Das Image politischer Parteien liegt am Boden. Dennoch: Unser politisches System kommt ohne politische Parteien nicht aus.

Was ein Kanzler oder eine Kanzlerin für die Bundesrepublik ist, ist ein Oberbürgermeister oder eine Oberbürgermeisterin für eine Kommune oder eine Stadt. Gleiches gilt für die entsprechenden Parlamente. Selbstverständlich ist mir klar, dass man – wie bei allen Vergleichen – sofort zahlreiche Punkte benennen kann, wo dieser Vergleich hinkt. Um genau diese „Hinkestellen“ geht es jedoch nicht.
Es geht vielmehr darum zu verdeutlichen, dass auf allen politischen Ebenen Menschen benötigt und zunehmend gesucht werden, die – stellvertretend für uns alle – bereit sind, sich aktiv, demokratisch und streitbar mit Politik auseinanderzusetzen. Die die Öffentlichkeit suchen, um gemeinsam mit den Betroffenen um die besten und tragkräftigsten Lösungen zu ringen. Für diese Aufgabe interessieren sich leider zunehmend weniger Menschen. Doch ohne diese Menschen wird unser politisches System zukünftig nicht existieren können.

Ein wichtiges Instrument, um Politik zu formen und umzusetzen, sind politische Parteien. Oftmals kommt es schon bei der bloßen Nennung politischer Parteien bei vielen Menschen – nicht zuletzt auch durch die Medien beeinflusst – zu einem stigmaartigen politischen Würgereiz. Dennoch: Es bleibt festzuhalten, dass an der politischen Willensbildung in unserem Lande politische Parteien ausdrücklich mitwirken. Siehe hierzu unser Grundgesetz: Artikel 23. Jeder/jede der/die hier „schwächelt“ und sich in Versuchung führen lässt, ein zukünftiges politisches System ohne politische Parteien zu denken, läuft damit automatisch auch Gefahr, unser Grundgesetz infrage zu stellen. Genau jenes Grundgesetz, welches – als gemeinsamer Nenner – den derzeitigen (parteiübergreifenden) Kitt unserer Gesellschaft darstellt.
Bei näherem Hinsehen muss man konstatieren, dass nur mit Hilfe politischer Parteien Menschen auch tatsächlich Politik umsetzen können. Das setzt voraus, dass Menschen bereit sind, sich dieses Instrumentes, das uns unser Grundgesetz anbietet, zu bedienen und in politische Parteien einzutreten, um dort mitzuarbeiten. Auf der kommunalen Ebene handelt es sich überwiegend um Menschen, die stundenlang in Gremiensitzungen Überzeugungsarbeit leisten, innerparteiliche Wahlen durchlaufen und oftmals familienunfreundlich abends und am Wochenende ehrenamtlich unterwegs sind. Diese Menschen haben unseren besonderen Respekt verdient, denn ohne sie würde unser subsidiäres System schon längst zusammengebrochen sein!
Immer mehr Menschen haben „keinen Bock“ mehr auf politische Parteien: schlechtes Image, Hinterzimmerpolitik, Ränkespiele, Arroganz, etc., (nichts anderes findet man in der freien Wirtschaft allerdings auch(!)). Die Folge davon: die beiden großen Volksparteien werden durch einen nicht endenden Mitgliederschwund abgestraft. Sie hätten abgewirtschaftet, seien nicht mehr zeitgemäß und korrupt und würden die Steuerzahlenden zu viel kosten, etc. hört man als Argumente, ohne dass konkrete Alternativen genannt werden – Alternativen auch zu Artikel 23 unseres GG.
Wäre es nicht eine viel bessere und konstruktivere Idee, wenn möglichst viele Menschen in politische Parteien eintreten würden: Diese könnten dann eine sofortige Modernisierung der Parteien herbeiführen: Politische Parteien können nur so gut sein, wie die Menschen, die in ihnen Mitglied sind. Diese Aufforderung geht an uns alle! Parteien bestehen nicht aus „denen da“. Nein, politische Parteien bestehen aus UNS! – Wir gestalten sie.

Radikale Forderungen auf Demonstrationen aufzustellen ist einfach. Dabei wurde in der Vergangenheit stets respektvoll miteinander umgegangen und diskutiert, ohne eine Verabsolutierung einer Mainstreammeinung von vorne herein als gesetzt festzulegen: Verabsolutierung heißt Ausschluss von Pluralität.
So bleibt zum Abschluss des Kommentares nur der erneute dringende Hinweis, an unsere eigene demokratische Verantwortung zu appellieren und in eine Partei einzutreten, damit Politik wieder die Politik aller wird und nicht weiter exklusiv und abstrakt wird. Wenn wir nicht Politik machen, dann wird für uns Politik gemacht, ob das besser ist, muss dann jeder/jede selber entscheiden. Warum zögern wir so, unsere Politik selber in die Hand zu nehmen, wir sollten froh um diese Möglichkeit sein.

Gregor Ryssel