Wie die Landstadt Gatow entstand

Die neue Serie des POSTDAMER informiert über die Historie des Berliner Golfclub Gatow und seine Auswirkungen auf die Region. In der ersten Folge lesen Sie, warum es ohne den Golfclub die Landstadt Gatow, in der mittlerweile über 2000 Menschen leben, gar nicht gäbe.

Bernhard Neumann vor dem Eingang des Berliner Golf Club Gatow e.V.

Als am 5. Juni 1945 die Oberbefehlshaber der vier Mächte (USA, Großbritannien, Frankreich und Sowjetunion) durch die Berliner Erklärung die oberste Regierungsgewalt über Gesamtdeutschland übernahmen, um die Verwaltung, die Entmilitarisierung und einen nachhaltigen Wiederaufbau eines demokratischen Deutschlands sicher zu stellen, stellte man u.a. den Berliner Bezirk Spandau final unter britische Verwaltung. Diese installierte auf dem Gatower Gelände des Militärflugplatzes, auf dem bis dato u.a. die Luftkriegsschule des Deutschen Reiches ansässig war, die Royal Airforce Station Gatow.
Das Gelände bewährte sich als Flugplatz bis 1948 (mit Tempelhof im Rahmen der Luftbrücke) und wurde nur sporadisch für den Start und die Landung vereinzelter Flüge genutzt, so z.B. für die königliche Familie, die hier regelmäßig landete. Primär fungierte das Militärgelände der Engländer als Horchstation. Während ihrer Anwesenheit bauten die Engländer die vorhandenen Sportstätten weiter aus und installierten große Sportflächen. Nur einen eigenen Golfplatz hatten sie nicht und nutzten deshalb den der Amerikaner in Berlin Zehlendorf (Wannsee) mit. 1967 schließlich beantragten sie eine eigene 9-Loch-Golfanlage (mit 18 verschiedenen Abschlägen), die im Juni 1969 eröffnet wurde.

Die Zeichnung der Golfanlage aus dem Jahr 1969

Nach der Wende und dem Abzug der Alliierten Schutzmächte ging das gesamte Gelände als ehemaliger Reichsgrundbesitz automatisch an den Bund zurück. Als am 20. Juni 1991 der Bundestag die Entscheidung traf, den Regierungssitz von Bonn wieder nach Berlin zu verlegen, schloss sich dieser Entscheidung die intensive Suche nach geeigneten Liegenschaften für nach Berlin ziehende Ministerien und Bundesbedienstete an. Schnell fiel dabei das gesamte Kasernenareal inklusive des Golfplatzes Gatow als „Sonderbaufläche mit hohem Grünanteil des Bundes“ in den Fokus des Interesses des für den Hauptstadtumzug zuständigen Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau).

1200 Familienhäuser statt 9 Löcher
Während sich die politischen Ordnungen und Zuständigkeiten regelten, spiegelten sich diese politischen Ereignisse auch auf dem Mikrokosmos Golfplatz 1:1 wider. 1990 gründete man den Berliner Golf Club Gatow, mit der Absicht, den bisherigen British Golf Club Gatow weiterzuführen. Gründungspräsident war damals Wolfgang Lorenz. Bis 1994 blieben die Engländer Hausherren des Golfplatzes. Im selben Jahr übernahm Bernhard Neumann das Präsidium des Berliner Clubs.
Während man in Berlin Gatow davon ausging, nach dem Abzug der Briten den Golfplatz als Untermieter der Bundeswehr weiterhin nutzen zu können, hatte der Leiter der im BMBau angesiedelten Wohnungsfürsorge des Bundes, Guido Zielke, die Absicht, auf dem 34 Hektar großen Golfplatz 1.200 Einfamilienhäuser einschließlich erforderlicher Infrastruktur (Schulen, Kitas, Parkplätze etc.) zu errichten.

David gegen Goliath
Neumann konnte und wollte dieses Vorhaben nicht akzeptieren und wandte sich schriftlich an den damaligen Bundespräsidenten, den Bundeskanzler, den englischen Premierminister, den englischen Botschafter und an viele andere, von denen er Gehör erhoffte – doch alle Antworten gingen über den Tisch von Zielke.
Erst nachdem 1995 der neue Bauminister Töpfer hieß, entschied sich dieser bereits drei Wochen nach Amtsantritt, sich von der Situation vor Ort selbst ein Bild zu machen.
Schließlich einigte man sich dahingehend, ein städtebauliches Gutachten in Auftrag zu geben, dessen Aufgabe es sein sollte, in einem von den Straßenzügen Kladower Damm, Ritterfelddamm, Potsdamer Chaussee und Gatower Heide umschlossenen Gebiet zu untersuchen, ob und wenn, wo das beschriebene Bauvorhaben realisiert werden könnte.

Die Golfanlage aus der Vogelperspektive in den 1980er Jahren. Fotos: sts

Das Gutachten
Als Gutachter wurde Prof. Dr. Martin Daub von der TU Berlin bestellt, dessen umfangreiche Untersuchen und Ergebnisse in einem mehr als 100-seitigen Gutachten ausformuliert wurden.
Das Ergebnis war für viele überraschend. Professor Daub sprach sich in seinem Gutachten ausdrücklich gegen die Bebauung des Golfplatzes aus und priorisierte die Umsetzung des Vorhabens auf den ehemaligen Landebahnen des Flugplatzes, nur wenige hundert Meter Luftlinie entfernt.
Man folgte der Aussage des Gutachtens. So beschloss man im Folgenden, den Golfplatz zu erhalten und dessen Flächen an Berlin zu übergeben. Im Zuge dessen sollte der Bund entsprechende Ausgleichsflächen erhalten. In den Folgejahren nahm die Notwendigkeit der Bauvorhaben für Bundesbedienstete immer mehr ab und bisherige Vorhaben wurden fallengelassen.
Stattdessen beschlossen Berlin und der Bund in einem städtebaulichen Vertrag die bundesseitige Kostenübernahme infrastruktureller Maßnahmen wie den Bau von Schulen, Kitas, Straßen, Fahrradwegen sowie Spiel- und Sportanlagen in dem zu erschließenden Areal am Ende der Gatower Landebahnen.

Der Einsatz für den Erhalt des Golfplatzes und das dadurch erwirkte Gutachten stellten damit in ihrer Gesamtheit die Grundlagen für den Erhalt des Golfplatzes und für den Bau der heutigen Landstadt Gatow sowie für den sich noch in Planung befindlichen Landschaftspark Gatow.

In unserer nächsten Ausgabe lesen Sie: Warum der Ausbau der Golfanlage ein innerstädtisches Problem löste.

sts