Auch die Politik soll ihre Position darstellen können

Kaum ein Thema wurde vom POTSDAMER so oft aufgegriffen wie die Bebauung auf der Nedlitzinsel in Neu Fahrland. Und diejenigen unter Ihnen, die dieses Thema interessiert verfolgt haben, haben bemerkt, dass immer wieder Fakten geschaffen wurden, die eine Bebauungsdichte ermöglichen soll(te), die weit über der lag, die die Stadtverordneten 2014 beschlossen hatten.
Da nun in der Februar-Ausgabe des Potsdamer die Positionen des Neu Fahrländer Ortsbeirates und der Bürgerinitiative „Rettet die nedlitzinsel“ ausführlich dargestellt wurden, sei es nun auch den Stattverordneten Saskia Hüneke (Bündnis 90/Die Grünen) und Pete Heuer (SPD) gestattet, zu erklären, warum sie dem neuen Bebauungsentwurf zugestimmt haben.
Um dem Leser eine Bewertung der nicht einfach zu folgenden Thematik zu ermöglichen, sind einzelne Textstellen mit Ziffern versehen, zu denen im „Faktencheck“ am Endedes textes Kommentare und Richtigstellungen zu finden sind.

Doch zuerst lesen Sie bitte die Stellungnahme von Frau Hüneke und Herrn Heuer:
„Ausführlich wurden in der vorletzten Ausgabe der Zeitschrift „POTSDAMER“ die Positionen von Carmen Klockow, Dirk Kummer und Wilhelm Wilderink zur westlichen Insel-Neufahrland und zu Krampnitz referiert. Durch die Vernachlässigung wesentlicher Fakten und Rahmenbedingungen wird der Eindruck unredlichen Agierens erweckt und werden wahlweise die ProPotsdam, die Stadtverwaltung und in besonderer Weise die Stadtfraktionen SPD und Bündnis90/Die Grünen, namentlich Pete Heuer und Saskia Hüneke, angegriffen. Dagegen verwahren wir uns ausdrücklich und fordern auf, zu einem sachlichen politischen Diskurs zurückzukehren. Damit sich die Bewohner und Bewohnerinnen in Neu Fahrland ihr eigenes Bild machen können, reagieren wir hier.
Da im Text die Planungen für Krampnitz und die Insel-Planung in dem Sinne, dass Potsdam „sein Tafelsilber verscherbelt“ zusammen betrachtet werden, soll zu beiden Vorhaben informiert werden.

Zunächst kurz zu Krampnitz: Das Gelände gehörte dem Land Brandenburg und wurde von diesem veräußert. Im Ergebnis hat letztlich die Deutsche Wohnen einen Teil erworben, der weitaus größere Teil ist städtisch, ein Glücksfall für Potsdam. Die Stadtverordneten haben ein Entwicklungsgebiet beschlossen, um das Gelände überhaupt und als Ganzes voranzubringen und dazu einen Entwicklungsträger gegründet, der dem städtischen Unternehmensverbund der ProPotsdam angegliedert worden ist. Dass die ProPotsdam hier mit der Deutschen Wohnen agiert, kann man eine „gemeinsame Strategie“ nennen, es ist aber Teil des Auftrages der ProPotsdam, der auf Beschlüssen der SVV, des Aufsichtsrates und dem Ergebnis eines breit diskutierten städtebaulichen Wettbewerbs beruht.
Es geht hier zum geringsten Teil um unberührte Natur sondern um die aufwendige Sanierung der denkmalgeschützten Kasernen, die ebenso aufwendige Dekontaminierung des Bereiches nach jahrzehntelanger militärischer Nutzung und dennoch die Ermöglichung eines in sich tragfähigen und sozial diversen Wohngebietes.
Die Größenordnung von 10 .000 Menschen wird angestrebt, weil das Viertel so zum Teil in sich funktionieren kann und dadurch etliche Wege im Viertel bleiben, während bei geringerer Wohndichte, dann aber ohne Schule, ohne Kita, ohne Tram etc., alle täglichen Wege in die Umgebung ausstrahlen würden. Man kann in der Sache unterschiedlicher Meinung sein und wir sagen nicht, dass das alles unkompliziert ist, offene Fragen wie etwa zur klimaverträglichen Energieversorgung müssen beantwortet werden, für diffuse Verdächtigungen sehen wir aber keine Grundlage.

Zur Nedlitzer Insel, neuerdings Insel Neu Fahrland: Das Gebiet westlich der Tschudistraße (B2) war ein Gewerbegebiet mit Barackenbestand. (1*). Die Insel liegt malerisch in der Landschaft, war selbst aber (abgesehen vom angrenzenden Naturschutzgebiet am nordwestlichen Ufer) nicht landschaftlich geprägt (2*). Als potentielles Baugebiet ist es ausgehend von der Treuhand nach 1990 durch verschiedene Hände gegangen, die Stadt Potsdam bzw. die ProPotsdam waren als Grundstückseigentümer nicht involviert.
Anders als wiederholt behauptet ist Quarterback-Immobilien Mehrheitseigentümerin, die Deutsche Wohnen hier mit einem Anteil von 40 % beteiligt (3*). Vor der Wahl 2019 war die Bebauungskonzeption der Insel ein wichtiges Thema, lagen doch damals massive Bauabsichten von Robex-Immobilien vor, die dem Ziel einer angemessenen und qualitätsvollen Bebauung widersprachen. Nach dem gemeinsamen Beschlussantrag von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen von 2019 (19/SVV/0520) wurde der Oberbürgermeister beauftragt, den damaligen Vorentwurf zum Bebauungsplan Nr. 143 „unter Berücksichtigung der grundlegenden Planungsziele des Aufstellungsbeschlusses (14/SVV/0251) zu überarbeiten“. Dabei wurden drei Aspekte benannt: die Bebauungsdichte, die Verkehrs- und Tram-Planung sowie das weitere Vorgehen. Wir werden im Folgenden belegen, dass der aktuelle Beschluss, anders als behauptet, diesen Zielen entspricht:
Zur Bebauungsdichte führen die folgenden Abschnitte in der Begründung (nicht im Beschlusstext) in die Situation von 2019 zurück: „So besagt z.B. der Aufstellungsbeschluss aus 2014 die Sicherung der im Flächennutzungsplan (FNP) dargestellten Dichtewerte der Bebauung (GFZ 0,2 – 0,5) zu, während im B-Planentwurf nunmehr GFZ von 1,2 bis 1,4 aufgeführt sind. Weiterhin sah der Aufstellungsbeschluss vor, dass sich die Dichte der Bebauung nicht an der Dichte der gegenüberliegenden Straßenseite orientieren solle, während sich im jetzt vorgelegten Entwurf ganz offensichtlich die städtebauliche Dichte doch an der gegenüberliegenden Straßenseite orientiert. Die Abweichungen sind insgesamt so erheblich, dass eine Überarbeitung und Befassung der Stadtverordneten mit den Vorstellungen der Verwaltung, des Investors und der Bewohner von Neu Fahrland zwingend erscheint.“
Nach unserem damaligen Verständnis standen demnach also Planungen mit einer GFZ 1,2 – 1,4 den Vorgaben im FNP mit einer GFZ 0,2 – 0,5 gegenüber, was ein Mehrfaches bedeutet hätte. Heute wissen wir, dass wir damit Zahlen verglichen haben, denen ganz unterschiedliche Bezugsflächen (Bauflächen des FNP versus Baugebiete des B-Plans) zugrunde lagen. Außerdem blieb eine Unklarheit aus dem Aufstellungsbeschluss von 2014 unbemerkt. Dieser hatte sich wie erwähnt auf den FNP bezogen, dabei aber dessen Angabe zur höheren Dichte mit einer GFZ 0,5 – 0,8 für die Teilfläche an der Tschudistraße vernachlässigt. Dennoch war die Erkenntnis richtig, dass die Robex-Planung insgesamt eine zu große Baumasse zugelassen hätte.
Der SVV-Beschluss vom 26. Januar 2022 ermöglicht nun im westlichen Bereich eine Wohnbebauung in einer GFZ 0,7 und westlich entlang der Tschudistraße eine Mischnutzung mit einer GFZ 0,65 (entsprechend FNP ohne Tiefgarage). Bezogen auf den gesamten westlichen Inselbereich ergibt sich eine GFZ 0,67. Wenn man also allein von den Zahlen ausgeht, die die Bebauungsdichte beschreiben, bedeutet die Planung heute eine maßvolle Erhöhung gegenüber den Angaben im FNP, auf keinen Fall aber eine „maximale, gewinnorientierte Verwertung des Areals“. Das gilt auch, wenn man für die Quarterback-Investition eine GFZ 0,78 feststellt, da sich diese nur auf Teilflächen bezieht, also mit den anderen Zahlen nicht vergleichbar ist. Von der Diskussionsgrundlage 2019, in der wir eine beabsichtigte GFZ 1,2 – 1,4 befürchtet hatten, ist das alles weit entfernt.
Letztlich ist dieses Zahlenkaleidoskop aber nur begrenzt aussagekräftig, denn man kann gute Qualität in der Stadtentwicklung nicht errechnen (4*). Diese liegt in dem in und nach der Werkstatt von 2021 entwickelten städtebaulichen Ergebnis (vgl. dazu Abbildung 1):
Grundlage dafür bildete das städtebauliche Gutachterverfahren von 2015, dessen Siegerentwurf des Büros SMAG seinerzeit von Dr. Klockow unterstützt worden war (5*). Er hatte zwar eine zu hohe Baudichte zum Ergebnis, schuf aber als wichtiges Element einen Grünkeil, der gegenüber den Robinsonbucht in das Gebiet hineinführt. Die neuen Planungen nehmen diesen auf, sichern ihn als öffentliche Grünfläche sowie einen Uferweg unter Abzug des leider inzwischen anders entwickelten Gebietes vom Fährgut, der Weg führt dann also zur Tschudistraße zurück. Im Gebiet sind außerdem Privatgärten, aber auch weitere Durchwegungen vorgesehen. Die Bauten werden so versetzt, dass sich diverse Durchblicke ergeben. An der Tschudistraße soll die Bebauung den westlichen Wohnbereich vor dem Straßenlärm schützen, folgt damit der Logik des FNP. Maßgeblich sind die neuen, sehr diversen Gebäudehöhen im gesamten Gebiet, die man auf der Zeichnung erkennen kann: Zwei-, Drei- und Vier-Geschosser sind deutlich durch Staffelungen abgestuft, das Eckgebäude an der Westspitze erhält nur noch eine geringen Teilfläche mit fünf Geschossen. Durch all das ergibt sich eine lebendige und keineswegs „massive“ und „blockhafte“ Bebauung. In Verbindung mit den architektonischen Ansätzen, dem Material etc. ist hier eine gemäßigte, qualitätsvolle Entwicklung zu erwarten, die sich eindeutig „nicht an der Dichte der gegenüberliegenden Straßenseite“ (deren GFZ bei nahezu 1 liegt) orientiert.
Im Beschluss von 2019 sollten weiterhin “die Regelungen für den Verkehr sowie die Tramerweiterung nach Norden“ berücksichtigt werden. In der neuen Planung wurde im Ergebnis der Werkstatt die Tschudi-Straße aufgeweitet, so dass dort Tram und Straßenbäume eine Chance haben und der Blick auf das Fährgut frei bleibt, die innere Erschließung ist ebenfalls geregelt worden. Interessanterweise berufen sich die Kritiker hier nicht auf den Beschluss von 2019, offenbar ist das der beide Entwicklungsvorhaben verbindende Knackpunkt:.
Vielfach wird die Sorge artikuliert, dass mehr Wohnungen automatisch mehr Autos auf die Straße bringen und dadurch die Überlastung auf der B2 zunimmt. Dieses ausschließlich vom PKW ausgehende Denken haben wir längst erweitert: so werden Tramlinie und Radweg entstehen, in Krampnitz nur ein halber Parkplatz pro Wohnung zugelassen sein, und auf der westlichen Insel Neu Fahrland die neue Stellplatzsatzung im Sinne des Umweltverbundes zur Anwendung kommen. Mit dem STEK Verkehr verfolgen wir das Ziel, die Aufteilung der einzelnen Verkehrsträger durch Angebote prozentual zugunsten des Umweltverbundes zu entwickeln. Dies ist der beste Weg zur Entlastung der Straßenräume, auch für den dann verbleibenden Autoverkehr. Mehr Straßen wie die erneut vom Ortsbeirat vorgeschlagene Nordumfahrung (6*), bei der der Landschaftsschutz dann plötzlich keine Rolle spielt, würden genau das Gegenteil bewirken. Es bleibt uns unverständlich, warum sich aus Neu Fahrland Stimmen vernehmen lassen, die sich gegen eine Tram-Erschließung richten, würden doch alle von dieser verbesserten Anbindung profitieren. Und schließlich wurde 2019 beschlossen, dass „Abweichungen vom Aufstellungsbeschluss ausführlich begründet werden“. Das heißt: Abweichungen waren nicht ausgeschlossen, es war klar, dass es weitere Planungsphasen geben würde, diese aber dem Anliegen des Beschlusses folgen müssten. Die Planungswerkstatt von 2021 hat genau dieses angeboten. Der Behauptung, sie wäre unfair abgelaufen, muss widersprochen werden. Von Seiten der Verwaltung, des Investors und des Gestaltungsrates kamen ebenso unterschiedliche Beiträge wie von den Stadtverordneten. Es ging um einen inhaltlichen Diskurs, in dessen Ergebnis die Planung – wie oben beschrieben – qualifiziert wurde. Im Stadtverordnetenbeschluss wurde die Dichte dann noch weiter abgesenkt. So war es nur logisch, der Extremposition des Ortsbeirates nicht zu folgen. Anders als behauptet, ist dies aber keine Abkehr von den Positionen von 2019, kein „Kniefall“ vor den Investoren, sondern die städtebaulich schlüssige Fortsetzung des damaligen Diskurses.
Gerne wird auch das Angebot von sechs preisgedämpften Wohnungen lächerlich gemacht. In Potsdam gibt es das sog. „Baulandmodell“: wird ein Baugebiet entwickelt, müssen sich die Investoren an Gemeinkosten beteiligen, dazu gehören hier u.a. die Anlage der öffentlichen Grünfläche und die Errichtung einer Kita. Die erwähnten Wohnungen wurden zusätzlich zugesagt, unabhängig davon, was das Baulandmodell ergibt.
Aus all diesen guten Gründen können wir die Verweigerungshaltung von Frau Dr. Klockow (7*), der sich der Ortsbeirat bedauerlicherweise angeschlossen hat, nicht teilen. Aus denselben Gründen können wir auch die von ihr permanent vorgebrachten Vorwürfe, SPD und Bündnis 90/Die Grünen würden ihre Zusagen nicht einhalten, abweisen.“

S. Hüneke

Faktencheck:

*1 Zur Geschichte der „Baracken“ geht aus den Planungsunterlagen für den ersten städtebaulichen Wettbewerb, 1995, hervor, dass das Gebiet zum Fährgut Nedlitz gehörte und sich hier der Garten befand.
*2 Laut gültigem Landschaftsplan der LHP von 2012 sollte sich die Insel „… in das Gesamtkonzept der Potsdamer Gartenlandschaft einbinden“ (vgl. Seite 94).
*3 Die Deutsche Wohnen hält 40 Prozent der Quarterback Immobilien AG und noch einmal über 25 Prozent über eine 100ige Tochter, die Larry II Targetco GmbH (Berlin). Dies veröffentlichte der Vorstandsvorsitzende der Quarterback Immobilien AG, Tarik Wolf, am 14.08.2020. Somit hält die Deutsche Wohnen insgesamt mehr als 65 % an der Quarterback Immobilien AG.
*4 Bei der Erstellung eines B-Plans geht es zunächst um Quantität, also auch um die Bebauungsdichte. Erst wenn diese festgelegt ist, kann man sich mit der „städtebaulichen Qualität“ beschäftigen. Eine geringe Bebauungsdichte muss nicht mit einer niedrigen Qualität der Stadtentwicklung einhergehen.
*5 Frau Dr. Klockow war als Gast beim Gutachterverfahren eingeladen, durfte aber nur bei wenigen Sitzungen anwesend sein. Bei den Klausurberatungen, die nicht öffentlich stattfanden, war Frau Dr. Klockow nicht anwesend. Protokollnotizen, die missverständlichen Inhaltes sind, konnte sie nachträglich nicht richtigstellen.
6* die Nordumfahrung war bereits im Beschluss des B-Plans 143 vom 7.5.2014 enthalten. Zitat: „…der Beschluss wird weiterhin unter der Maßgabe gefasst, die Möglichkeiten einer Nordumfahrung zu prüfen“. Diese umfängliche Prüfung hat jedoch nie stattgefunden.
7* Die Ortsbeiratssitzungen fanden öffentlich statt und werden i.d.R. von viele Bürgern besucht. Die Meinungen der Bürger zu hören, ist dem Ortsbeirat wichtig, denn er ist von den Bürgern gewählt und vertritt deren Interessen. Der Ortsbeirat hat sich dem Votum der Bürger und nicht dem der Ortsvorsteherin angeschlossen.