Teil 4 der Serie „Potsdams russische Wurzeln“

Zum Teil kaputt und fast schon vergessen steht die Kolonie Alexandrowka um das Jahr 2000 mitten in Potsdam. Es wirkte, als ob nicht mehr viel Glanz und Ruhm von den alten Tagen an den Häusern zu erkennen war. Sogar Kleingärten waren inmitten der eigentlich so historischen Anlage eingebaut und entfremden das Gelände von seiner eigentlichen Schönheit. Doch das Blatt wendete sich durch die Menschen, die auch heute noch die Kolonie Alexandrowka pflegen und teilweise sogar ihre Heimat nennen.

Am Anfang war nicht alles leicht

Thomas A. bewohnt zusammen mit seiner Partnerin eines dieser historischen Holzhäuschen, das er seit 2002 sein Eigenen nennen darf. Zuvor gehörten die Häuser noch der Stadt Potsdam und wurden durch sie vermietet. Ab etwa den 2000er Jahren wurden den damaligen Bewohnern, die Häuser, in denen sie zur Miete wohnten, zum Kauf angeboten. Manche Objekte wechselten auch durch ein Bieterverfahren den Besitzer.

Im Garten von Thomas A. Foto: kb

Bei einem solchen Verfahren erhielt Thomas A. den Zuschlag für sein heutiges Haus, das eine Wohnfläche von etwa 130 m² hat. Allerdings war die Immobilie nur noch zur Hälfte bewohnbar. Die andere Hälfte war eingefallen und hatte ein undichtes Dach. „Der Kaufpreis machte letztendlich nur ein Drittel von dem aus, was im Laufe der Zeit für die Restaurierung und den Wiederaufbau ausgegeben werden musste“, erklärt Thomas A. im Gespräch mit dem POTSDAMER. „Allgemein sei man bei so einem Objekt mit etwa einer halben Million Euro im realistischen Rahmen“, fügt er hinzu. Dazu kommen zahlreiche Auflagen, die wegen des Denkmalschutzes zu beachten sind. Im Fall der Alexandrowka betrifft das nicht nur einzelne Bestandteile, sondern das komplette Objekt von innen mit seinen Räumlichkeiten, von außen an der Fassade und dem Dach sowie dem gesamten Gelände mit Garten. Selbst für die Rahmen der Fenster gibt es genaue Vorgaben, wie und aus welchem Material diese gebaut werden müssen. So musste Thomas A. seine Fenster zweimal bearbeiten, weil sich die Vorgaben der Denkmalschutzbehörde änderten.

Eine Oase mitten in der Stadt

Es sei manchmal ein kleiner Kampf um Genehmigungen gewesen. Trotzdem zieht Thomas A. nach knapp zwei Jahrzehnten ein positives Resümee: „Es ist toll hier, mitten in der Stadt in so einer Oase zu wohnen, zwar nicht immer ruhig aber immer mit einem weiten Blick ins Grüne“, sagt Thomas A. mit einem Lächeln im Gesicht. Der Ärger und der Stress aus den Jahren 2002 und 2003 wird durch das Wohnen und Leben in diesem historischen Umfeld entschädigt. Heute genießt Thomas A. eine Art Landleben mitten in Potsdam. Von einer eigenen Obst- und Gemüsezucht bis zum Hacken von Holz für den heimischen Ofen sei es für ihn fast wie ein Leben in einem Dorf.

Haus Nr. 8 – Eines der heutigen Wohnhäuser. Nach dem Kauf in der Phase der Restaurierung (um 2002) Foto: Dr. Hermann Kremer

Haus Nr. 8 – Eines der heutigen Wohnhäuser. Nach dem Kauf in der Phase der Restaurierung (um 2002) Foto: Dr. Hermann Kremer

Die nachbarschaftliche Gemeinschaft beschreibt Thomas A. als „Nähe mit Abstand“. Man kenne und grüße sich, trotzdem gibt es relativ wenig direkten Kontakt zu den anderen Bewohnern der Kolonie. Er sehe es als Privileg, in dieser historischen Kolonie leben zu dürfen. Zwar habe er keinen Bezug zur russischen Kultur, finde aber, dass man in dem Haus ohnehin viel preußische Architektur sehen kann. Immerhin seien bei der Restaurierung des Hauses viele kleine Details zutage gefördert worden, die zeigen, wie preußisch die „russische“ Kolonie eigentlich ist. Denkt man nur an die Fachwerkkonstruktion des Hauses, die nicht gerade typisch russisch ist.
Das Idyll wird aber in regelmäßigen Abständen durch neue kleinere Sanierungen durchbrochen, die am Haus notwendig werden. Mit der umfangreichen Restaurierung in den ersten Jahren war es noch lange nicht getan. Immer wieder finden sich kleinere Mängel, die behoben werden müssen. „Man muss immer am Ball bleiben mit so einem Denkmal“, beschreibt Thomas A. das Leben im historischen Holzhaus.

Ferien im Dorf

Wie schon die ursprünglichen Bewohner der Kolonie Alexandrowka, vermietet Thomas A. auf seinem Grundstück direkt neben dem Haus einen kleinen und sehr liebevoll umgebauten Stall als Ferienwohnung, die von zwei bis vier Personen bewohnt werden kann. Somit wird hier das historische Erbe der ursprünglichen Bewohner der Kolonie weiter gelebt. Wir erinnern uns – zur Zeiten der russischen ‚Sänger-Soldaten‘ vermieteten diese auch Teile ihres Hauses an Frischluft-Willige Berliner, die dem Lärm und dem Gestank der großen Metropole entfliehen wollten.
Betritt man das Grundstück von Thomas A. wird es plötzlich still. Es ergreift einen das Gefühl, direkt in einem Dorf zu sein. Zwischen dem eigentlichen Haus und der kleinen Ferienwohnung befindet sich ein gepflasterter Hof, der nach nur wenigen Metern in den Garten führt. Das Haus selbst ist umringt von zahlreichen Pflanzen und einigen Bäumen im Garten, die sich auf der weiten Rasenfläche verteilen. Von hier kann man auch die anderen Häuser der Kolonie sehen. Doch der Schein, dass es sich hierbei um einen großen Garten handelt, trügt. Nur wenige Meter Rasenfläche gehören zum Haus. Dahinter folgt eine kleine lose Abgrenzung mit wenigen in einer Linie gepflanzten Bäumen, die wiederum dahinter in eine Rasenfläche münden. Diese Fläche gehört der Stadt Potsdam und wird durch jene auch bewirtschaftet und verwaltet. Allerdings leben die Bewohner der Kolonie im gärtnerischen Einklang mit der Stadt, so dass zu Fuß begangene Überschreitungen der Grundstücksgrenzen kein Problem sind.

In diesem Haus befindet sich heute das Museum Alexandrowka.

In diesem Haus befindet sich heute das Museum. Foto: kb

Das Museum im Dorf

Eher zufällig fand zu Beginn der 2000er Jahren der aus Nordrhein-Westfalen stammende Hermann Kremer zur Kolonie Alexandrowka. Bei einer Reise durch Potsdam war er verwundert, warum sich mitten in der Stadt ein kleines Dorf aus hölzernen russischen Häusern befindet. Durch Zufall entdeckte er einen Aushang an einem der Häuser, welcher das Haus zum Verkauf anbot. Und so geschah es, dass Hermann Kremer ebenfalls im Bieterverfahren 2002 den Zuschlag für das Haus Nr. 8 erhielt. Schnell kam ihm die Idee, das Haus anders zu nutzen als nur darin zu wohnen. Eine Art Café sollte es werden. Doch das stellte sich als schwieriger heraus als zunächst geplant. So vermietet Kremer zuerst das Haus an private Nutzer. Auch im Fall von Kremer war das Haus zum Zeitpunkt des Kaufes in einem schlechten Zustand. Unter Einhaltung des geltenden Denkmalschutzes musste zuvor das Haus also wieder aufgebaut werden.

Haus Nr. 2 – Während der Restaurierung. Heute ist hier das Museum (um 2002)  Foto: Dr. Hermann Kremer

Haus Nr. 2 – Während der Restaurierung. Heute ist hier das Museum (um 2002) Foto: Dr. Hermann Kremer

Seine Idee, die Kolonie Alexandrowka auch anderweitig als nur zum Wohnen zu nutzen, gewann wieder an Aufschwung als relativ zeitnahe auch das Haus Nr. 2 zum Kauf angeboten wurde, das früher von einer Familie in fünfter Generation bewohnt wurde. Da die Grundfläche des Objektes größer ist und sich somit gut für ein Café und Ähnliches eignete, beschloss Kremer, sich für die Ausschreibung zu bewerben und erhielt kurz darauf den Zuschlag der Stadt. Auch hier musste eine denkmalgerechte Restaurierung erfolgen, die in ihrer Bauzeit bis zur kompletten Fertigstellung etwa drei Jahre in Anspruch genommen hat. Studenten der TU-Berlin wirkten an der Rekonstruktion des Hauses mit, indem sie das Gebäude ein ganzes Jahr wissenschaftlich untersuchten. Das Ergebnis waren sieben Bände voller historischer und architektonischer Erkenntnisse. Im Jahr 2005 konnte das Museum sowie das Gartencafé im Haus Nr. 2 für die Besucher öffnen.
Kremers Ziel ist es, die historische Bedeutung der Kolonie Alexandrowka zu erhalten und zu sichern. Daher war er auch an der Gründung der ‚Potsdam-Stiftung‘ beteiligt, die heute das Museum verwaltet. Im Haus können sich heute Interessierte über die Geschichte der Kolonie und die damit verbundenen Persönlichkeiten informieren. Zahlreiche Informationstafeln und Modelle der Kolonie und der Häuser sind im Inneren zu finden.
Im Garten befindet sich das Café, in welchem bis zu 40 Gäste Platz finden, um bei einer Tasse Kaffee die Atmosphäre, die von diesem russisch-preußischen Bauwerk ausgeht, zu genießen.
Menschen mit viel Energie und dem Willen, diese historische Anlage zu erhalten, tragen heute unter anderem dazu bei, dass die Kolonie wieder lebendig und so geworden ist, wie wir sie heute kennen und schätzen.

kb