Von einem, der auszog und die Berge erklomm

Sie kennen den Pfingstberg, den Brauhausberg oder den Telegrafenberg in Potsdam? Schön. Und kennen Sie auch die anderen mehr als 70 Berge in Potsdam? Wann waren Sie das letzte Mal auf dem Babelsberg und seinem nördlichen Hangabschnitt, der Kanonenberg genannt wird? Kennen Sie die schöne Aussicht von Potsdams höchstem Berg, dem Kleinen Ravensberg, der mit seinen stolzen 116 Metern alle anderen Berge in Potsdam überragt? Zugegeben, das ist nicht weiter schwer, denn einige „Berge“ sind wohl eher „leichte Erhebungen“ oder „Bodenwellen“, wie sie Wolfgang Mörtl, der Autor des Buches „Bergführer Potsdam“, nennt.
Im Februar dieses Jahres erschien die zweite Auflage des Ende März 2021 erstmals erschienen Buches, in dem Mörtl 75 Orte in Potsdam beschreibt, die die Zusatzbezeichnung „Berg“ tragen.
„Ich habe versucht, in dem Buch alle mir bekannten und auch so benannten ‚Berge‘ innerhalb der heutigen Potsdamer Stadtgrenzen zu finden und zu beschreiben. Dabei habe ich bei drei Bergen eine Ausnahme gemacht: beim Großen Ravensberg, dem Großen Entenfängerberg und dem Böttcherberg. Alle drei fußen in Potsdam, ihr Gipfel allerdings befindet sich außerhalb der Stadtgrenze Potsdams. Weil aber viele Potsdamer diese Berge gedanklich eingemeindet haben, habe ich sie mit aufgenommen. Zusätzlich werden ein verschwundener Berg (Mühlenberg in Golm), ein erfundener Berg (Tempelberg), zwei angebliche Berge (Winzerberg und Kanonenberg), ein vergessener Berg (Mühlenberg in Fahrland), ein Phantomberg (Hinzenberg), ein unsichtbarer Berg (Eisberg) und ein zukünftiger Berg (Deponie in Golm, für die noch ein Bergname gesucht wird) beschrieben. Dabei habe ich nicht zwischen natürlich entstandenen und künstlich aufgeschütteten Hügeln unterschieden“, erzählt Mörtl im Gespräch mit dem POTSDAMER.

Wolfgang Mörtl mit der zweiten Auflage seines Buches "Potsdam. Ein Bergführer"

Wolfgang Mörtl mit der zweiten Auflage seines Buches „Potsdam. Ein Bergführer“.
Foto: sts

Das Buch möchte Mörtl selbst nicht als Wanderführer verstehen, obwohl es wertvolle Tipps enthält, wie man am besten in wenigen Touren naheliegende Berge findet. Dazu wurde die Reihenfolge so gewählt, dass man die Erhebungen der Reihe nach abwandern kann. Die Entfernung zum jeweils nächsten Berg ist angegeben. Ebenso enthält das Buch für Wanderwillige die GPS-Koordinaten der Berggipfel sowie der sehenswertesten Objekte. Durch die Eingabe der Koordinaten in Google Maps auf einem Smartphone lassen sich die Ziele leicht finden. „Das Buch ist eher ein Berg-Beschreibungsführer“, sagt Mörtl. Was er damit meint? „Mein Buch soll nicht nur die einzelnen Berge Potsdams aufzählen. Ich habe versucht, möglichst viel über ihre Geschichte herauszufinden und das zu beschreiben, was man an Besonderheiten auf den Bergen oder in deren nächster Umgebung sieht.“ Dabei zitiert er Goethe: „„Man sieht nur, was man weiß.“ So sei es auch ihm ergangen. Nachdem er mehr über den Berg und seine Umgebung wusste, entdeckte er wesentlich mehr, als er sie ein weiteres Mal bestieg. „Man erkennt tatsächlich erst viele Details und Zusammenhänge, wenn man zuvor von ihnen gehört oder in diesem Fall von ihnen gelesen hat“, so Mörtl.

Vom Vortrag zum Buch

Schon während seiner Arbeitszeit an der Hochschule Zittau, an der er als Mathematiker tätig war, entdeckte er das Bergwandern für sich. Nachdem Mörtl 2015 in Rente ging und wieder sieben Tage in der Woche in Potsdam war, behielt er sein Hobby bei und entschied sich, Potsdams Berge zu entdecken. „Obwohl ich seit 50 Jahren in Potsdam wohne, kannte ich nur sehr wenige Berge. Erst durch meine Recherchen stellte ich fest, über wie viele ‚Berge‘ Potsdam überhaupt verfügt“, erzählt Mörtl.

Schnell wurde der Potsdamer Bergwanderer Mörtl in und um Potsdam bekannt. Über den Marquardter Ortschronisten Dr. Grittner, mit dem er zusammenarbeitete, kam die erste Interviewanfrage einer Potsdamer Zeitung. Es folgten Anfragen für Vorträge unterschiedlicher Vereine, darunter die Sektion Potsdam des Deutschen Alpenvereins e.V.
Sehr häufig hörte Mörtl nach seinen Vorträgen den Satz: „Von dem, was Sie da berichtet haben, war mir vieles überhaupt nicht bekannt.“
„Bei dieser sehr akribischen Arbeit hat mir sicherlich der Mathematiker in mir mit seinem Hang zum Perfektionismus geholfen“, schmunzelt Mörtl.
Was aus einer freizeitlichen Neugier heraus entstand, entwickelte sich mehr und mehr zu einem Gesamtkonzept, an dessen Ergebnisse immer mehr Interesse fanden. Wiederholt wurde er von den Zuhörern seiner Vorträge aufgefordert, seine Aufzeichnungen in Form eines Buches zusammenzufassen und somit einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren. Dieses zuvor nicht erahnte Interesse anderer war es dann schließlich, das Mörtl 2017 dazu motivierte, das Buchprojekt in Angriff zu nehmen.
Die ersten Kontakte zu Verlagen waren weniger erfolgreich, weil man ein zu geringes Interesse an dem Thema vermutete. Der Berliner BeBra Verlag sah das anders und begann die Zusammenarbeit im August 2019. Im März 2021 erschien dann die erste Auflage des 192-seitigen Buches „Bergführer Potsdam – Die schönsten Spaziergänge zu den 75 Gipfeln der Stadt“.

Wegen der reizvollen Lage und der schönen Aussicht entschied sich Friedrich der Große, auf dem „Wüsten Berg“ bei Potsdam ein Lustschloss zu erbauen. Durch die Kolonnaden des Ehrenhofes erblickt man den Ruinenberg.

Wegen der reizvollen Lage und der schönen Aussicht entschied sich Friedrich der Große, auf dem „Wüsten Berg“ bei Potsdam ein Lustschloss zu erbauen. Durch die Kolonnaden des Ehrenhofes erblickt man den Ruinenberg.
Foto: SPSG Berlin-Brandenburg

Schon nach zehn Monaten war die erste Auflage vergriffen. Im Februar dieses Jahres erschien nun die zweite Auflage, in die kleinere Korrekturen einflossen. „Ich freue mich immer sehr über Rückmeldungen in Form von Ergänzungen, Korrekturen oder sonstigen Hinweisen. Am günstigsten sendet man mir diese per E-Mail an WolfgangMoertl@web.de. Nur so kann das Buch immer vollständiger werden. Trotzdem gibt es einige Fragen, die noch unbeantwortet sind. Auch darauf weise ich in dem Buch hin“, so Mörtl.
Die Arbeit Mörtls hat sich mehr als gelohnt. Das Buch gewährt einem eine ganz neue Perspektive auf Potsdam und ist daher sehr empfehlenswert – nicht nur für Wanderfreunde, sondern für alle Potsdam-Liebhaber.

sts