Zum 20-jährigen Jubiläum des Vereins für Landschaftspflege Potsdamer Kulturlandschaft e.V.

Hasenkopf, Goldparmäne, Kaiser Wilhelm – das sind alte Apfelsorten, die gerade auf der Streuobstwiese in Golm vom Baum fallen. Die Anwohner freuen sich über den zauberhaft gestalteten Übergang vom Wohngebiet in die wilde Natur. Entwickelt wurde dieses Kleinod vom Verein für Landschaftspflege Potsdamer Kulturlandschaft e. V. (LPV).


Vier- bis fünfmal im Jahr treffen sich die Mitglieder des Vereines und hecken neue Ideen aus. Rund 30 Menschen haben sich im Laufe der Zeit seit 1998 versammelt. Dabei sind namhafte Fachleute: zum Beispiel Landwirt Manfred Kleinert vom Obstgut Marquardt, Dieter Dörflinger von der Waldorfschule Werder oder Helmut Querhammer, Züchter der Galloway-Rinder in der Döberitzer Heide.

Jan Bornholdt, Landschaftsplaner und Apfelkenner

Was alle verbindet, ist das Bedürfnis, unsere besondere Kulturlandschaft zu bewahren, zu pflegen unter weiter zu entwickeln. Diese Landschaft ist geprägt vom Obstanbau, von den Ideen der Könige und ihrer Landschaftsgärtner, von alten Alleen und weiten Feldern. Zum 20-jährigen Jubiläum des Vereins ist es Zeit, einmal darzustellen was der Landschaftspflegeverein schon alles geschaffen hat und wofür er sich engagiert.

Alte Apfelsorte neben neuen Häusern
Aus diesem Anlass traf der POTSDAMER Jan Bornholdt, einen der stellvertretenden Vorsitzenden des Vereins (Landschaftsplaner im Hauptberuf) auf der Streuobstwiese in Golm, zwischen Meisenweg und Habichtweg. 2004 wurde diese Wiese als Ausgleichsmaßnahme für das angrenzende neue Wohngebiet angelegt. Der LPV übernahm die Planung, Anlage und Pflege der Wiese für zehn Jahre. Inzwischen ist es ein Herzensprojekt der Anwohner geworden. Einmal jährlich wird gemäht, die Bäume werden mit Unterstützung von Konstantin Schroth, zertifiziertem Obstgehölzpfleger und Streuobst-Pädagoge, fachgerecht geschnitten.
Auch mit Kindern wurde schon viel gemacht. „Kinder sind sehr aufgeschlossen und wissbegierig, wenn es um die Natur geht. Es macht großen Spaß, mit ihnen zu arbeiten und man bekommt ganz viel zurück.“ freut sich Jan Bornholdt. In einem Schulprojekt wurden Nistkästen gebaut und aufgehängt. 2017 baute eine Schulklasse der Ludwig-Renn-Schule mit Hilfe des Vereins und einer KfW-Förderung ein großes Insektenhotel. Diese Nist- und Überwinterungsplätze werden immer nötiger, denn in unserer aufgeräumten Welt finden sich kaum noch alte Remisen und Verschläge, die den Insekten als Unterschlupf dienen könnten.

Gutes tun und davon reden
Um den Brandenburgern die Arbeit des LPV bekannt zu machen, tritt der Verein immer wieder in der Öffentlichkeit auf und beteiligt sich an Diskussionen zur Entwicklung und Gestaltung des ländlichen Raums. Zuletzt konnte man den köstlichen Saft aus den Äpfeln der Streuobstwiesen auf dem Potsdamer Umweltfest selbst bereiten und kosten.
Im „Tulpenhaus“ in Satzkorn werden besonders schöne Äpfel von den Streuobstwiesen gekühlt gelagert, um sie im kommenden Frühjahr auf der Grünen Woche zu präsentieren.
Auf der Talkrunde zur Oberbürgermeisterwahl in Fahrland hielt Obstbauer Manfred Kleinert, Gründungsmitglied des Vereins, eine flammende Rede zur Bewahrung der Potsdamer Kulturlandschaft.

Viel erreicht in den Ortsteilen und Nachbargemeinden
Ein sehr aufwendiges Projekt war die Anlage der Streuobstwiese in Neu-Töplitz. Auf vier Hektar mussten 400 Altbäume (Kirschplantage) gerodet und 250 Hochstammbäume alter Sorten nachgepflanzt werden. Insgesamt wurde das Projekt mit 175.000 Euro finanziert, zu 80% vom Land Brandenburg und zu 20% aus dem Naturschutzfond als Eigenanteil des Vereins gefördert. Die Streuobstwiese hat sich durch die Umbau- und Pflegemaßnahmen zu einem regelrechten Hotspot der Diversität entwickelt. Nach fünf Jahren Entwicklung konnten dort rund 200 Pflanzen- und 50 Vogelarten nachgewiesen werden, von denen etliche auf der Roten Liste stehen (also bedroht sind). Eins der letzten Refugien in einer ansonsten von konventioneller Landwirtschaft geprägten, stukturlosen Landschaft.
Die Zweige der Weiden wurden früher regelmäßig für die Korbflechterei geerntet. Es entstanden Höhlungen, die von Fledermäusen und dem Steinkauz genutzt wurden. Die Weiden zwischen Krampnitz und Satzkorn wurden über 30 Jahre lang nicht mehr geschnitten. 2012 nahm sich der LPV der Sache an und beschnitt die 300 Bäume fachgerecht.


Obstbaumalleen bepflanzt der LPV nach historischem Vorbild neu und versucht, bestehende Allen zu erhalten. Es lohnt sich, beim Fahren oder Wandern durch unsere Landschaft mal genauer hin zu sehen. Zum Beispiel dort: Linden am Glienicker Weg in Kartzow, Birnbäume im Birnenweg in Satzkorn, Wildäpfel im Königsweg. Dahinter steckt eine spannende Geschichte: Die Wege in Richtung Döberitzer Heide wurden damals unter den ansässigen Regimentern aufgeteilt. Jedes Regiment hatte „seinen Weg“ hinein in das Militärgebiet. Der LPV möchte diese besondere Landschaftsgestaltung bewahren.
In diesem Sommer bekam der LPV den Auftrag, eine Zauneidechsenpopulation in Golm umzusiedeln. Es soll ein neues Baugebiet erschlossen werden. Die Echsen müssen „überlistet“ werden, um sie einzufangen. Dafür wird ein glatter Zaun um das Gebiet gespannt. Die Echsen laufen am Zaun entlang und landen in so genannten Barber-Fallen. Das sind ebenerdig eingegrabene Eimer. Zweimal täglich werden die Eimer von Anne Brandenburger kontrolliert und die gefangenen Echsen von ihr in das neue Gebiet gebracht. Jan Bornholdt ist allerdings etwas skeptisch. Ob sie sich dort neu ansiedeln, ist nicht sicher. „Eigentlich heißt es ja auch Naturschutzgesetz und nicht Umsiedlungsgesetz.“ Abgesehen von den Eidechsen wird so leider das gesamte Biotop zerstört. „Viel besser wäre es, naturnahe Flächen innerhalb des Wohngebiets zu erhalten.“ so Bornholdt.
In Bornim durchziehen Riegel mit Kräuterwiesen und Obstbäumen das neue Wohngebiet am Haselnussring. „Diese Eh-da-Flächen machen super Effekte für den Erhalt der Artenvielfalt.“ An der Universität Potsdam konnte sich eine ähnliche Idee nach dem Prinzip der „Tübinger bunten Wiese“ leider nicht durchsetzen. Vielleicht setzt sich die Idee für „Restflächen“ und Säume in der ganzen Stadt ja noch durch. Der LPV hat das beim Grünflächenamt jedenfalls angeregt.

Auf Förderung angewiesen
Bedauerlich für den Verein ist auch die Tatsache, dass die Zusammenarbeit mit der Stadt Potsdam (selbst Mitglied im LPV) nicht mehr so intensiv ist, wie noch vor einigen Jahren. Ein Rahmenvertrag ermöglichte es, schnell und unbürokratisch Aufträge der Stadt an den gemeinnützigen Verein zu erteilen. Dessen Mitglieder und Fachfirmen verfügen über eine besonders hohe Qualifikation im Natur- und Landschaftsschutz. Jetzt beruft sich die Stadt auf das Vergaberecht und beauftragt stattdessen Gartenbaufirmen, oft mit wenig Fachwissen in Fragen des Biotop- und Artenschutzes.
Der Verein ist froh, wenigstens eine kleine Teilzeitstelle halten zu können. Die Biologin Anne Brandenburger kümmert sich neben den Eidechsen auch um die Internetseite des Vereins. Außerdem erfasst sie die Pflanzen- und Tierarten auf den Streuobstwiesen und dokumentiert deren Entwicklung über die Jahre. Ansonsten wird die meiste Arbeit des Vereins ehrenamtlich geleistet. Zum Beispiel von Detlef May, der sich um die Finanzen des Vereins kümmert. Keine leichte Sache, geht es doch schon mal um einen Jahresumsatz von 200.000 bis 300.000 Euro. Projekte laufen meist über mehr als ein Jahr.
Auf Fördergelder ist der LPV dringend angewiesen. Leider sind die Antragskriterien oft sehr kompliziert. So konnte die Idee, die Bepflanzung der Uetzer Dorfstraße Richtung Kanal aus Mitteln des Stadt-Umland-Wettbewerbs zu finanzieren, nicht umgesetzt werden. Begründung: Historische Wege gehören nicht zum kulturellen Erbe, sondern nur Gebäude.

Großes Insektenhotel in Golm

Bei allen Projekten setzt der LPV auf enge Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren, den Naturschutzverbänden, der Stadtverwaltung und den ortsansässigen Firmen und Vereinen, z.B. dem Imkerverein. Durch die Pflege der Landschaft sollen die Landwirte unterstützt werden.
Vor nun genau 20 Jahren hatten die Gründer des Landschaftspflegevereins Potsdam die Idee, mit dem Verein Landschaftspflege als bürgerliches Engagement zu etablieren. Viel ist erreicht worden!
Für die Zukunft würde sich der LPV sehr freuen, wenn sich interessierte Laien oder Fachleute melden, die Lust haben, ehrenamtlich an den Projekten mitzuarbeiten. Für Studenten der entsprechenden Fachgebiete eine tolle Chance, praktische Erfahrungen im unmittelbaren Umfeld der Uni zu sammeln.
Am 29. September feierte der Landschaftspflegeverein ein fröhliches Jubiläumsfest im Landhotel in Golm. DER POTSDAMER gratuliert sehr herzlich!

sk

www.lpv-potsdamer-kulturlandschaft.de www.der-obstbäumerich.de
www.buntewiese-tuebingen.de