrland, Heinrich-Heine-Weg, Bassewitz, Hannoversche Straße, Krampnitz-Ost, Krampnitz-Mitte, Krampnitz-West, Eisbergstücke, Am Upstall und Schule Fahrland. Die erste Teilstrecke bis Krampnitz-West wird eine Länge von 4,6 km haben. Der zweite Streckenabschnitt von Krampnitz-West bis Schule Fahrland eine Strecke von 2,6 km.

Planung des Trassenverlaufs an der nördlichen Brücke der Nedlitzinsel. Grafik: ViP

Mehr Verkehr statt weniger

Potsdam wächst und mit ihr das Verkehrsaufkommen. Immer mehr Autos kommen auf die Straße, immer mehr Wege werden gegangen, gefahren, geradelt, doch die Anzahl der Straßen bleibt gleich.
Das zurzeit wichtigste Verkehrsprojekt für die wachsende Stadt Potsdam ist der Ausbau der Straßenbahn nach Krampnitz. Das Verkehrskonzept kann aber erst umgesetzt werden, wenn alle Unklarheiten beseitigt wurden. Auch das Land muss zuvor dem Verkehrskonzept zustimmen. Dies hatte jedoch schon signalisiert, dass es ein Konzept erwarte, das Nachhaltigkeit erkennen lässt und auf Zahlen beruht, die nicht mehrere Jahre alt sind.
Laut der Stadtverwaltung sind die Kernmaßnahmen des Verkehrskonzeptes die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs, die Schaffung von Parallelangeboten sowie die Stärkung der Nahmobilität (zu Fuß oder mit dem Rad).
Dazu benötigt Krampnitz allerdings auch die versprochene Infrastruktur: Schulen, Kitas, Ärzte, Kleingewerbe, Arbeitgeber mit attraktiven Arbeitsplätzen, Sportflächen für Schul-, Privat- und Vereinssport, Gastronomie, Räume für Kultur und vieles mehr. Werden diese versprochenen Einrichtungen nicht realisiert, müssen die 5.000 Krampnitzer und all die Einwohner aus den umliegenden Ortsteilen weiterhin weite Wege in die Stadt zurücklegen, was den Verkehr eher ansteigen lässt als ihn zu verringern. Eine Stärkung der Nahmobilität ist das nicht.
Weil man zwar Krampnitz, weniger aber die umliegenden Ortsteile langsamer entwickeln kann, ist das gesamte Verkehrskonzept infrage zu stellen. Durch die zuziehenden Einwohner im gesamten Potsdamer Norden entstehen zusätzliche Wege, kommen mehr Autos auf die Straßen und mehr Kinder in die Busse.
Weder die noch lange auf sich wartenden P+R-Parkplätze mit einer vermutlich zu geringen Anzahl von Parkplätzen, die den Verkehr vor der Stadt abfangen sollen, noch der Einsatz zusätzlicher Busse, die wegen der zu fahrenden Umwege länger brauchen als vorher, sind wirkliche Maßnahmen, die man als attraktive Parallelangebote oder Alternativen zum Auto bezeichnen kann.

Ungelöste Probleme

Vor allem im Kauf der Grundstücke sehen viele ein großes Potenzial an weiterer Zeitverzögerung. Viele Eigentümer möchten ihre Grundstücke nicht verkaufen und haben schon den Klageweg durch alle zur Verfügung stehenden Instanzen angekündigt.
Es gebe viele Unsicherheiten und erhebliche Risiken, die man erst im weiteren Planungsverlauf beantworten könne, so Baubeigeordneter Rubelt. Das Hauptproblem könnte also in dem Planungsverfahren selbst liegen. Laut Niehoff fehle es auch an verlässlichem Zahlenmaterial, weil man zu einigen Maßnahmen auch noch keine verlässlichen Wirkungsanalysen durchgeführt habe.
Aus diesem Grund waren wohl die häufigsten Antworten auf gestellte Fragen „Das ist erst einmal nur ein Plan“ und „Das wissen wir noch nicht, das müssen wir noch prüfen“. Bleibt zu hoffen, dass bald alle Antworten gefunden werden.
Der Einsatz von zusätzlichen Bussen ist keine durchdachte Planung, sondern eine unumgängliche Notwendigkeit, weil man zu früh damit begonnen hat, Grundstücke zu verkaufen und Baugenehmigungen zu erteilen, lange bevor man ein wirkliches Konzept hatte, wie Krampnitz einmal werden soll. Dafür stehen auch die Planungen von zuerst 3.800, dann 5.600 und jetzt 10.300 Einwohnern in Krampnitz. Jetzt steht die Verwaltung mit dem Rücken an der Wand und muss schnell reagieren als in Ruhe planen zu können.

Was sagen andere?

Einige Stimmen nach der Präsentation beschrieben das vorgestellte Verkehrskonzept als „nicht ineinandergreifende Puzzlestücke“, als „unausgereifte und nicht zu realisierende Fiktion“ oder als „Planung ohne Plan“, „Erst Wohnungen bauen und sich dann Gedanken zum Verkehr machen, ist Schwachsinn“.

Antje Peterburs

Antje Peterburs aus Bornstedt meint: „Die Bürgerbeteiligung durch die Verwaltung hat in unserer Stadt einen hohen Stellenwert. Beim Thema Krampnitz habe ich das Gefühl, dass man auf die Meinung der Bevölkerung keinen Wert legt. Die Veranstaltung wurde kaum beworben und dennoch kamen sehr viele, was das Interesse zeigt. Fragen der Bürger wurden nur sehr wenige zugelassen. Es wurde auch klargestellt, dass Bürgeranfragen im Forum eigentlich nicht vorgesehen seien und das Zulassen weniger Fragen als Zugeständnis zu verstehen sei. Wertschätzung hört sich für mich anders an. Mir ist nicht klar geworden, wie man es schaffen möchte, das Verkehrsaufkommen aufzufangen. In Krampnitz muss es schon früh sozialen Raum geben. Treffpunkte, Cafés und Freizeitangebote, und auch hier ist das Thema Mobilität nicht konsequent mitgedacht worden. Wenn Infrastruktur zu spät entwickelt wird, haben wir wieder eine Schlafstadt wie in Bornstedt. Es ist absehbar, dass sich die eh schon sehr angespannte Verkehrslage deutlich verschlechtern wird. Dies wurde auch durch die Grafiken und Zahlen von der Brenner Bernard Gruppe deutlich, die das Verkehrsaufkommen erhoben und die Verdichtung prognostiziert haben. Fehlt die Tram, halte ich es für nicht tragbar, Krampnitz schon zu 50 Prozent beziehen zu lassen. Ohne Tram kann der Verkehr der umliegenden Ortsteile und Regionen nicht entlastet werden.“
Auch die drei Forumsmitglieder Dr. Carmen Klockow (Bürgerbündnis, Ortsvorsteherin von Neu Fahrland), Stefan Matz (BI Fahrland, Ortsvorsteher aus Fahrland) sowie Fahrlands Stadtverordnete und Tina Lange (Die Linke), äußerten sich zu dem Verkehrskonzept.

Dr. Carmen Klockow (Bürgerbündnis), Ortsvorsteherin von Neu Fahrland)

Dr. Carmen Klockow: „Bereits 2013, als erstmals die Entwicklungssatzung für Krampnitz in der Stadtverordnetenversammlung zur Entscheidung anstand, forderte der Ortsbeirat Neu Fahrland, dass vor der Entwicklung von Krampnitz ein schlüssiges Verkehrskonzept angefertigt werden müsse. Hiervon ist man jetzt weiter entfernt denn je. Bevor die erste Tram fährt, sollen bis zu 5.000 Einwohner nach Krampnitz gezogen sein. Unabhängig von Krampnitz wachsen aber auch die benachbarten Ortsteile Neu Fahrland, Fahrland und Groß Glienicke. Die B2 ist bereits jetzt zu vielen Zeiten völlig überlastet. Statt der Tram würden bis dahin verstärkt Busse eingesetzt werden, auch Schnellbusse, die Potsdam mit Spandau verbinden. Wo könnte aber auf der schmalen B2 eine separate Busspur geschaffen werden? Wie sollen die Busse den Stau umfahren? Stattdessen werden sie in genau diesem Stau feststecken. Wie seit 2013 gilt auch heute: Bevor die ersten Bewohner eines so großen Baugebietes einziehen, muss eine tragfähige Verkehrsinfrastruktur geschaffen werden mit attraktivem ÖPNV-Angebot! Bau- und Verkehrsplanung müssen miteinander verzahnt ablaufen. Krampnitz wird nicht nur für Neu Fahrland, sondern auch für die übrigen angrenzenden Gebiete enorme Verkehrsprobleme mit sich bringen. Eine Lösung ist nicht einmal ansatzweise in Sicht.“

Tina Lange, Stadtverordnete

Tina Lange: „Uns drohen noch mindestens 10 Jahre Chaos mit ungewissem Ausgang. Die Tram soll nach Krampnitz frühestens 2029 und nach Fahrland noch später kommen. Für den zusätzlich aufkommenden Verkehr soll es einen Busvorlaufverkehr geben, der die vorhandenen Ortsteile teilweise schlechter anbindet als es jetzt der Fall ist. Keine der bestehenden Risiken wie zum Beispiel Eigentumsverhältnisse, Landschaftsschutzgebiet, Denkmalschutz, bauliche Einschränkungen und andere sind bisher aus dem Weg geräumt.
Beim Bahnhof Marquardt – nebst Anbindung – gibt es keine deutliche Beschleunigung und weiterhin keine Klärung mit der Deutschen Bahn AG. Bei der Berechnung der Autoverkehrsströme bleiben katastrophale Belastungswerte, und die weiterführende Schule wird mit den ersten 5.000 Einwohnenden auch nicht kommen – dabei ist der Schüler*innenverkehr im Norden bereits heute nahezu überlastet. Schüler aus dem gesamten Potsdamer Norden müssen weiterhin längere Wege in Kauf nehmen.

Stefan Matz (BI Fahrland), Ortsvorsteher aus Fahrland

Stefan Matz: „Die Verwendung alter Daten zur Berechnung der Verkehrswirkungsanalyse sind unglaubwürdig und irreführend. Die Stadt sollte schleunigst nicht nur alle paar Jahre die Verkehre im Blick haben, sondern ein permanentes Monitoring etablieren. Ansonsten bricht das System irgendwann ‚überraschend‘ zusammen. Bei der Ausweisung von neuen Baugebieten muss zwingend auch auf die Auswirkung auf Verkehre im gesamten Stadtgebiet geachtet werden. Wir laufen sehenden Auges in ein Verkehrschaos und die Stadt ignoriert es hartnäckig.“

 

Warum die Stadt nicht erst ein rechtlich verbindliches Verkehrskonzept entwickelt, dieses realisiert und anschließend mit dem Bau der sozialen Infrastruktur beginnt, bevor die Einwohner nach Krampnitz strömen, verursacht bei vielen nur Kopfschütteln.

sts