Das Institut für Binnenfischerei feiert gleich zwei Jubiläen in diesem Jahr

Das Institut für Binnenfischerei e.V. Potsdam-Sacrow (IfB) wurde 1992 als Einrichtung der praxisorientierten Fischereiforschung der Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt gegründet und feiert in diesem Jahr neben seinem 30-jährigen Bestehen auch 100 Jahre Fischereiforschung auf dem Jägerhof am Sacrower See. Aus diesem Anlass lädt das Institut am 24. September 2022 von 10:00 bis 15:00 Uhr alle Interessierten zu einem informativen und unterhaltsamen Tag der offenen Tür ein.

Der Jägerhof am Sacrower See ist seit 100 Jahren Wissenschaftsstandort.

Der Jägerhof am Sacrower See ist seit 100 Jahren Wissenschaftsstandort.

100 Jahre Forschung in Potsdam

Der Sacrower See und der Jägerhof wurden im Juli 1922 für die Preußische Landesanstalt für Fischerei in Berlin-Friedrichshagen gepachtet und gingen 1929 in den Besitz der Landesanstalt über.
Die Wahl auf den Sacrower See fiel dabei nicht zufällig. Der Sacrower See hat Eigenschaften, die viele Fragen für die Bewirtschaftung von Seen aufwerfen und daher allgemeingültig sind. Man hatte also für den Wissenschaftsstandort keinen See gesucht, der besonders günstige Bedingungen lieferte, sondern einen, der viele herausfordernde Eigenschaften mitbringt, um ein möglichst breites wissenschaftliches Forschungsspektrum abdecken zu können.
„Einfach kann jeder“, schmunzelt Dr. Uwe Brämick, Wissenschaftlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des IfB, im Gespräch mit dem POTSDAMER. „Uns geht es auch darum, herauszufinden, wie man unter erschwerten Bedingungen eine effiziente und ertragreiche Fischproduktion gewährleisten kann. Und dafür bietet der Sacrower See sehr gute Rahmenbedingungen.“

Der Jägerhof entwickelte sich seit 1922 zu einer Untersuchungs-, Experimentier- und Ausbildungseinrichtung für die fischereiliche Seenbewirtschaftung. Heute liefert das nach der Wende als eigenständige Institution neu gegründete IfB mit seiner anwendungsorientierten fischereilichen und fischökologischen Forschung in Binnengewässern praxisbezogene Erkenntnisse, die zu einer effizienten Erwerbs- und Angelfischerei, nachhaltigen Aquakultur sowie zu fachlich untermauerten fischereipolitischen Entscheidungen beitragen. Mit seiner Arbeit versteht sich das IfB als Bindeglied zwischen Grundlagenforschung und Praxis.

Dr. Uwe Brämick, Wissenschaftlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des IfB, am wohl schönsten Arbeitsplatz Potsdams

Dr. Uwe Brämick, Wissenschaftlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des IfB, am wohl schönsten Arbeitsplatz Potsdams.
Foto: sts

Forschung in Deutschland

Auch wenn wir in Deutschland nur weniger als 20 Prozent des Eigenbedarfs an Süßwasserfisch selbst fangen und produzieren, steigt die Gesamtmenge an in Deutschland verzehrtem Speisefisch kontinuierlich an. „Etwa 7.000 Tonnen Regenbogenforellen werden in Deutschland produziert, allerdings 80.000 Tonnen verzehrt“, sagt Brämick. Diese Mengen können verständlicher Weise nur in Aquakulturen produziert werden. Und damit zukünftig möglichst mehr der verzehrten Forellen aus deutscher Aquakultur und nicht aus Importen stammt, entwickelt unter anderem das Institut für Binnenfischerei am Sacrower See Techniken und Technologien für eine effiziente und gleichzeitig die Ressourcen und die Umwelt schonende Fischproduktion.
Die Bewirtschaftung und Hege von Fischbeständen und daraus erwachsende Wechselwirkungen mit der aquatischen Umwelt berühren aktuelle Diskussionen zur Zukunft. Dazu gehören die Auswirkungen von Klimaveränderungen, die Sicherung der Nahrungsmittelerzeugung, die Bereitstellung von Rohstoffen, Wahrung der genetischen Vielfalt sowie allgemeiner Umweltschutz. Dabei sind Fischbestände nachhaltig und im Einklang mit regionalen, nationalen sowie europaweiten Verordnungen und Richtlinien zu bewirtschaften. Übernutzungen und Schädigungen von Populationen und Gewässern gilt es zu verhindern. Weiterhin sollen Technologien für eine umweltschonende, kontrollierte Vermehrung und Aufzucht in der Aquakultur entwickelt und optimiert werden.

30 Jahre IfB

Mit der eng an praktischen Fragestellungen orientierten Forschung unterstützt das IfB die fischereiliche Praxis sowie fachpolitische Entscheidungsträger. Ebenso möchte das Institut Fischkonsumenten besser informieren und den Schutz der Umwelt vorantreiben.
Das IfB fokussiert sich bei seiner Arbeit auf die Hauptthemen Binnenfischerei, Fisch- und Gewässerökologie und Aquakulturen. Dabei soll die nachhaltige Nutzung wildlebender heimischer Fische gefördert, Auswirkungen von Wasserkraftanlagen, Schifffahrt, landwirtschaftliche Be- und Entwässerungen sowie Flächennutzungen, Wasserentnahmen und Abwassereinleitungen, Badebetrieb und Wassersport auf die Fischerei untersucht sowie wassersparende und emissionsarme Anlagentechnologien entwickelt werden.
Am 23.09. wird auf dem Jägerhof am Sacrower See eine interne Veranstaltung stattfinden, bei der Vertreter der Trägerländer zugegen sein werden. Ebenso werden ehemalige Mitarbeiter, Wegbereiter und Fachleute erwartet, die in den vergangenen 30 Jahren die Entwicklung des Instituts mitbegleitet und gefördert haben. Auch Verbände und Unternehmen sind eingeladen, die Entwicklung des Instituts und dessen wichtige und erfolgreiche Arbeit zu würdigen und sich gemeinsam über die Zukunft des Instituts, dessen wissenschaftliche Arbeit und die Entwicklung der Märkte auszutauschen.

Hinter den Kulissen

Am 24.09. präsentiert das Institut der interessierten Öffentlichkeit Teile seiner Arbeitsfelder. Neben einer kleinen historischen Übersicht der wissenschaftlichen Arbeit der letzten 100 Jahre auf dem Jägerhof erfahren die Besucher viel Wissenswertes rund um die Fischerei. So z.B. über den Aal, sein Wanderverhalten vom Atlantik bis in unsere Seen und seine Bestandssituation. Einblick kann auch genommen werden in die Möglichkeit der modernen Fischaufzucht, Untersuchungen zu Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf Fische und Aquakultur sowie verschiedene Fischfangmethoden.

Der „Sacrower Fischzug“ ist immer wieder ein Highlight für die Besucher.

Der „Sacrower Fischzug“ ist immer wieder ein Highlight für die Besucher.
Fotos: IfB

Der „Marktplatz des Wissens“ informiert über die tägliche Arbeit des Instituts sowie über verschiedenste Themen der Forschereiforschung. So erfährt man zum Beispiel, wie die wachsende Nachfrage nach regional und nachhaltig erzeugten Speisefischen auch die wissenschaftliche Arbeit des Instituts bestimmt.
Unter dem Mikroskop können verschiedenen Fischnährtiere angesehen werden, es wird erklärt, wie man das Alter von Fischen bestimmen kann, wie man frischen Fisch erkennt, und es wird demonstriert, wie man Fische fachgerecht filetiert und zerlegt. Ein Highlight ist sicherlich der „Sacrower Fischzug“, die praktische Präsentation einer Fischfangmethode mit dem Netz. Dabei erfährt man, welche Fischarten in See vorkommen, welche Anforderungen diese an ihren Lebensraum haben und wie diese in Deutschland verbreitet sind.
Aber auch über die Gefährdungsfaktoren des Sees erhalten die Besucher wichtige Informationen und somit die Möglichkeit, einen eigenen Beitrag zum Schutz des Sees zu leisten und andere dafür zu sensibilisieren.

Viel Wissenswertes wird am Tag der offenen Tür den interessierten Besuchern präsentiert.

Bedrohter See, bedrohte Natur

Brämick kennt die seit Jahrzehnten wachsende Belastung des Sees. Trotz der Tatsache, dass dieser in einem Naturschutzgebiet liegt, in dem Baden grundsätzlich nur an drei Stellen geduldet ist, billigt es die Stadtverwaltung, dass die Uferzonen in jedem Jahr von Tausenden badelustiger Besucher belagert werden und dabei die für den See und viele Tiere so wichtige Uferzone zerstört wird.
„Es wäre schön, wenn die Stadt hier für mehr Information und Kontrollen – vor allem in den Sommermonaten – sorgen würde“, wünscht sich der Institutsleiter Brämick.
Dabei ist er der Meinung, dass Verbotsschilder allein nicht helfen, sondern, dass Info-Tafeln für den notwendigen Wissens-Transfer besser geeignet sind, um ein
Bewusstsein für das richtige Verhalten bei den Besuchern des Sees zu wecken.
„Die wichtige Selbstreinigungskraft des Sees nimmt durch die Zerstörung der ohnehin schmalen Uferzone durch Menschen und frei herumlaufende Hunde immer weiter ab“, so Brämick. „Informationen über die Sensibilität der Natur und den notwendigen Schutz finden sich kaum am See. Ebenso wenig wie notwendige Kontrollen.“ Brämick wünscht sich auch eine stärkere multimediale Information zum Schutz des Sees, für die die Stadtverwaltung sorgen könnte.
„Wer den See erhalten möchte, muss ihn schützen“, meint Brämick. Doch diesen Ansatz erkenne er bei der Verwaltung leider nicht. Ebenso beschreibt Brämick den Austausch zwischen der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde Potsdams als „ausbaufähig“ und bedauert, dass es seitens der Stadt noch keine zuständigen Ansprechpartner für das Institut gibt und die Stadt aus seiner Sicht zu wenig Engagement für den Schutz der Natur zeigt.
Ganz anders sei die Zusammenarbeit mit der zuständigen Forst. Diese sei „beispielhaft“, so Brämick. Allein in dem letzten dreiviertel Jahr wurden von freiwilligen Helfern und Sponsoren unter Aufsicht des Revierförsters, Uwe Peschke, große Teile der Uferabsperrungen am Nordufer des Sees aufgestellt. Ziel ist es, diese in den kommenden Jahren um den gesamten See herum zu erneuern.
Der ökologische Zustand des Sees wird sich verschlechtern, wenn es die Stadt in Zukunft weiterhin versäumt, den See, seine Uferzonen und somit deren Tier- und Pflanzenwelt zu schützen, schließlich zählen der Sacrower See und der Königswald zu den ältesten Naturschutzgebieten Deutschlands.

sts