Ein Kommentar zum Verwaltungshandeln von Steve Schulz
Plötzlich waren überall in den Ortsteilen Mülleimer verschwunden. In Groß Glienicke fehlte sogar der auf einem Spielplatz, wo sich Kinder und Jugendliche regelmäßig treffen, spielen und toben. Die Einwohner wunderten sich, die Ortsbeiratsmitglieder taten dies auch und fragen in der Verwaltung nach. Prompt kam auch eine Antwort zurück:
„Im Rahmen des Vollzugs des Papierkorbkonzeptes wurden und werden „Altbestände“ in Grünflächen zur Zeit beseitigt. Hierbei handelt es sich um defekte Behälter bzw. nicht krähensichere oder zu kleine Behälter. Es ist geplant an einigen Standorten größere Behälter aufzustellen.
Zum Thema Abfallbehälter ist jedoch zu sagen, dass es sich bei der Bereitstellung von öffentlichen Behältern um eine freiwillige Aufgabe der Verwaltung handelt. Es stehen nur begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung. Den benannten Bereich werden wir regelmäßig prüfen und erforderliche Maßnahmen einleiten. Stehen keine Abfallbehälter zur Verfügung, muss der Abfall beim Verursacher verbleiben und darf nicht einfach achtlos weggeworfen werden“, heißt es ungefiltert vom Fachbereich Grün- und Verkehrsflächen, Bereich Infrastruktur- und Straßenverwaltung, Arbeitsgruppe Straßenreinigung/ Winterdienst. Und was heißt das jetzt?
Ich versuche mal, es zu übersetzen: Die Stadt ist pleite und entscheidet selbst, wo und wie sie sparen will. Papierkörbe scheinen der Stadtverwaltung eine sehr effiziente Maßnahme dafür zu sein. Und weil die Stadt auch nicht verpflichtet ist, Papierkörbe, Mülleimer oder andere Behältnisse zur Verfügung zu stellen, dürfen wir uns bei der Stadtverwaltung dafür bedanken, dass sie das überhaupt macht.
Schön auch, dass man die „benannten Bereiche regelmäßig prüfen und erforderliche Maßnahmen einleiten“ möchte. Das heißt jedoch nichts anderes, als dass man dafür Geld ausgibt. Ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung soll mit einem der Stadtverwaltung gehörenden Auto herumfahren (der ÖPNV eignet sich ja nicht so wirklich im Norden Potsdams dazu) und soll gucken, ob ausreichend Müll auf dem Boden liegt, um an der einen oder anderen Stelle einen Mülleimer aufzustellen – oder auch nicht. Vermutlich sind diese Überprüfungsfahrten um ein Vielfaches teurer als die Mülleimer selbst und ihre regelmäßige Leerung.
Man könnte auch bei den Ortsbeiräten nachfragen, ob ein gewisser Mülleimerbedarf besteht. Das ginge schnell und wäre nicht so kostenintensiv. Aber das hat man vorher auch nicht gemacht, weil die gesagt hätten, die Mülleimer sollten bleiben.
Ach ja, da war ja noch die Sache mit der Vernunft. „Der Abfall soll ja beim Verursacher bleiben und darf nicht achtlos weggeworfen werden…“
Was schreibt der Ortsvorsteher von Groß Glienicke, Winfried Sträter, noch in seinem Juni-Bericht zu diesem Thema?
„… Es ist eine Pest, dass an so vielen Stellen in den Wäldern, entlang von Wegen, an der Badewiese, im Umfeld von Sitzbänken Müll abgeworfen wird. Da wird Bauschutt in den Wald gekippt, alte Matratzen werden an den Wegrand gestellt, selbst Möbelreste, die man auch von der Stadtentsorgung STEP abholen lassen könnte. Das Umfeld der Glascontainer wird als Müllkippe missbraucht, Glasscherben gefährden Kinder am See und dem Waldspielplatz und und und…“
Und damit hat er recht. Sogar ein kompletter Wohnwagen, den man vor dem Südeingang der Waldsiedlung abgestellt hat, ist bis oben hin voller Müll. Das ist doch mal vernünftig. So kann der Müll nicht herumfliegen.
Ich finde es schön, wenn man an die Vernunft appelliert. Vernünftig ist das allerdings nicht immer – vor allem nicht, wenn man als Stadtverwaltung eine gewisse Verantwortung gegenüber allen Potsdamer*innen haben sollte. Oder ist das mit der Verantwortung auch nur freiwillig?
Das hätte ich fast vergessen: Nachdem einige Ortsvorsteher ihren Unmut über die Demontage der Mülleimer bei der Stadtverwaltung zum Ausdruck gebracht hatten, hieß es nur kurz in einem Protokollbericht dazu: „ … erste Mülleimer wurden schon wieder aufgestellt … “
Was der Grund für diese freiwillige Maßnahme war, werden wir wohl nie erfahren.
Das mit dem Müll ist aber noch nicht alles: In der „Allgemeinverfügung des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz zur Bestimmung der Badesaison für das Jahr 2020 im Land Brandenburg“ heißt es, dass das Ministerium (MSGIV) „ … als zuständige oberste Landesbehörde folgendes bestimmt: Der Beginn der Badesaison wird auf den 13. Juli 2020 verschoben. Die Badesaison endet mit dem Ablauf des 6. September 2020. Gemäß § 80 Absatz 2 Satz Nummer 4 der Verwaltungsgerichtsordnung wird die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse angeordnet …“
Normalerweise geht die Badesaison vom 15. Mai bis zum 15. September eines Jahres. So heißt es auch in der hier zitierten Allgemeinverfügung vom 09. April 2020.
Die Begründung des Ministeriums ist allerdings das eigentlich “Vernünftige“:
„Mit der SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung sind gegenwärtig Festlegungen getroffen, die auch über den gegenwärtigen Geltungsraum hinaus Bedingungen vor Ort erwarten lassen, die einem gewohnten Badebetrieb entgegenstehen. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass in dem Zeitraum vom 15. Mai bis zum 12. Juli 2020 eine große Zahl von Badenden an den Badegewässern nicht zu erwarten ist. Es wird von Seiten der obersten Landesbehörde eingeschätzt, dass ab Mitte Juli … wieder mit einer großen Zahl von Badenden zu rechnen ist. Die Badesaison wird dann auf einen Zeitraum von 8 Wochen befristet…“.
Wer schon vier bis sechs Wochen vorher, also ab Anfang Juni bei Temperaturen von 25 bis 32 Grad am Groß Glienicker oder am Sacrower See entlang gegangen ist, wird bemerkt haben, dass sehr wohl mit einer sehr großen Anzahl von Badenden zu rechnen ist, wenn an Wochenenden die Temperaturen so hoch sind.
Vor allem die Badenden am Sacrower See sind in den letzten Tagen mehr als „vernünftig“. Mit Schlauchbooten, Standuppaddling-Boards und Schwimminseln ziehen sie auf dem See ihre Bahnen. An dem Ufer um den See herum finden sich mehrere Hundert Badende, die sich in der Anonymität der Masse verstecken und die Missachtung des Naturschutzes damit rechtfertigen, dass sich ja auch die anderen nicht daran halten – und außerdem kontrolliert ja auch keiner…
Hundehalter erwiderten auf den Hinweis, dass es sich am Sacrower See um ein Naturschutzgebiet handele, als ihre freilaufende Hunde in dichten Schilfzonen brütende Schwäne und Kraniche aufschreckten, mit dem ganz „vernünftigen“ Argument: „Na und? Hunde sind doch auch Natur!“
Liebe Verwaltung: Seit Jahren erzählt Ihr uns, dass Potsdam eine Stadt sei, die Klimaschutz ernst nehme. Es gibt sogar in der Verwaltung eine „Koordinierungsstelle Klimaschutz“. Diese, so steht auf der Website der Stadt Potsdam „ … informiert über mögliche Maßnahmen, vernetzt die verschiedenen Partner, berät zu Fördermöglichkeiten, initiiert und organisiert Teilnahmen an Wettbewerben und Kampagnen. Weitere Projekte der Koordinierungsstelle sind die Umsetzung des Klimaschutzkonzepts 2010, die Aufstellung des Masterplans 100% Klimaschutz 2050, das CO2-Monitoring …“ Echt jetzt? Und einen Klimapreis 2020 schreibt die Stadt Potsdam auch noch aus? Wer hat denn hier den Bock zum Gärtner gemacht?
Klimaschutz ja, aber Naturschutz nein? Wer von Euch hat im Unterricht nicht aufgepasst? Wer das eine möchte, kann doch das andere nicht lassen!?!? Warum redet Ihr immer nur von CO2-Einsparungen und von „ambitionierten Zielen“ und tretet die Natur Potsdams derart mit Füßen?
Seit Jahren versprecht Ihr uns, dass am Sacrower See Schilder aufgestellt werden, die deutlich und unübersehbar auf die Verbote hinweisen. Dass es vermehrt Kontrollen vor Ort geben soll und Verstöße geahndet werden. Doch nichts von dem passiert. Von unklaren und zu prüfenden Zuständigkeiten wird gesprochen. Ich glaube, ich höre nicht richtig. Wer legt denn die Zuständigkeiten fest? Das macht doch Ihr.
Wer ist denn Euer Chef? Weiß der überhaupt, was in Potsdams Verwaltung so alles passiert? Oder eher nicht passiert?
Also wenn ich den mal treffe, dann sag ich ihm aber mal meine Meinung!
Steve Schulz