Wenn die Bäume frei von Laub sind, herrscht im Wald Hochsaison

Wer glaubt, der Förster hätte im Winter nichts zu tun und könnte gemütlich am heimischen Kamin sitzen und die Natur ruhig schlafen lassen, der täuscht. In Wahrheit ist im Wald während der Wintermonate Hochsaison für die Forst.
Der POTSDAMER begleitete den Revierförster Uwe Peschke von der Revierförsterei Krampnitz einen Tag lang bei seiner Arbeit und erhielt dabei Einblicke in die Komplexität und Fragilität der Waldbewirtschaftung.
Uwe Peschke ist seit fast 20 Jahren Revierförster im Norden Potsdams und damit auch zuständig für das Naturschutzgebiet Sacrower See-Königswald. Weil dieses Naturschutzgebiet ein Nutzwald und kein Urwald ist, gehört die Bewirtschaftung des Waldes zu Peschkes Hauptaufgaben, ebenso wie die Überwachung der Verkehrssicherheit, die Organisation und Durchführung der Jagd und vieles mehr.

Die Bewirtschaftung des Waldes

„Um den Zustand der Bäume zu begutachten und die Ernte im Wald vorzubereiten, ist während des Winters die beste Zeit“, erklärt Uwe Peschke gleich zu Beginn des Arbeitstages. Und das hat einen ganz einfachen Grund: Man sieht mehr von den Bäumen, wenn sie kein Laub tragen. Das leuchtet ein. Doch wie bewirtschaftet man einen Wald überhaupt?
Revierförster Peschke muss bei der Bewirtschaftung des Waldes mehrere Faktoren berücksichtigen: das natürliche Verbreitungsgebiet der verschiedenen Baumarten und ihre Ansprüche an die Umweltbedingungen sowie ihre unterschiedliche Wachstumsdynamik und den Erhalt bestehender Biotope. Nur wenn er mit der Natur geht, kann er ökologische Fehler vermeiden und einen mehrhundertjährigen Wald stabil und gesund erhalten. Buchstäblich liegt es in der Natur der Sache, dass selbst ein solcher Wald Unterstützung braucht, um wirtschaftlich genutzt zu werden und seine ökologische Aufgabe erfüllen zu können. Der Förster greift periodisch und punktuell in das Wachstum des Waldes ein. Dafür hat er allerdings nur ein einziges Werkzeug: den Holzschlag.

Revierförster Uwe Peschke überprüft den Zustand der Bäume ganz genau, aus ökologischen Gründen lässt er auch mal tote Bäume stehen.

Revierförster Uwe Peschke überprüft den Zustand der Bäume ganz genau, aus ökologischen Gründen lässt er auch mal tote Bäume stehen.
Fotos: sts

Mehr Laub, weniger Nadeln

Der Königswald ist ein artenreicher Mischwald. Hier findet man neben der Kiefer die Lärche, Fichte, Douglasie, Küstentanne, Eibe, Eiche, Buche, Hainbuche, Bergahorn, Robinie, Esskastanie, Birke und einzelne Edellaubhölzer, wie die Schwarznuss, Walnuss, Kirsche, Speierling, Elsbeere und andere.
In Zukunft soll laut des Ende 2020 festgelegten FFH-Managementplans Natura 2000 des Landes Brandenburg aus dem Mischwald ein reiner Laubwald werden. Somit werden die Kiefern, Lärchen und andere Nadelhölzer zwar noch vereinzelt als Solitairbäume auf den Flächen zu finden sein, ein Einbringen dieser Baumarten wird es jedoch nicht mehr geben. Und weil es sich bei dem Königswald um ein Naturschutzgebiet handelt, achtet Revierförster Peschke im hohen Maße auf die naturnahe Waldbewirtschaftung. Diese unterstützt die natürliche Verbreitung von heimischen, standortgemäßen Baumarten, die widerstandsfähiger gegen Störungen wie Sturm, Trockenheit oder Borkenkäferbefall und Pilzerkrankungen sind. Durch die Einzelstammnutzung setzt Peschke auf Qualität statt auf Quantität und sichert nachhaltig hochwertige Erträge. Dabei soll die Artenvielfalt in der Waldbewirtschaftung die ökologische Wertigkeit erhöhen. Und wenn einzelne Baumarten aufgrund sich verändernder Umstände ausfallen, kann dieser Ausfall von anderen Baumarten kompensiert werden.
Laut Peschke kann es bis zu 200 Jahre dauern, bis aus dem Mischwald ein Laubwald geworden ist.

Daten sind älter als Bäume

„Wir zeichnen heute 108 Jahre alte Kiefern aus“, nennt Peschke die Aufgabe des Tages. Es gibt unterschiedliche Arten der Auszeichnungen. Bei der positiven Auszeichnung werden Bäume markiert, die geschützt werden. Die negative Auszeichnung markiert Bäume, die gefällt werden sollen. Diesmal geht es also um die negative Auszeichnung von Kiefern, die für Holz verarbeitende oder mit Holz handelnde Betriebe, wie große Sägewerke, interessant sind. Die Kiefer ist ein bei entsprechender Pflege geradlinig wachsender Nadelbaum. Ihr Erntealter liegt zwischen 100 und 140 Jahren. Im Optimalfall hat sie dann einen Brusthöhendurchmesser von 50 cm oder mehr.

Dass Peschke das Alter aller Bäume ganz genau benennen kann, liegt an der seit Jahrhunderten gepflegten Datenerfassung. „Seit mehreren Jahrhunderten wird ganz genau festgehalten, welche Bäume sich auf welcher Fläche befinden. Diese Art der Bewirtschaftung hat man zu einer Zeit eingeführt, als der Verbrauch größer war als die Nachproduktion und man gewährleisten wollte, dass auch zukünftig ausreichend Holz zur Verfügung steht“, erklärt Peschke. Diese Daten, die heute ebenso akribisch digital erfasst werden, geben Peschke über den Baumbestand auf einer Fläche genau Auskunft. Alle zehn Jahre werden die Flächen neu eingerichtet und die Daten mit den Entwicklungen auf den Flächen abgeglichen.

 

Grundflächenüberprüfung an der Ertragstafel

Der Wald ist in einzelne Flächen unterteilt, die nummeriert und klar voneinander abgegrenzt sind. Auf aus den gesammelten Daten erstellten Karten und Listen sieht Peschke schnell, welcher Bestand mit welchem Alter auf den einzelnen Flächen vorherrschend ist. Ebenso kann er ablesen, wie viele Bäume auf der Fläche existieren, welche Baumart im Oberstand und welche im Unterstand zu finden ist, wie alt die einzelnen Bäume sind, auf welche Art die zu erntenden Bäume entnommen werden sollten, welche Holzmenge erwirtschaftet werden kann, wie viel wann entnommen wurde und welcher Vorrat besteht. Auch der Schlussgrad und die Bonität auf der Fläche sind wesentliche Parameter, die die Bewirtschaftung der Fläche bestimmen. Die Bonität beschreibt dabei die Wirtschaftlichkeit der Fläche bzw. das Wachstum der Bäume. Liegt diese unterhalb des Optimalwertes von 1,0, ist die biologische Wertigkeit des Bodens so hoch, dass die Bäume schneller wachsen als berechnet. Der Schlussgrad beschreibt die Dichte des Kronendaches. Auch hier ist der angestrebte Wert 1,0 und verweist auf ein Kronengeflecht, das sich nahezu berührt. Um es nicht zu sehr zu lichten oder zu verdichten, muss Peschke diesen Wert ganz genau im Auge behalten.

Einmal im Kreis

Wie viel kann ein Baum in einer bestimmten Zeit auf einer bestimmten Fläche leisten, oder anderes gefragt, wie viel Holz wächst in einem bestimmten Zeitraum? Um die ermittelten Zahlen regelmäßig buchstäblich im Auge zu behalten, wird „gekreiselt“. Mittels einer Schnur, an deren Ende eine Skala befestigt ist, wird abgemessen, wie breit die Bäume in einem „Umkreis“ sind. Dabei hält der Förster das eine Ende der Schnur vor ein Auge und in der anderen Hand am ausgestreckten Arm eine Skala. Peschke dreht sich dabei im Kreis und bewertet alle Stämme. Ist der Baum breiter als die Skala 1, wird er gezählt, ist er genauso breit, zählt er ihn mit 0,5, ist er schmaler, zählt er ihn nicht. Stimmt die ermittelte Ertragsmenge mit dem Sollwert in der Liste überein, ist alles in Ordnung. Wenn nicht, muss gegebenenfalls eingegriffen werden.

Mit dem Dendrometer wird gekreiselt. So erkennt Peschke schnell, wie gut die Bäume wachsen.

Mit dem Dendrometer wird gekreiselt. So erkennt Peschke schnell, wie gut die Bäume wachsen.

Ein Meter ist nicht gleich ein Meter

Peschke weiß, auf welche Art und Weise die Bäume entnommen werden müssen. So können sie auf einer Fläche gleichmäßig, auf einer anderen Fläche punktuell entnommen werden. Informationen dazu liefert der sogenannte „Femel-Saumhieb“. Der Femelhieb beschreibt dabei die punktuelle Entnahme des zu erntenden Baums. Als Saumhieb bezeichnet man die Entnahme von Bäumen an der Flächengrenze entlang.
Die Forsteinrichtung legt die weitere Entwicklung und die potentielle Erntemenge in Festmeter auf einer Fläche innerhalb von zehn Jahren fest. Ein Festmeter entspricht einem Kubikmeter – also einem Holzwürfel mit einem Seitenmaß von einem Meter. Verkauft wird Holz allerdings je nach Verwendungszweck in Festmeter oder in Raummeter, der etwa 0,65 Festmetern entspricht. Unter einem Raummeter versteht der Fachmann den eigentlichen Stapel von einem Meter in der Höhe, der Breite und der Tiefe, inklusive der durch das Stapeln entstehenden Hohlräume.
Die erlaubte Entnahmemenge des Holzes streckt Peschke über einen möglichst langen Zeitraum, weil er einen schonenden Eingriff favorisiert. Etwa ein Drittel seiner Arbeitszeit verbringt Peschke beim Auszeichnen und Bewerten des Baumbestands. Um die Vorgabe für sein Revier von etwa 5400 Festmetern Holz pro Jahr zu erwirtschaften, muss er mindestens 170 – 180 ha Waldfläche ablaufen und auszeichnen.

Unterstand und Oberstand

Die Ziele der Waldbewirtschaftung sind nur allgemein formuliert und geben dem Förster die Möglichkeit, die Bepflanzung der Flächen selbst zu entscheiden. Die Fläche wird nach den gegebenen Bedingungen geplant und zwar in Ober- und Unterstand, wobei der Oberstand den wirtschaftlichen Fokus erhält und der Unterstand unterstützenden und biologischen Charakter hat. Ob der Unterstand später als Folgegeneration übernommen werden kann, entscheidet später seine Qualität. Peschke erklärt das am Beispiel der an diesem Tag auszuzeichnenden Fläche: „Der Kiefer werden Buchen untergesetzt, deren Laub zu einer Durchmischung und somit Anreicherung des Bodens an Nährstoffen führt. Somit erzielen wir eine höhere Bodenaktivität und einen verbesserten Humuszustand.“ Der Unterstand nimmt auch die Funktion der Schaftbeschattung ein. Stellt man zum Beispiel die Eiche zu stark frei, kann sie aus schlafenden Knospen sogenannte Licht- oder Wasserreiser ausbilden, die man eigentlich vermeiden möchte, weil das Ziel ein astfreier Schafft ist. Die Baumart im Unterstand wächst immer verhaltener als auf der Freifläche. Dadurch kann ein gestörtes H-D-Verhältnis (Höhen-Durchmesser-Verhältnis) entstehen, da die Bäume immer zum Licht streben. Sobald aber der Baum durch die punktuelle Entnahme von Oberstandbäumen, der Fachmann spricht hier vom Femeln, mehr Licht erhält, holt er das Wachstum nach. Die Unterschicht schützt den Wald auch nach der Entnahme des Oberbaums vor ungewollt entstehenden Freiflächen im Wald, die zum Verlust des waldtypischen Innenklimas und zur schnellen Mineralisation der Humusstoffe führen können, welche die Pflanze in der kurzen Zeit nicht verarbeiten kann. Dies führt zur Auswaschung von Nährstoffen.

Mit Farbe zeichnet Peschke die Bäume aus, die gefällt werden dürfen, seine Hündin Holly passt dabei auf.

Mit Farbe zeichnet Peschke die Bäume aus, die gefällt werden dürfen, seine Hündin Holly passt dabei auf.

Langsame Überführung

Kiefern haben ein Erntealter von 100 bis 140 Jahren. In 140 Jahren könnte also eine komplett neue Kieferngeneration auf der Fläche stehen. „Dieser Zeitraum wird allerdings ganz bewusst gestreckt, um die wertvolle Struktur des Naturschutzgebietes zu berücksichtigen und um die aktive Durchmischung von Laub- und Nadelbäumen länger zu erhalten, weil diese für den Erholungssuchenden landschaftlich attraktiver ist“, so Peschke. Ebenso soll eine relative Dichte der Oberbaumkronen erhalten bleiben, um die untenstehenden nachwachsenden Bäume ausreichend zu schützen.
Etwa zehn bis maximal 15 Prozent des Oberstandes werden in zehn Jahren aus einer definierten Fläche entnommen und auch nur dort, wo die unteren Bäume stark und die Oberkronen dicht genug sind, um die Entnahme gut zu vertragen. Dadurch erhalten die unten stehenden Pflanzen ausreichend Raum und die verbleibenden Bäume im Oberstand genug Platz, um ihre Kronen weiter zu entwickeln. Es werden also nicht alle reifen Bäume auf einmal geerntet und dann neu gepflanzt. „Damit würde man bestehende Ökosysteme zerstören. Vor allem im Naturschutzgebiet Königswald muss sehr sensibel mit dem Baumbestand und der Erhaltung seiner biologischen Funktionen umgegangen werden“, betont Peschke.

Feinde des Baumes

Revierförster Peschke muss also den Gesundheitszustand der Bäume ganz besonders im Auge behalten, denn nicht die Säge ist der eigentliche Feind des Baumes. Dieser Feind kommt aus der Natur selbst. Die klimatischen Schwankungen, speziell die Trockenheit, aber auch unterschiedliche Vertreter der Borkenkäfer sowie Baumpilze und Misteln können dem Baumbestand eines Waldes nicht nur sehr zusetzen, sondern ihn beim Auftreten von Massenvermehrungen völlig zerstören, wenn der Mensch nicht regulierend eingreift. Peschke zeichnet deshalb nicht nur Bäume aus, die aus Altersgründen, sondern auch aus Schutzgründen entnommen werden müssen.
Aktuell macht der Kiefernbaumschwamm, ein Pilzbefall, den Kiefern ab einem Alter von etwa 80 Jahren große Probleme. Kiefern können bis zu 240 Jahre alt werden. Wenn der Schwammbefall äußerlich zu erkennen ist, muss Peschke eingreifen und den Baum entnehmen, um eine weitere Verbreitung der Pilzsporen und somit eine Entwertung des Holzes zu verhindern. Doch nicht alle sterbenden Bäume werden entnommen. Peschke behält viele von ihnen aus biologischen Gründen auf der Fläche. „Bäume, die absterben, eignen sich für den Specht zum Nestbau, später dienen die Behausungen den Fledermäusen und ihrem Nachwuchs als Quartier, und auch das sich zersetzende Totholz dient vielen Insekten und Pilzen als Lebensraum und bereichert dann in Form von Humus den Boden. Diese Insekten sind wiederum natürliche Gegenspieler der Schädlinge. Bedroht ein Baum die Verkehrssicherung, stellt also eine Gefahr für andere dar, muss ihn Peschke selbstverständlich sofort entnehmen.

Die akribische Datenpflege ist Grundlage für eine ökologische und wirtschaftliche Planung sowie für die Erstellung verlässlichen Kartenmaterials

Die akribische Datenpflege ist Grundlage für eine ökologische und wirtschaftliche Planung sowie für die Erstellung verlässlichen Kartenmaterials.
Quelle: Landesbetrieb Forst Brandenburg (LFB)

Einbringung neuer Baumarten

Der Boden im Königswald bietet eine gesunde Grundlage für das Wachstum unterschiedlicher Baumarten. In der Forsteinrichtung wird ein sogenannter Bestockungszieltyp festgelegt. Welche Baumarten sind also erwünscht und wie soll das Mengenverhältnis der Bäume untereinander sein? „Entscheidend für die Beantwortung dieser Frage ist zu wissen, was der Waldboden kann und was natürlich an dieser Stelle vorkommen würde“, sagt Peschke. Je nach Beschaffenheit des Bodens und der klimatischen Bedingungen sowie der forstwirtschaftlichen und umweltspezifischen Vorgaben hat der Förster in der Einbringung der Baumarten relativ freie Hand.
Während die Industrie in den vergangenen Jahrzehnten mehr auf die Kiefer und Fichte gesetzt hat, geht der Trend heute mehr in eine ökologischere Ausrichtung. Weil es immer mehr Laubholz und immer weniger Nadelholz auf dem Markt geben wird, muss sich auch die Industrie umstellen und Verfahren entwickeln, die die Verarbeitung dieser Gehölze ermöglicht.
Bei der Einbringung des Saatgutes achtet Peschke auf heimische Herkunft, weil sich die genetische Entwicklung regionaler Pflanzen den hiesigen Bedingungen über Jahrhunderte angepasst hat. Peschke selbst beschreibt seine Aufgabe als „Gleichgewichtsherstellung zwischen forstsanitärer Situation und Artenschutz“, ein Spagat, der ihm sehr gut zu gelingen scheint.

Steve Schulz