Das Wirken des Günter Simon

87 Jahre jung ist er heute, und er kann es nicht lassen. Günter Simon sitzt in seinem Arbeitszimmer vor dem PC und schreibt noch immer jeden Sonntag seine Kolumne für die „Berliner Fußball-Woche“. Der Diplomgermanist und ehemalige Chefredakteur der fuwo, in Ostberlin erschienen, ist nicht nur ein ganz besonderes Original, sondern er ist auch einer der Urväter der in der Region erscheinenden Zeitschriften, so auch des POTSDAMERs. Der POTSDAMER besuchte Günter Simon und sprach mit ihm unter anderem darüber, wie er auf die Idee kam, eine Zeitschrift für die Region herauszugeben.

Die Mannschaft des Rotation Babelsberg: Selignow, Adam, Pillau, W. Gießler, Wehlte, E. Gießler, Trainer Jacob (hintere Reihe v.l.), Simon, Bartholomäus, Marquardt, Jeronimus, Harbolla (vorne v.l.).

Günter Simon wurde 1931 in Neupetershain (Niederlausitz) in eine sehr sportorientierte Familie geboren. Seine Mutter war Turnerin, sein Vater Geräteturner und Feldhandball-Auswahlspieler. Doch schon im Alter von neun Jahren verlor er seine Mutter durch eine Lungenerkrankung und seinen Vater durch den Krieg. Als Vollwaise wurde er von seiner Tante „Lenchen“ in Drepkau aufgezogen.
Schon als kleiner Junge träumte der fußballbegeisterte, beim SC Corona Petershain 1910 spielende Simon davon, einmal beim Oberligisten Rotation Babelsberg zu spielen.

Simon im Spiel vor dem Tor. Fotos: privat

Ein Glücksfall

1951, Simon war bereits ein Jahr auf der Arbeiter- und Bauernfakultät (ABF), die er nach seiner Ausbildung zum Rechtanwaltsgehilfen besuchte, als die Fußballmannschaft der ABF in einem Freundschaftsspiel gegen BSG Rotation Babelsberg spielte – und haushoch verlor. Doch Simon hinterließ beim Babelsberger Trainer Ludwig Wieder, dem ehemaligen Nürnberger Nationalspieler einen so guten Eindruck, dass er ihm anbot, zur BSG Rotation zu wechseln. „Herz, was begehrst du mehr!“, dachte sich Simon und ließ seine Zusage nicht lange auf sich warten.
Nach dem Abschluss auf der ABF begann Simon ab 1952 an der Humbold-Universität in Berlin Germanistik zu studieren und arbeitete nach dem Studium von 1956 bis 1961 als Lektor in der Dramaturgie des DEFA-Spielfilmstudios in Babelsberg. Bis 1958 spielte Simon 55-mal in der DDR-Oberliga für die Rotationer unter dem Trainer Helmut Jacob und an der Seite von Fußball-Ikonen wie „Schrippe“ Schröder, „Schupo“ Tietz, Harry Adam und Werner Giesler.

Mit seiner Frau nach der Trauung, 1958

„Es war die schönste Zeit meines Lebens“, resümierte Simon mit einem Lächeln. „Nicht nur sportlich, sondern vor allem freundschaftlich war es etwas ganz Besonderes. Wir waren wie eine Familie“, erinnert sich Simon.
1961 machte ihm dann Klaus Schlegel, der Chefredakteur der im Berliner Osten erscheinenden „Neuen Fußball-Woche“ das Angebot, für die Fußball-Fachzeitschrift (fuwo) der DDR zu schreiben. Und wieder erfüllte sich ein Traum: Simon konnte seine beiden Leidenschaften verbinden, den Fußball und das Schreiben. „Ich kann ja mal zur Probe vorbeikommen“ sagte Simon damals. „Aus der Probephase wurden mehr als 30 wundervolle Jahre“, fasst Simon die Zeit zusammen. Sein Ressort war die Oberliga, in der er sich auskannte, wie kein Zweiter. So schön diese Zeit für ihn auch war, sie hatte auch eine Schattenseite. Weil Simon mit seiner Meinung und seiner Kritik nicht hinter dem Berg hielt, bekam er in der DDR auch seine Probleme. Ihm missfiel die Bevorzugung des BFC Dynamo, des Stasi-„Mielke“- Clubs. Simon redete über merkwürdige Schiedsrichterentscheidungen und wurde prompt für lange fünf Jahre zwischen 1985 und 1989 für Auslandsreisen gesperrt. Eine berufliche Benachteiligung für Simon, der das Vergnügen hatte, die DDR-Clubs bei ihren Europapokal-Teilnahmen als Journalist zu begleiten. Und auch wenn man sich offiziell, noch kurz vor der politischen Wende für diese Sperre entschuldigte, hatte sie tiefe Spuren bei ihm und seiner Familie hinterlassen…

Simon als Spieler bei Rotation Babelsberg. Foto: privat

Simon nutzte diese diffizile Zeit und arbeitete gemeinsam mit Bernd Rohr, einem Lektor des in Leipzig ansässigen Bibliographischen Instituts, an seinem literarischen Lieblingsprojekt, dem „Fußball Lexikon“. Es sollte selbstverständlich – wie die fuwo – im Berliner Sportverlag erscheinen. Doch weil Manfred Ewald, der Präsident des Deutschen Turn- und Sportbundes nicht viel von Fußball hielt, und der Sportverlag die Jahres-Buchproduktion vom DTSB genehmigen lassen musste, war das Projekt für den Sportverlag gestorben. Schließlich gaben die Leipziger Kenner vom Bibliographischen Institut den Titel 1987 selbst heraus. Nach der Wende wurde das „Fußball Lexikon“ dann im Compress Verlag in München in mehreren aktualisierten Auflagen herausgegeben.

Kurz nachdem der Springer Verlag den Ostberliner Sportverlag übernommen hatte, verließ Simon, inzwischen fuwo-Chefredakteur, 1991 das Blatt, für das er so leidenschaftlich schrieb. „Ich musste mir wirklich nicht vorschreiben lassen, wie Fußball geht und Zeitungen gemacht werden“, erklärt Simon seinen damaligen Entschluss, und man spürt immer noch die Mischung von Wut und Enttäuschung in seiner Stimme. Ein Jahr später bot die seit 1923 im Berliner Westen erscheinende „grüne“ Fußball-Woche (wegen der Farbe ihres Schriftzuges so genannt) eine wöchentliche Kolumne an. Die Kollegen legten Wert auf seine Expertise. Dafür sitzt Simon noch heute jeden Sonntag am PC und schreibt mit seiner kritischen Sicht über die schönen Seiten und die geldgierigen Verwerfungen des Profi(t)-Fußballs.
Simon fiel nie in ein bedrohliches Lebensloch. 1991, nun Rentner, riet ihm seine Ehefrau Erika dazu, in der Gemeinde Neu Fahrland aktiv zu werden. Seit 1958 mit der Neu Fahrländerin verheiratet und jetzt in der Ganghoferstraße zuhause, wurde er von 1994 bis 2002 zum kommunalen Gemeindevertreter und ab 1998 als Stellvertreter von Bürgermeister Manfred Cornehl gewählt. Die Idee, mit dem „Landboten“ eine Gemeindezeitschrift für Neu Fahrland herauszugeben, realisierte er ab 1994. Seine Vorstellung war: „Unsere Gemeinde ist durch die mitten durchgehende B2 in vier Teile so zerrissen, dass wir ein verbindendes Element brauchten. Eine Zeitschrift für alle erschien mir da genau das Richtige zu sein“, so Simon.

Günter Simon mit einigen Ausgaben des Neu Fahrländer Landboten. Foto: privat

Der „Landbote“ erschien nun monatlich in einer 3000er Auflage. In Schwarz-Weiß, mit 32 informativen Seiten über die Gemeinde und das Leben drum herum. 1000 Mark steuerte die Gemeindevertretung aus ihren Mitteln dazu. Den Rest der anfallenden Produktionskosten finanzierte Simon über Anzeigenerlöse. „Ich war froh, wenn ich pünktlich den Drucker bezahlen konnte. Selbstverständlich wurden auch die Auslagen der für die Zeitschrift tätigen Fotografen, Ilona Meister und Gerhard Gläser, bezahlt. Eine goldene Nase konnte sich niemand damit verdienen. Gemeindezeitschriften, regionale Blätter mit bescheidenen Auflagen werfen nun mal keine Riesengewinne ab“. Simon war da in seiner ehrenamtlichen Arbeit Realist genug. Nebenher sorgte Simon für eine neue Gemeindebibliothek. Gemeinsam mit dem Schriftsteller Franz Fabian initiierte er die literarisch-musikalische Soiree „Neu Fahrland intim“ sowie einen „Medizinischen Frühschoppen“, bei dem der Neu Fahrländer Arzt Dr. Bernd Ruschen über alte Krankheiten und neue Operationsmethoden mit zahlreichen interessierten BürgerInnen in der Gaststätte „Die Tenne“ plauderte. Außerdem gründete Simon gemeinsam mit Wolfgang Berger und Christian Mersiowski den Kultur- und Sportclub (KSC) 2000 Neu Fahrland.

Günter Simon bei seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Schreiben.

Doch mit den Jahren zog ein anderer Zeitgeist in die Gemeinde ein, die Wahrnehmung der Menschen veränderte sich. Nach 119 Ausgaben entschied sich Simon im Jahre 2005, den Neu Fahrländer Landboten nicht mehr herauszugeben. Die Enttäuschung darüber ist ihm noch heute anzumerken. Schade, denken wir auch.

Literatur von Günter Simon:
• Mitautor aller zwischen 1962 und 1982 im Ostberliner Sportverlag erschienenen WM- und EM-Bücher
• „Im Banne des Balls“ (Statistik Lexikon)
• „Magnet für Millionen“
• „Fußball in Vergangenheit und Gegenwart“
• „Fußball informativ“ (Almanach zum DDR-Fußball)
• „Fußball Lexikon“ (gemeinsam mit Bernd Rohr, erschienen 1987 im Bibliographischen Institut, Leipzig; außerdem 1991, 1993 und 2004 im Copress Verlag, München)
• „Immer hart am Wind“ – 40 Jahre F.C. Hansa Rostock (2005, gemeinsam mit Dr. Robert Rosentreter, Rostock)

sts