Mit der Wärme aus der Tiefe möchte die Landeshauptstadt unabhängiger in der Energieversorgung werden

Groß war das Risiko, das die EWP (Energie Wasser Potsdam GmbH) im Dezember 2022 einging, als sie in der Heinrich-Mann-Allee, mitten im Potsdamer Stadtgebiet, die erste Tiefengeothermiebohrung der Region startete. In einer Tiefe von über 2000 Metern hoffte man, warmes Thermalwasser vorzufinden, das für die Energieversorgung der Stadt genutzt werden könnte.

Forderung nach mehr Unterstützung von der Politik

Bei diesem Projekt war der Potsdamer Energieversorger mit ca. 20 Mio. Euro ein hohes finanzielles Risiko eingegangen, da nicht abzusehen war, ob die unterirdischen Gesteinsschichten tatsächlich für die geothermische Nutzung in der gewünschten Leistungsfähigkeit geeignet sind. Angesichts des Pioniercharakters dieser ersten Tiefengeothermie in Potsdam hatte die EWP das Deutsche GeoForschungsZentrum (GFZ) bereits 2019 involviert und für die wissenschaftliche Begleitung des Projektes gewonnen.

Christiane Preuß, kaufmännische Geschäftsführerin der EWP, wünscht sich mehr Unterstützung und Flexibilität bei der Umsetzung innovativer Projekte.

Christiane Preuß, kaufmännische Geschäftsführerin der EWP, wünscht sich mehr Unterstützung und Flexibilität bei der Umsetzung innovativer Projekte.

Noch größer als das finanzielle Risiko war wohl die Spannung aller Beteiligten bei der Auswertung der Bohrergebnisse im Juni dieses Jahres. Das Ergebnis sorgte für Erleichterung und Freude, denn die geplante Anlage wird doppelt so viel Energie liefern wie erwartet. „Die zukünftige Leistung unserer Tiefengeothermie an der Heinrich-Mann-Allee geht weit über unsere Erwartungen hinaus“, sagt Christiane Preuß, kaufmännische Geschäftsführerin der EWP, am Präsentationstag der Testergebnisse.
Die Rahmenbedingungen, unter denen die Bohrung realisiert wurde, zeigten aber, dass solche Projekte in ihrer Planung, Organisation und Durchführung deutlich vereinfacht und von der Politik unterstützt werden müssen, so Preuß. Vor allem in der Finanzierung solcher Projekte mit unsicherem Ausgang müsse man schnell und flexibel handeln können.

Mehr Unabhängikeit bei der Energieversorgung

„Tiefengeothermie kann auf der Grundlage dieser Daten zu einem zentralen Baustein für unsere Wärmeversorgung der Zukunft werden. Damit kommen wir unserem Ziel, die CO2-Emissionen zu senken, einen großen und wichtigen Schritt näher“, stellt Mike Schubert, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Potsdam, fest. „Sollten weitere Standorte identifiziert werden können, werden wir das an der Stabilität unserer Energiepreise merken, weil es die Stadt unabhängiger von anderen fossilen Energieträgern macht, die wir teuer einkaufen müssten“, prognostiziert Schubert.

Oberbürgermeister Schubert hofft auf stabilere Energiepreise durch die eigene Energiegewinnung.

Oberbürgermeister Schubert hofft auf stabilere Energiepreise durch die eigene Energiegewinnung.

„Die Ergebnisse sind äußerst zufriedenstellend. Unsere Anlage wird deutlich über 4 Megawatt Leistung bringen, erhofft hatten wir uns knapp die Hälfte. Das bedeutet, wir können nicht nur die geplanten ca. 700 Wohneinheiten des neuen Quartiers mit Wärme versorgen, sondern auch noch in das Potsdamer Wärmenetz einspeisen. Legen wir den durchschnittlichen Potsdamer Haushalt zugrunde, liefert allein diese Tiefengeothermieanlage die Wärme für bis zu 6.900 Haushalte“, kalkuliert Eckard Veil, technischer Geschäftsführer der EWP.

Die Wissenschaftliche Vorständin des GFZ, Prof. Dr. Susanne Buiter, schätzt die Förderbarkeit einer Anlage auf etwa 30 Jahre. Dabei sei der die Förderung limitierende Faktor nicht die Wärme in der Tiefe selbst, sondern die Förderungstechnik sowie die begrenzte Haltbarkeit eingesetzter Technologien und Materialien durch Korrosion und Verschleiß, begründet Veil den kalkulierten Förderzeitraum.

Bald Windräder in Potsdam?

Fünf bis acht weitere Bohrungen könnten noch bis 2030 durchgeführt werden. Sollten diese ebenfalls gute Testergebnisse bringen, kann die Tiefengeothermie ein zentrales Thema für die städtische Energieversorgung werden. Doch damit ist im Bereich der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien noch lange nicht Schluss. Neben den bereits existierenden und zusätzlich geplanten Photovoltaikanlagen könnten im Potsdamer Norden bald Windkrafträder stehen.
„Eine neue Bundesgesetzgebung zur Förderung der erneuerbaren Energien erweitert die Möglichkeiten für den Bau und Betrieb von Windenergieanlagen innerhalb des Potsdamer Stadtgebiets“, informiert Bernd Rubelt, Beigeordneter der Landeshauptstadt Potsdam für Stadtentwicklung, Bauen, Wirtschaft und Umwelt, Anfang September gemeinsam mit der Energie und Wasser Potsdam GmbH in einem Pressegespräch und in einer Sondersitzung des Ausschusses für Klima, Umwelt und Mobilität über die geplante Zusammenarbeit im Bereich der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien.

Eckard Veil, technischer Geschäftsführer der EWP, plant neben weiteren Geothermieanlagen den Ausbau der alternativen Energiegewinnung Potsdams. Gut für die Umwelt und die Unabhängigkeit der Energieversorgung.

Eckard Veil, technischer Geschäftsführer der EWP, plant neben weiteren Geothermieanlagen den Ausbau der alternativen Energiegewinnung Potsdams. Gut für die Umwelt und die Unabhängigkeit der Energieversorgung.

Als mögliche Standorte für Windenergieanlagen wurden laut Mitteilung sechs Potenzialflächen identifiziert, auf denen die Errichtung von etwa 20 Anlagen möglich ist. Fünf dieser Flächen liegen im Potsdamer Norden, eine im Süden. Die sechs Flächen sollen nun genauester auf ihre Eignung untersucht werden. Bevor es an eine konkrete Planung der Anlagen geht, muss gewährleistet sein, dass zum Beispiel die hohen artenschutz- und denkmalrechtlichen Anforderungen erfüllt werden können. Nur dann wäre eine Windenergieanlage grundsätzlich genehmigungsfähig.
„Wir stehen am Anfang unserer Überlegungen und werden die Ergebnisse der Vorprüfungen abwarten, bevor wir entscheiden, ob und wo wir in die Umsetzungsplanung gehen“, erklärt Christiane Preuß. „Uns ist es wichtig, die Öffentlichkeit von Anfang an ins Boot zu holen und sie umfassend und transparent zu informieren. Denn wenn uns die Mammutaufgabe gelingen soll und wir wie im Masterplan Klimaschutz 2050 festgeschrieben ist, die Treibhausgasemissionen um 95 Prozent senken wollen, müssen wir den Anteil der erneuerbaren Energien in unserem Energiemix bis 2045 deutlich erhöhen. Dann müssen wir alle verfügbaren Optionen nutzen“, ergänzt Eckard Veil.

Zu einer Bürgerinformationsveranstaltung am 22. September laden die EWP und die Landeshauptstadt Potsdam Interessierte in die Turnhalle der Regenbogenschule in Fahrland ein, um die Pläne zum Ausbau erneuerbarer Energien vorzustellen.

Stehen im Potsdamer Norden bald Windkrafträder?

Stehen im Potsdamer Norden bald Windkrafträder?

Anmeldungen sind über die neue Info-Website www.neue-energie-potsdam.de möglich.
Auf der neuen Webseite finden die Besucher ab sofort alle Informationen zum Thema Ausbau der erneuerbaren Energien in Potsdam und können neue Entwicklungen nachverfolgen.

sts