2. Teil: Schnelle Hilfe ist nicht in Sicht
Dass der Zustand des Sacrower Sees immer schlechter wird, ist wissenschaftlich belegt und für alle sichtbar. Es sind allerdings nicht nur die Badenden und Besucher, die dem See seine ganze Widerstandskraft abverlangen. Der deutliche Rückgang des Wasserspiegels und des Sauerstoffgehalts im Wasser tragen dazu bei, dass der Sacrower See umzukippen droht. „Es ist ein sich selbst verstärkender Kreislauf, aus dem der See allein nicht herauskommt“, ist Dr. Uwe Brämick, Leiter des Institut für Binnenfischerei am Sacrower See, überzeugt. Allerdings scheint dieses Problem auch menschengemacht zu sein.
Wenn der See schreit
Der Sacrower See wird etwa zu gleichen Anteilen durch Grundwasser und durch Niederschlagswasser gespeist. Früher gab es am nördlichen Ende einen oberirdischen Zulauf vom Groß Glienicker See, der mittlerweile ausgetrocknet ist. Am Südostende führte der ebenfalls in historischer Zeit künstlich angelegte Schiffgraben Wasser zur Havel ab. Dieser ist heute zwar noch existent, kann aber aufgrund seiner extremen Verschlammung, der geringen Wassermengen und der Verschließung des Havelzuflusses seine biologische Funktion nicht mehr erfüllen. Somit ist der Sacrower See auf das Grundwasser sowie auf Niederschläge angewiesen, um seinen Wasserspiegel halten zu können.
„Der Klimawandel mit steigenden Temperaturen und wenigen Niederschlägen wird dazu führen, dass der Zufluss an Grundwasser zum Sacrower See immer geringer wird“, nennt Thomas Frey vom Landesamt für Umwelt (LfU) die Hauptursache für den Wasserrückgang auf Nachfrage des POTSDAMER.
Doch nicht allein das sich verändernde Klima scheint schuld an der negativen Entwicklung zu sein: „Grundsätzlich haben wir in der Region das Problem der rückläufigen Wasserspiegel in den Oberflächengewässern. Das betrifft den Sacrower und den Groß Glienicker See gleichermaßen. Das wiederum liegt daran, dass Groß Glienicke, Kladow und andere umliegenden Ortschaften immer größer werden und der Wasserverbrauch, der zu einem Großteil aus dem Grundwasser gespeist wird, immer höher wird, ohne dass diese Wasserspeicher über natürliche Prozesse im gleichen Maße wieder aufgefüllt werden können“, fasst Dr. Brämick das Problem zusammen. Laut Dr. Brämick entspreche der Rückgang des Wasserspiegels von über einem Meter in den letzten Jahren einem Verlust von etwa zehn Prozent der Gesamtwassermenge des Sees.
Durch den starken Rückgang des Wasserspielgels werden auch die schilfbesetzten Uferzonen nicht mehr vom Wasser ausreichend erfasst. So können diese ihre Klärfunktion nicht mehr erfüllen und das Wasser von Nährstoffen befreien. Auch das trägt zu einer erhöhten Nährstoffkonzentration im Wasser und zu einer verstärkten Trübung des Wassers bei.
Die stärker werdende Trübung ist die visuelle Bestätigung für den Prozess der Eutrophierung des Sees. Die Trübung ist nichts anderes als die Anreicherung von Phytoplankton, (einzelligen Pflanzen), die sich aufgrund der hohen Nährstoffkonzentration und des niedrigen Sauerstoffgehaltes extrem vermehren. Diese Visualisierung des Zustands kann man wohl mit einem Aufschrei des Sees vergleichen, der deutlich macht, wie schlecht es ihm geht und wie dringend er Hilfe benötigt.
Trübung ein bekanntes Problem
Schon in den 1970er und 1980er Jahren war bei dem Sacrower See eine starke Trübung festzustellen. „Der Grund für diese Trübung war damals allerdings das massive Eintragen von Nährstoffen in den See. Zu dieser Zeit gab es noch keine Abwasserklärung in Groß Glienicke und auch über Oberflächenabläufe aus den Klärgruben der Ortschaften sammelten sich hohe Mengen an Nährstoffen im Sacrower See an. Diese Nährstoffe wurden durch biologische Prozesse am Sediment gebunden und blieben dort, solange am Gewässerboden ein Minimum an Sauerstoff existierte.
Wegen des auftretenden Sauerstoffmangels am Boden wird ein Teil der im Sediment gebundenen Nährstoffe nun rückgelöst und im Wasser wieder verfügbar. Dr. Brämick spricht sich deshalb für die Erstellung einer Nährstoffbilanz aus, um mehr Informationen über den Grund der Eutrophierung zu erhalten und entsprechende Maßnahmen ableiten zu können.
Die Erstellung der Nährstoffbilanz sei laut Angaben des Landesamt für Umwelt (LfU) allerdings schwierig zu realisieren: „Um aussagekräftige Bilanzen erstellen zu können, müsste ein geeignet engmaschiges Netz von Grundwassermessstellen rund um den See neu angelegt, über Jahre ausgewertet und gewartet werden. Aus Erfahrungen aus Forschungsprojekten am Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin ist bekannt, das hierfür über die Jahre Investitions- und Gutachterkosten im hohen sechsstelligen Bereich anfallen. Dem LfU stehen Mittel in dieser Höhe nicht zur Verfügung“, so Frey, der damit rechnet, dass die in diesem Jahr von einem externen Labor erhoben Daten helfen, ein besseres Verständnis zu entwickeln und die Situation des Sees besser einordnen zu können.
Kann eine alte Anlage helfen?
Dass dem See von außen geholfen werden muss, um die Eutrophierung aufzuhalten, darin sind sich alle Experten und zuständigen Behörden einig. „Wir müssen dem See helfen, dass er seine Nährstoffe wieder im Sediment binden kann. Dazu müsste man den Kreislauf unterbrechen, verringern oder stoppen. Dies könnte durch eine Sauerstoffanreicherung des Tiefenwassers unterstützt werden“, so Dr. Brämick.
Auch Achim Haid-Loh von der Bürgerinitiative „Schützt Potsdam e.V.“ spricht sich für den Wiedereinsatz der seit 25 Jahren inaktiven Sauerstoffanlage im Sacrower See aus. „Durch die noch existierende Tiefenwasserbelüftungsanlage, die das Land dem Institut vor Jahren geschenkt hat und die seitdem vom Institut regelmäßig gewartet und betriebsbereit gehalten wurde, wäre eine lokale Sauerstoffanreicherung der tieferen Wasserschichten möglich“, ist Haid-Loh überzeugt. „Ob dies jedoch auf Dauer zu einer Unterbrechung des Kreislaufes führen kann, muss eine Untersuchung ergeben, die den Betrieb der Anlage messtechnisch begleitet. So könnte man nachweisen, ob und in welchem Maße die gewünschten Effekte eintreten“, ergänzt Dr. Brämick.
Der Einsatz der Sauerstoffanlage ist allerdings fraglich. Das Landesamt für Umwelt wollte dem POTSDAMER nicht bestätigen, dass dies derzeit eine Option ist, über die man nachdenke. Man wolle erst einmal die Messdaten im Frühjahr 2021 auswerten.
Eine zweite Hürde der Inbetriebnahme der Sauerstoffanlage seien nach Haid-Loh die damit verbundenen Kosten. Nach seinen Angaben waren die Betriebskosten von etwa 20.000 Euro pro Jahr ein Grund, warum das Land die Anlage nicht mehr betreiben wollte. Begleitende Untersuchungen würden dann zusätzliche Kosten verursachen.
Weniger Badende würden auch helfen
Dr. Brämick bestätigt, dass die große Menge an Bedanden in den Sommermonaten eine zusätzliche Belastung für die Tier- und Pflanzenwelt des Sees ist. Diesen durch viele Besucher des Naturschutzgebietes hervorgerufenen Schädigungen soll nun durch eine ergänzende Beschilderung (Abb. siehe unten) begegnet werden, die die Stadt bereits vor zwei Jahren versprochen hat und die in den nächsten Wochen umgesetzt werden soll. Auf dem Schild, das die Verwaltung dem POTSDAMER vorab zugeschickt hat, soll deutlich gemacht werden, was verboten ist. Bleibt zu hoffen, dass sich die Besucher daran halten und die Stadt nicht wieder versäumt, das Einhalten der Verhaltensregeln zu kontrollieren.
sts