Umweltministerium zeigt Handlungsbereitschaft
Über den Zustand des Sacrower Sees hat der POTSDAMER bereits mehrfach berichtet. Die extreme Belastung und Zerstörung dieses wertvollen Naturschutzgebietes durch die vielen Tausend Badegäste, die sich an heißen Sommerwochenenden um den gesamten See ihre Badestellen buchstäblich in die Uferzonen schneiden sind bekannt. Auch die immer drängendere Gefahr des Umkippens des Sees durch akuten Sauerstoffmangel in seinen Tiefenschichten und das exponentiell vermehrte Algenwachstum wird von den Fachleuten mit großer Sorge gesehen. Jetzt kommt eine weitere, schleichende und doch sehr deutlich zu erkennende Gefahr hinzu: der See trocknet aus!
Mit dem nur wenige Hundert Meter nördlich des Sacrower Sees gelegenen Groß Glienicker See und dem etwa anderthalb Kilometer weiter südlich gelegenen Heiligen See bilden diese zusammen eine Seenkette, die in einer eiszeitlichen Rinne liegt und über ein gemeinsames Grundwasser-Reservoir gespeist wird. Der Sacrower See und sein „Schiffgraben“ haben keinen natürlichen oberirdischen Zufluss und sind ausschließlich von diesem Grundwasserspiegel abhängig. Laut Messungen des Landesumweltamt (LfU) in der 25. KW dieses Jahres ist dieser Grundwassserleiter um bis zu 153 cm ggü. dem normalen Mittelwasserstand im Monat Juni gesunken.
Der Verbindungsgraben zum Groß Glienicker See ist seit Mitte der 1990er Jahre ausgetrocknet, und der schmale Schiffgraben, über den der Sacrower See einst direkt mit der Sacrower Lanke und der Havel verbunden war, ist schon seit Jahren zunehmend verschlammt und führt aufgrund des stark sinkenden Wasserspiegels selbst immer weniger Wasser.
Ökologische Probleme schon lange bekannt
Das Thema der drohenden Austrocknung ist dabei nicht wirklich neu. Unterdessen hat sich die Lage aber aufgrund der extrem trockenen Sommer letzten drei Jahre, mangelnder Niederschläge und rapider Verdunstung durch die Sonneneinstrahlung dramatisch zugespitzt. Doch während sich die zuständigen Fachbereiche der Landesministerien und der Potsdamer Verwaltung noch ein Bild von der komplexen Situation und dem Zustand der Seen machen, haben andere schon konkrete Lösungsansätze erarbeitet.
So stellte der ‚Beirat für Bürger in Sacrow‘ (BBfS) in Zusammenarbeit mit der AG „Umwelt & Natur“ der Bürgerinitiative ‚Schützt Potsdam‘ e.V. im März dieses Jahres bei einem Treffen mit Vertretern des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK), des Landesamts für Umwelt (LfU), der Stadt Potsdam, des Instituts für Binnenfischerei (IfB), der LandesForstBetriebe (LFB) und des Wasser- und Bodenverbandes Nauen (WBV Nauen) die dramatische Situation des Sacrower Sees und des Schiffgrabens vor, um diese von der Notwendigkeit eines schnellen und überlegten Handelns zu überzeugen.
„Unser Ziel ist es, die Verantwortlichen auf kommunaler und Landesebene dazu zu gewinnen, die konkret notwendigen Maßnahmen zur Rettung unserer Seen abzustimmen und schnellstmöglich umzusetzen“, sagen die Sprecher des Beirat für Bürger in Sacrow (BBfS), Dr. Franziska Freund und Achim Haid-Loh. „Wir brauchen unverzüglich ein wasserwirtschaftliches Gesamtkonzept für unsere nährstoffreichen Stillgewässer und einen Niedrigwasser-Managementplan, um die Renaturierung und Stabilisierung des aquatischen Biotopverbundes See, Schiffgraben und Sacrower Lanke zu garantieren – zuallererst aber Sofortmaßnahmen wie die Wiederinbetriebnahme der alten Tiefenwasser-Belüftungsanlage im Nordbecken des Sacrower Sees!“
Mit wenigen Maßnahmen große Wirkung erzielen
Das klingt zwar noch ziemlich theoretisch, doch die Vertreter der AG „Umwelt und Natur“ aus Sacrow präsentierten auch gleich mehrere Lösungsansätze, die Ihrer Meinung nach eine schnelle Verbesserung brächten und zeitnah umzusetzen seien:
•Eine erste einfache Lösung für den Sacrower See bietet sich an, indem in den Wintermonaten sauberes Wasser aus der Havel zugeführt wird und so das sog.“Verschlechterungsverbot“ gemäß der Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) sichergestellt werden kann.Dafür braucht es ein instandgesetztes, funktionsfähiges und regulierbares Staubauwerk. Diese einfache Maßnahme wurde von den Behörden seit Jahren verschleppt.
•die Beräumung und Entschlammung des Schiffgrabens
•die Erhöhung der Strömungsvitalität und der periodischen Passierbarkeit des aquatischen und amphibischen Lebensraums „Schiffgraben“ durch Verschlankung des Grabenprofils
•der Rückbau der verrotteten ehemaligen DDR-Grenzanlagen im Schiffgraben
•die Minimierung der Nährstoffbelastung im Sacrower See durch den Betrieb von Tiefenwasserbelüftungsanlagen, die sich z.T. bereits im See befinden
•die Wiederherstellung einer naturnahen und ökologischen Mündungssituation durch Maßnahmen, wie sie vom EU-Managementplan des MLUK für das FFH-Gebiet „Sacrower See und Königswald“ empfohlen werden
Haid-Loh wies nachdrücklich darauf hin, dass das langfristige Ziel die Stabilisierung des Grundwasserspiegels sein müsse. Das Gebot der Stunde sei jedoch die Realisierung eines vom MLUK in Aussicht gestellten „gemeinsamen Pilotprojektes“ zur Rettung von Sacrower See und Groß Glienicker See im Rahmen der Umsetzung des Niedrigwasser-Management-Konzeptes von Minister Vogel.
Dass die Untere Wasserbehörde der Landeshauptstadt die Zeichen der Zeit erkannt hat und die Entnahme aus Oberflächengewässern per Allgemeinverfügung ab sofort untersagt, zeigt, dass man sich dem Thema annähert. Dies seien zumindest Anzeichen dafür, dass auch die Verwaltung der Stadt Potsdam das Thema „Wassermangel“ aufgegriffen und den Handlungsbedarf erkannt hat“, sagen die Sprecherinnen der AG „Umwelt & Natur“, Dr. Anna Gätjen und Karen Heumann, und plädieren dringlichst dafür, die konstruktiven Vorschläge des ‚Beirat für Bürger in Sacrow‘ so schnell wie möglich in konkrete Planungsschritte und praktische Maßnahmen umzusetzen.
Stadt appelliert noch immer an Vernunft
Zeigte sich die Stadtverwaltung in den letzten Jahren noch als passiver Beobachter der geschilderten Zustände und nahm lieber die Stellung des Nicht-Zuständigen ein, zeigt sie sich in letzter Zeit immer offener, sich kreative Lösungsansätze anderer anzuhören.
Zeitgleich appelliert die Stadt allerdings weiterhin an „rücksichtsvolles Verhalten beim Baden und Wassersport in Potsdamer Gewässern“. Wie sich jedoch in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt hat, reicht dieser Appell nicht aus. Die fehlenden Kontrollen vor Ort machen viele für die schlimmen Zustände an den Seen mitverantwortlich.
sts