Hügel königlichen Blutes
4. Teil der Serie „Potsdams Berge“
Weit über die Grenzen Potsdams hinaus sind das Studio Babelsberg, der Park Babelsberg, sicher auch der Stadtteil Babelsberg und vielleicht auch der Fußballverein SV Babelsberg 03 bekannt. Aber gibt es tatsächlich eine Erhebung, die Babelsberg heißt? Es gibt sie.
Der Babelsberg ist im Wesentlichen das hügelige Gelände im nördlichen Bereich des Babelsberger Parks. Wenn hier von einem hügeligen Gelände die Rede ist, kann man schon erahnen, dass es mehrere Hügelspitzen gibt. Davon besitzen einige Namen wie Victoriahöhe, Friedrich-Wilhelm-Höhe, Lennéhöhe, Fürstenhöhe, Luisenhöhe, Erinnerungsvasenanhöhe und Augustablick. Mit 77,4 Metern ist die Victoriahöhe mit der Siegessäule der höchste Punkt des Babelsbergs.
Die zweithöchste Stelle ist die Friedrich-Wilhelm-Höhe. Hier befindet sich ein Hochbehälter, der aus zwei kreisrunden Becken besteht, die aneinanderstoßen. Von oben gesehen bilden die Becken somit eine Acht. Deshalb hat sich der Name Achterbecken eingebürgert. Dieser Behälter hat die gleiche Funktion wie das Hochbassin auf dem Ruinenberg für den Park Sanssouci und das Becken im Belvedere auf dem Pfingstberg für den Neuen Garten. In allen Fällen geht es um die Wasserversorgung von tiefergelegenen Parkbereichen. Mit dem Achterbecken werden die Bewässerung und die Wasserkünste im Babelsberger Park ermöglicht. Um das Wasser aus der Glienicker Lake in den Hochbehälter zu pumpen, wurde für das Pumpwerk und die dazugehörige Dampfmaschine 1843 – 45 von Ludwig Persius ein Dampfmaschinenhaus erbaut.
Die Wasserspiele im Babelsberger Park waren seit dem Ende der Monarchie 1918 nicht mehr in Betrieb. Nachdem der Geysir seit 2006 wieder in die Höhe schießt und das Schwarze Meer im Mai 2016 geflutet wurde, konnten nach fast 100-jähriger Unterbrechung im August 2016 mehrere Brunnen, Wasserfälle und ein künstlicher Bachlauf mit Quelle in der Nähe des Schlosses Babelsberg wieder in Betrieb genommen werden.
Wenn auch die Bezeichnung Lennéhöhe nicht so bekannt sein dürfte, das auf ihr stehende Bauwerk, die Gerichtslaube, ist es umso mehr. Wie aber kommt eine Gerichtslaube auf den Ba-belsberg? Der Vorgängerbau des heutigen Roten Rathauses in Berlin hatte als Anbau eine Gerichtslaube, deren ältester Teil aus der Zeit zwischen 1270 und 1290 stammt. Beim Abriss des alten Rathauses wurde diese Gerichtslaube gerettet und 1871/72 am heutigen Standort unter Verwendung von Originalteilen neu errichtet.
Geht man aufmerksam um die Gerichtslaube herum, sieht man an der Außenseite des südwestlichen Pfeilers in etwa drei Metern Höhe eine seltsame Figur – einen Vogel mit einem grinsenden Menschengesicht und Eselsohren. Da an der ursprünglichen Gerichtslaube dieser Pfeiler als Pranger genutzt wurde, diente diese Figur vermutlich der zusätzlichen Verspottung der Verurteilten, die hier öffentlich zur Schau gestellt wurden. Der in diesem Zusammenhang genannte Begriff »Kaak« wurde wohl von niederländischen Einwanderern mitgebracht. Damit ist der Pranger oder die Schandsäule gemeint, also genau genommen nicht die Spottfigur.
Die Fürstenhöhe, benannt nach Fürst Pückler, befindet sich unweit des Schwarzen Meeres. Hier steht auf einem Treppensockel eine Bank aus ursprünglich rotem Sandstein. Der Blick nach Norden über die Havelgewässer und den dahinterliegenden Teil des Königswaldes ist ein besonders schönes Beispiel dafür, wie die Gartenanlage bewusst wie eine in die Tiefe gehende Theaterkulisse angelegt wurde.
Von den vielen Bauwerken auf dem Babelsberg ist das Schloss Babelsberg fraglos das bekannteste. Karl Friedrich Schinkel ließ es 1834/35 als Sommersitz für den Prinzen Wilhelm, den späteren Kaiser Wilhelm I., im neogotischen Stil errichten. 1844 – 49 wurde es in südwestlicher Richtung erweitert.
Besonders schön ist der Blick vom Schloss über das Bowlinggreen zur Glienicker Brücke mit der Blutbuche und der (nachgepflanzten) Pücklerpappel. Beide Bäume stehen ganz bewusst an ihren jeweiligen Stellen, weil somit das Landschaftsbild und vor allem die Blicke aus den Fenstern des Schlosses effektvoll gegliedert werden. Da die über 150 Jahre alte Blutbuche von Pilz- und Schwammbefall betroffen war, musste sie 2018 durch eine Neuanpflanzung ersetzt werden.
Weniger ins Auge fällt das Michaelsdenkmal, das etwas versteckt hinter dem Schloss aufgestellt wurde. In einer neogotischen Brunnenwand ist der drachentötende Erzengel Michael zu bewundern. Damit wollte sich König Friedrich Wilhelm IV. bei seinem Bruder Wilhelm für die Niederschlagung der Revolution von 1848/49 in Baden und in der Pfalz bedanken. 2019/20 wurde dieses Denkmal restauriert. Dabei wurden an der nach oben führenden Treppe wieder zwei lebensgroße Landsknechtsskulpturen aufgestellt. Sie gehörten zur ursprünglichen Denkmalsanlage, fehlten aber seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Mit der ungewöhnlichen Kom-bination von Gestalten aus dem 16. Jahrhundert in einem Denkmal aus dem 19. Jahrhundert wurde die damalige Sehnsucht nach nationaler Einheit durch eine idealisierte Sicht auf das Mittelalter zum Ausdruck gebracht.
Der südwestliche Ausläufer des Babelsbergs wird von dem weithin sichtbaren Flatowturm bestimmt. Er wurde nach dem Vorbild des Eschenheimer Tors in Frankfurt am Main errichtet. Der Name leitet sich von der prinzlichen Herrschaft Flatow in Westpreußen ab, deren Einnahmen den Bau ermöglichten.
Der Turm steht ganz bewusst auf einer Linie, die in nordwestlicher Richtung über das Marmorpalais bis zum Belvedere auf dem Pfingstberg verläuft. Diese Linie wird auch dynastische Achse genannt, weil das Marmorpalais unter Friedrich Wilhelm II., das Belvedere unter Friedrich Wilhelm IV. und der Flatowturm unter Wilhelm (I.) erbaut wurde, also Prinz Wilhelm mit seinem Großvater und seinem älteren Bruder verbindet.
Im »Bergführer Potsdam« finden Interessierte noch weiterführende Informationen zum Babelsberg.
W. Mörtl
Bergführer Potsdam
Die schönsten Spaziergänge zu den 75 Gipfeln der Stadt
Wolfgang Mörtl
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BeBra Verlag
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