Hält die Stadtverwaltung noch am Naturschutz fest?

Aufgrund des wachsenden Unmutes der Öffentlichkeit und des Engagements einer Bürgerinitiative (der POTSDAMER berichtete) trafen sich am 15. August am Sacrower See Vertreter der Unteren Naturschutzbehörde, des Ordnungsamtes, des Landesbetrieb Forst Brandenburg und des Instituts für Binnenfischerei, um sich ein Bild von den Gepflogenheiten im Naturschutzgebiet Sacrower See und Königswald zu machen. Fragt sich nur warum, denn es hätte ausgereicht, wenn man den Revierförster gefragt hätte, der täglich vor Ort ist und die Gegebenheiten am See bestens kennt.

Der POTSDAMER traf sich daher bereits einige Wochen vorher mit dem Revierförster Uwe Peschke, und fragte nach den Gründen, warum die Zustände am See so sind, wie sie sind.


Dass es im Naturschutzgebiet des Sacrower Sees und des umliegenden Königswaldes bereits seit Jahren durch Besucher zu einer starken und zum Teil zu schwer wieder rückgängig zu machenden Schädigung der Flora und Fauna gekommen ist, ist seit Jahren auch der Stadt bekannt. Bereits seit langem versuchen Einwohner, Förster, Angelvereine und andere engagierte Personen etwas daran zu ändern, doch bisher ohne Erfolg. Und das ist kein Wunder.
Auch die Recherche des POTSDAMER zeigt, dass es scheinbar bisher keine einheitliche Linie der Stadtverwaltung zu geben scheint, dem Naturschutz die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken und der Zerstörung vor Ort ernsthaft und nachhaltig zu begegnen.

Zuständigkeiten undurchsichtig
Wer im Naturschutzgebiet „Sacrower See und Königswald“ die Auflagen des Naturschutzes ignoriert und sogar in Kauf nimmt, andere durch sein Verhalten – wie zum Beispiel durch offenes Feuer – zu gefährden, kann nach gültigem Waldgesetz Brandenburg mit Geldstrafen von bis zu 100.000 Euro bestraft werden – jedenfalls theoretisch. Nur dafür bedarf es jemanden, der vor Ort ist und eine Ordnungswidrigkeit feststellt.
Und genau hier liegt das Problem. Ordnungswidrigkeiten werden an einem heißen Sommertag etwa mehrere Hundert festzustellen sein, wie z. B.:
• Parken von motorisierten Fahrzeugen im Wald oder auf Waldwegen
• Baden an nicht dafür gekennzeichneten Uferstellen
• Das Befahren des Sacrower Sees mit (Schlauch)Booten, Luftmatratzen, Badeinseln, SUP-Boards (Stand-Up-Paddling) u. ä.
• Das „Führen“ von Hunden ohne Leinen
• Offenes Feuer und Grillen im Wald
• Das Betreten des Waldes bei Waldbrandgefahrenstufe 5 (wenn man es ganz genau nehmen möchte)
• Und selbstverständlich ist auch verboten, Pflanzen zu entnehmen, einheimische Tiere zu stören und vieles mehr

Doch wer kontrolliert vor Ort? Informiert man die Polizei, erfährt man, dass das Ordnungsamt zuständig sei, das Ordnungsamt verweist einen an den Landeswaldförster, der wiederum hat andere Aufgaben, die ihm ein zeitnahes Eingreifen nicht ermöglichen. Zuständig wäre der Hoheitsförster.

Kein Bezug zur Ordnungswidrigkeit
Dennoch versucht Förster Peschke dem Treiben vor Ort nach seinen Möglichkeiten Einhalt zu gebieten. „Früher hatte ich einen Knöllchenblock und konnte diesen einsetzen, wenn Autos wieder einmal die Waldwege zuparkten“, so Peschke. Heute darf er nur noch die Autos fotografieren und die dazu angefertigten Berichte an den zuständigen Hoheitsförster senden. Der Nachteil bei diesem Verfahren ist einerseits der lange Dienstweg, denn auch die Hoheitsoberförsterei Potsdam hat den massiven Stellenabbau der Vergangenheit zu kompensieren. „Vor allem aber besteht zwischen Ordnungswidrigkeit und Bußgeldbescheid kein zeitlicher Zusammenhang mehr. Wenn man zum Auto kommt und ein Knöllchen am Auto hat, weiß man, was man falsch gemacht hat. Nach drei Wochen weiß man doch gar nicht mehr, wo man inzwischen alles geparkt hat“, beschreibt Peschke die Situation.
Auch eine Optimierung der Zusammenarbeit der Verwaltungsbereiche könnte die Situation verbessern. „Ordnungsamt, Feuerwehr, Polizei und Forst sollten transparenter kooperieren und sich informieren, damit effizienter gehandelt werden kann“, wünscht sich Peschke, der dafür Verständnis zeigt, dass die Bevölkerung gar nicht wissen kann, welche Behörde für welchen Bereich wirklich zuständig ist.

Revierförster Peschke bei Arbeiten, die eigentlich nicht nötig sein sollten

Pöbeln statt Einsehen
„Was wir versuchen, ist, bei der Bevölkerung für ein Verständnis für die Notwendigkeit des Naturschutzes zu sorgen“, beschreibt Peschke seine Arbeit. „Jeder darf jeden ansprechen und darauf hinweisen, dass man sich in einem Naturschutzgebiet befindet und hier eben andere Regeln gelten als in Wäldern und an Seen der umliegenden Region. Nur leider treffen auch freundliche Hinweise nicht immer auf fruchtbaren Boden“, weiß Peschke aus eigener Erfahrung. Achselzucken, Kopfschütteln, Ignorieren, Pöbeleien, Beleidigungen und sogar Drohungen sind an der Tagesordnung.
Wenn ein Ansprechen derjenigen, die wider besseren Wissens die Ordnungswidrigkeit begehen, nichts bringt, stellt sich die Frage, ob Hinweisschilder überhaupt etwas bewirken können?
„Schilder gibt es rund um den See einige, wenn auch zu wenige. Doch diese werden nicht beachtet. Hier finden wir am See Feuerstellen direkt neben Hinweisschildern, die auf das Verbot von offenen Feuerstellen hinweisen“, so Peschke. Auch eine Umstellung der Beschilderung auf international geltende Piktogramme ist dringend notwendig, da hier auch viele Besucher aus dem Ausland Erholung suchen.

Stadtverwaltung muss sich zum Naturschutz bekennen
Peschke befürchtet, dass die Pflanzen- und Tierwelt rund um den Sacrower See in spätestens 10 Jahren unwiederbringlich zerstört sein wird. Aus diesem Grund wird es an der Stadtverwaltung sein, zu beweisen, dass sie den Naturschutz als hoheitliche Aufgabe ernst nimmt und sich dieser Aufgabe widmet. Die Ausrede, man hätte dafür kein Personal, kann hier nicht gelten, denn die Menge der zu beobachtenden Ordnungswidrigkeiten würde die Finanzierung der benötigten Kontrollen vermutlich um ein Vielfaches decken.

Peschke zeigt einsichtigen Badegästen, an welchen See sie mit ihren Stand-up-Paddle-Boards gehen können. Fotos: sts

Ohne Eigenverantwortung kein Naturschutz
Jeder kann demnach bei sich selbst anfangen und sich überlegen, ob man nun unbedingt an diesem See und an dieser kleinen Uferstelle baden muss, ob es nicht auch der etwas weiter gelegene Parkplatz sein kann, auf dem das Auto abgestellt wird, was bei einem Waldbrand passieren kann und ob Hunde wirklich während der Brutzeit frei durch den Schilfgürtel toben sollten.
„Die Menschen möchten die Natur genießen, aber nicht schützen“, konstatiert Peschke fast schon resigniert. Dennoch wird er nicht müde, sich für den Naturschutz einzusetzen und verbale Angriffe über sich ergehen zu lassen.
Wer den Naturschutz unterstützen oder andere Missstände melden möchte, kann dies unter der URL https://maerker.brandenburg.de/bb/potsdam eigenständig tun. Die in diesem Portal eingehenden Meldungen werden registriert und alle von Amtswegen bearbeitet.
Nach Redaktionsschluss erreichte uns die Information der Stadt, dass zukünftig das Ordungsamt vermehrte Kontrollen durchführen und Knöllchen verteilen werde.

sts