IG BAU sieht Defizit beim sozialen Wohnungsbau – SPD und CDU wollen keine Mietengrenze

Vom Eigenheim bis zum Mehrfamilienhaus: In Potsdam wurden im vergangenen Jahr 1.650 neue Wohnungen gebaut. Das teilt die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) unter Berufung auf aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes mit. Danach flossen in den Neubau Investitionen in Höhe von rund 308 Millionen Euro. „Zusätzliche Wohnungen sind ein wichtiger Beitrag gegen steigende Mieten. Wichtig ist dabei das bezahlbare Segment. Und es kommt vor allem darauf an, dass im sozialen Wohnungsbau noch mehr getan wird“, sagt der Bezirksvorsitzende der IG BAU Mark Brandenburg, Rudi Wiggert.
Wiggert sehe insbesondere die Politik in der Pflicht. Der Wohnungsbau in der Region könne „nur dann Power zeigen“, wenn in Berlin beim Bund und bei der brandenburgischen Landesregierung die richtigen Weichen gestellt würden. „Die Bundesregierung hat 400.000 neue Wohnungen pro Jahr versprochen. Ein Viertel davon sollen Sozialwohnungen sein. Von diesem Ziel ist die Ampel-Koalition noch weit entfernt. Hier ist aber auch die Landespolitik gefordert“, so Wiggert. Im vergangenen Jahr sind laut Statistik bundesweit lediglich 293.400 neue Wohnungen entstanden – 4,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Zudem erschweren knappe Baumaterialien, steigende Energiepreise, Inflation und steigende Bauzinsen derzeit den Neubau, so die Gewerkschaft. Hinzu kämen ein hoher Fachkräftebedarf und unzureichende staatliche Förderungen.
Um vor allem „den lahmenden Bau von Sozialwohnungen voranzubringen“, schlägt die IG BAU ein „Sonderpaket sozialer Wohnungsbau“ vor. Die Mehrwertsteuer auf Sozialwohnungen solle von 19 auf sieben Prozent abgesenkt werden. Der Bau einer staatlich geförderten Wohnung würde nach Angaben der Gewerkschaft auf diese Weise um zehn Prozent günstiger. „Außerdem müssen Bund und Länder dringend das Baurecht vereinfachen. Es wird höchste Zeit, dass Genehmigungsverfahren schlanker und schneller werden. Zwischen Bauantrag und Baubeginn geht oft wertvolle Zeit verloren“, betont Wiggert.

Umbau statt Neubau

Der IG BAU-Bezirksvorsitzende verweist auf eine enorme Chance, um zusätzlichen Wohnraum zu gewinnen: den Umbau bereits bestehender Gebäude. „In Potsdam schlummert ein großes Potential in der Umnutzung von Altbauten. So lassen sich bei vielen Wohngebäuden, Büro-, Geschäfts- und Parkhäusern Dachetagen aufstocken. Dazu kommt – durch mehr Homeoffice – der Umbau von Büros zu Wohnungen.“ Gerade auch mit Blick auf den steigenden Wohnraumbedarf für die Menschen, die vor dem Krieg aus der Ukraine geflüchtet sind, müssten alle Möglichkeiten genutzt werden.

An die Adresse der heimischen Baubranche macht der Gewerkschafter deutlich: „Viele Firmen suchen dringend Fachkräfte, um die Aufträge bewältigen zu können. Aber qualifizierte Maurer und Zimmerleute gewinnt nur, wer anständige Löhne zahlt und gute Arbeitsbedingungen bietet.“ Baubeschäftigte sollten sich nicht unter Wert verkaufen und auf einer tariflichen Bezahlung bestehen. Genug zu tun gebe es allemal, so Wiggert.

Matthias Finken (CDU)
Foto: CDU

CDU für mehr Verdichtung

In Potsdam gibt es vor allem innerhalb der historischen Stadtviertel noch viel Wohnungsbaupotential zu heben. Auch wenn dabei im Einzelnen nicht immer hunderte Wohnungen entstehen können, brächte doch eine punktuelle Verdichtung in Summe viel Wohnraum und eine Aufwertung innerstädtischer Viertel, so der Vorsitzende des Bauausschusses, Dr. Wieland Niekisch (CDU) nach der Sitzung des Bauausschusses am 15. Juni 2022.
Die rot-rot-grüne Mehrheit der Stadtverordneten sehe laut CDU offenbar ausreichend Möglichkeiten, in Potsdam Wohnungsbau zu errichten. „Ein Antrag der CDU in den zentralen, gut erschlossenen und mit Infrastruktur komfortabel versorgten Gebieten mittels Bereichentwicklungsplänen (BEP) grundstücksscharf Baurecht zu schaffen, wurde leider mit dem inzwischen bei der Rathauskooperation sehr beliebten Vehinderungsinstrument ‚durch Verwaltungshandeln erledigt‘ weggestimmt“, heißt es von Seiten der CDU. Dabei sehe der Antrag der CDU konkret vor, bis 2024 Baureife für 1200 Wohnungen und bis 2029 für weitere 5000 zu schaffen. „Damit ist die Chance vertan, durch kommunales Engagement auf die umfassenden Wohnungsbaupotenziale aufmerksam zu machen“, ergänzt Niekisch. „Wir müssen jetzt wieder jedes einzelne Projekt im Bauausschuss beraten“. Die CDU verwies auf die Studie der Stadt zu Wohnungsbaupotenzialflächen von 2017, deren Ausweisungen völlig veraltet seien und dringend einer Aktualisierung bedürften. Darunter seien auch unter Denkmalschutz stehende Areale, deren Privateigentümer die baulichen Anlagen massiv vernachlässigen und so eine bauliche Entwicklung verhinderten. Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Matthias Finken, betont, wir werden an diesem Thema im Interesse der Stadt dran bleiben. Die vielen allgemeinen und unkonkreten Instrumente, die von der Rathauskooperation aufgelistet werden, haben bisher nichts gebracht. Unsere konkreten Forderungen würden uns einen guten Schritt nach vorne bringen.“

Dr. Sarah Zalfen (SPD)

Dr. Sarah Zalfen (SPD)
Foto: SPD

SPD will keinen Mietendeckel

Die anhaltende Diskussion um einen möglichen Mietendeckel für Wohnungen der städtischen Gesellschaft ProPotsdam verfehlt nach Ansicht der SPD-Stadtfraktion das angestrebte Ziel. Dieses ist klar definiert: Schnell und langfristig bezahlbaren Wohnraum in Potsdam schaffen, um so nachhaltig für sozialverträgliche Mieten zu sorgen.
Die SPD-Fraktionsvorsitzende, Dr. Sarah Zalfen, führt hierzu aus: „Wer glaubt, dass sich durch einen Mietendeckel bei der ProPotsdam die Wohnungsmarktsituation in Potsdam entspannt, irrt und erweist der Stadt und seinen Bürgerinnen und Bürgern einen Bärendienst. Mit einem Mietendeckel wird keine einzige neue Wohnung gebaut – schon gar keine bezahlbaren, da von einem Mietendeckel private Investoren nicht betroffen sind. Die reiben sich bei weniger Konkurrenz durch das kommunale Wohnungsbauunternehmen die Hände. Das muss allen bewusst sein. Bezahlbare Wohnungen brauchen wir jedoch in Potsdam.“

Will SPD zurück zum Plattenbau?

Babette Reimers (SPD), Mitglied im Bauauschuss ergänzt: „Solche Wohnungen werden beispielsweise jetzt aufgrund der Wohnungsbau-Offensive des Oberbürgermeisters von der ProPotsdam gebaut. 400 dieser dank Modulbauverfahren nachhaltigen und kostengünstigen Wohnungen entstehen in den Stadtteilen Stern, Drewitz und Golm. Es handelt sich hierbei nicht um Container-Notlösungen, sondern um vollwertige Wohnungen. Wohnungen, die perspektivisch nicht nur den derzeitigen Geflüchteten aus der Ukraine helfen, sondern allen Potsdamerinnen und Potsdamern zugutekommen.
Das ist für uns der richtige Weg, den wir in allen Stadtteilen weitergehen müssen. Diese Art der Wohnprojekte müssen in allen Teilen der Stadt entstehen. Das kann aber nur eine gesunde, auf soliden finanziellen Füßen stehende ProPotsdam leisten.“

Kein Verkauf zu Höchstpreisen mehr

„Wohnungsbaupolitische Ziele werden jetzt in der Landeshauptstadt Potsdam gebündelt und Prozesse durch die neu geschaffene Koordinierungsstelle für den Wohnungsbau vereinfacht. Der städtische Wohnungsbaukoordinator fungiert als zentraler Ansprechpartner außerhalb der einzelnen Fachbereiche für Wohnungsunternehmen und -genossenschaften.
Hinzu kommen weitere Instrumente der öffentlichen Verwaltung, wie eine verantwortungsvolle öffentliche Bodenpolitik oder das Baulandmodell in Marquardt“, so der SPD-Fraktionsvorsitzende Hagen Wegewitz. „Es ist eine richtige Entscheidung, kein kommunales Bauland mehr an den Höchstbietenden zu verkaufen. Wir brauchen jede Fläche, aber auch Flächenoptimierung von Bestandsbauten und nachhaltige neue Bauweisen“, so Wegewitz.

Hinter der ProPotsdam steht ein Unternehmensverbund aus elf Gesellschaften, die mit ihrem Engagement und ihren Projekten das Leben in Potsdam prägen. Dabei steht der Bau und die Bewirtschaftung von Wohnraum im Fokus – wie hier im Bornstedter Feld.
Foto: Benjamin Maltry

Die Teltower Vorstadt
Grafik: Müller Reimann Architekten

Das Bergviertel in Krampnitz
Foto: Benjamin Maltry

CDU lehnt Mietendeckel ebenfalls ab

In einer Pressemitteilung warnt die CDU: „Der Mietendeckel zerstört unser eigenes Wohnungsunternehmen!
Mit einem Bestand von rund 17.000 Wohnungen bewirtschaftet und verwaltet die ProPotsdam jede vierte Potsdamer Wohnung und ist damit der größte Wohnungsanbieter der Stadt. Wichtig für den Erhalt und die Weiterentwicklung dieses Wohnungsbestandes ist dessen ordnungsgemäße Bewirtschaftung. Dabei orientiert sich die Pro Potsdam an ökologischen, ökonomischen und sozialen Zielsetzungen mit dem Fokus, durch generationengerechtes Bauen und Sanieren bezahlbaren Wohnraum zu sozialverträglichen Mieten für breite Schichten der Bevölkerung bereitzustellen.“ Eine besondere Rolle spiele dabei auch die Quartiersentwicklung sowie das Engagement für die Stadtgesellschaft und die Förderung bürgerschaftlichen Engagements.
Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Matthias Finken, sagt: „Die Auswirkungen eines Mietendeckels für das kommunale Wohnungsunternehmen werden einschneidende Folgen für die Gesellschaft haben und viele Bereiche des Unternehmens erheblich gefährden. Um weitere günstige Wohnungen bauen zu können, werden wir Wohnungen mit Mietendeckel verkaufen müssen. Deshalb von uns ein klares NEIN zum Mietendeckel.“

IG BAU/CDU/SPD/Red.