Veranstalter kämpfen mit drastischen Preiserhöhungen

Gerade für Familien mit Kindern gehört der Besuch eines Weihnachtsmarktes zur Adventszeit. In diesem Jahr könnte es auf vielen Weihnachtsmärkten allerdings ungwöhnlich still zugehen. Die von der GEMA berechneten Gebühren für Musik, die auf den Märkten gespielt wird, sind nämlich mancherorts drastisch gestiegen. „Der Potsdamer“ hat sich mit Thilo-Harry Wollenschläger, dem Co-Vorsitzenden der Interessensgemeinschaft der Berlin-Brandenburgischen Schausteller, über die Auswirkungen der höheren Kosten unterhalten:

Der Potsdamer: Herr Wollenschläger, aus Sicht der GEMA, die die Interessen der Komponisten vertritt, hat sich am Tarif für die Musik gar nichts geändert. Auf ihrer Website rechnet die GEMA zudem am Beispiel des Dresdner Striezelmarktes vor, dass die Gema Lizenzkosten umgerechnet nur wenige Cent je Besucher betragen. Handelt es sich beim Streit um die Musikgebühren also nur um einen „Sturm im Wasserglas“?
Thilo-Harry Wollenschläger: Die Belastungen durch die GEMA-Gebühren sind nur der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringt. Wir haben als Veranstalter in vielen Bereichen drastische Preisexplosionen zu verkraften: bei den Lebensmittelpreise, bei den Energiekosten und auch bei den Personalkosten. Jetzt kommen die Mehrbelastungen durch die GEMA noch hinzu. Ich muss allerdings auch sagen: Diese Regelung ist nicht neu. Die GEMA hat bei dem einen oder anderen Veranstalter erst mal geschaut, wie verhalten sich die Flächen. Nach meinem Verständnis ist die Berechnungen der Flächen jedoch abstrus. Stellen Sie sich vor, wir bauen eine kleine Bühne mit einer Fläche von zwei mal zwei Meter auf. Wir stellen uns mit einem Saxophon oder einer Trompete auf diese Bühne und musizieren. Berechnet wird am Ende aber die gesamte Fläche, von Hauswand zu Hauswand. Da liegt aus meiner Sicht eine Menge im Argen: Es macht doch einen riesigen Unterschied, ob ich eine große Bühne aufbaue, wie bei einem Konzert, oder aber nur eine Mini-Bühne.

Spandauer Weihnachtsmarkt
Foto: Fridolin Freudenfett (Lizenz: CC Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Der Potsdamer: Welche Belastungen kommt durch diese GEMA-Regelung auf die Veranstalter von Weihnachtsmärkten zu?
Thilo-Harry Wollenschläger: Was ich dazu von den Veranstaltern höre, ist sehr unterschiedlich. Wir haben für uns aus der drohenden Mehrbelastung die Konsequenz gezogen, dass wir auf unseren Weihnachtsmärkten gar keine Bühne mehr aufbauen. Die andere Variante ist, dass nur noch gema-freie Musik abgespielt wird. Ich glaube die GEMA ist mit ihrer Berechnungsmethode auf dem völlig falschen Dampfer. Das gehört einfach nochmal überprüft. Wenn Veranstalter künftig ihre Bühnen weglassen, dann wird das Folgen für Kleinkünstler haben, die damit bislang ihr Geld verdient haben. Ob es in der jetzigen Zeit von der GEMA so schlau ist, bei den Gebühren noch mal ordentlich Gas zu geben, bezweifele ich. Ein Kompromiss, bei dem sich alle zusammengesetzt hätten, wäre aus meiner Sicht klüger gewesen.

Der Potsdamer: Sie sprachen von einer allgemeinen Kostenexplosion für die Veranstalter von Weihnachtsmärkten. Welche Kosten sind konkret gestiegen?
Thilo-Harry Wollenschläger: Die Kilowattstunde Strom hat Veranstalter früher 23 oder 24 Cent gekostet. Ich weiß, dass beim Martini-Markt in Neuruppin inzwischen 98 Cent plus Mehrwertsteuer berechnet wurden. Auch einzelne Lebensmittelpreise haben sich vervierfacht oder sogar verfünffacht. Gas und Holzkohle sind ebenfalls teurer geworden. Personal bekommen wir schon lange nicht mehr zum Mindestlohn. Noch ein Beispiel: Vor Jahren haben wir noch geglaubt, dass der Staat für Sicherheit sorgt, indem die Polizei vorbeikommt. Jetzt haben wir private Sicherheitsdienste. Auch für diese werden am Ende ordentliche Summen fällig. Jetzt kommt die GEMA mit ihren Forderungen noch dazu. Am Ende muss sich aber eine Veranstaltung wie ein Weihnachtsmarkt für den Betreiber, die Händler und die Schausteller auch wirtschaftlich darstellen lassen.

Weihnachtszeit in Berlin
Foto: Robot8A (Lizenz: CC ttribution-Share Alike 4.0 International)

Der Potsdamer: Läuft es für die Besucher langfristig darauf hinaus, dass sie auf Weihnachtsmärkten Eintrittsgeld bezahlen müssen?
Thilo-Harry Wollenschläger: Meine Philosophie lautet: Hohe Kosten holt man nicht durch hohe Preise rein. Wenn die Kosten alle auf die Kunden umgelegt werden, dann werden diese wegbleiben weil sie sich die Bratwurst, den Glühwein, die gebrannten Mandeln oder die Karusselfahrt nicht mehr leisten können. Weihnachtsmärkte und auch Volksfeste, müssen weiterhin volkstümlich bleiben. Wir wollen keine Luxusveranstaltungen für die oberen Zehntausend. Weihnachtsmärkte müssen weiterhin bezahlbar bleiben. Eintrittsgelder sind aus meiner Sicht auch kein Allheilmittel. In Berlin und auch Potsdam gibt es mehrere Weihnachtsmärkte, die lassen sich gar nicht einzäunen, weil sie beispielsweise in Fußgängerzonen liegen. Zudem halte ich es für den völlig falschen Weg, Eintrittsgelder zu kassieren, um die GEMA zu füttern.

Der Potsdamer: Was muss aus Ihrer Sicht geschehen, damit Weihnachtsmärkte und Volksfeste nicht langfristig zu Auslaufmodellen werden?
Thilo-Harry Wollenschläger: Wie bereits gesagt, bei den GEMA-Gebühren wäre aus meiner Sicht klüger gewesen, wenn sich die Beteiligen an einen Tisch gesetzt hätten, um einen Kompromiss zu finden. Generell schafft der Staat über Steuern, Gebühren, und Auflagen die Rahmenbedingungen, in dem die Unternehmen agieren müssen. Dabei kann der Staat die Schraube anziehen, er kann aber auch etwas lockerer lassen. Dies wäre gerade jetzt, in dieser schwierigen Zeiten, hilfreich. Was nützt es dem Staat, wenn es irgendwann keine Weihnachtsmärkte mehr gibt? Mich sprechen jetzt schon Menschen an und sagen, dass sie sich schon darauf freuen, bald wieder auf einem Weihnachtsmarkt mit Freunden einen Glühwein trinken und gebrannte Mandeln essen zu können.

Der Potsdamer: Herr Wollenschläger, wir danken für das Gespräch!

Die Sichtweise der GEMA

Nach Angaben der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, kurz GEMA, sind bundesweit lediglich etwa 35 Städte von deutlichen Preiserhöhungen betroffen. Dabei betont die GEMA, dass sich an den Tarifen und Gebühren für „Bürger-, Straßen-, Dorf- und Stadtfesten und sonstigen Veranstaltungen, die im Freien stattfinden“, im Vergleich zu den vergangenen Jahren nichts geändert hat. Laut der aktuell gültigen Regelung zieht die GEMA bei der Berrechnung von gebührenpflichtigen Musiktiteln nicht nur die den Raum der Beschallung rund um die Bühne oder den jeweiligen Lautsprecher heran, sondern den gesamten Veranstaltungsbereich. Grundlage dieser Regelung ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2011. Dabei hatte das Gericht entschieden, es sei angemessen, „die Höhe der Vergütung auch bei Freiluftveranstaltungen nach der Größe der Veranstaltungsfläche – gerechnet vom ersten bis zum letzten Stand und von Häuserwand zu Häuserwand – zu bestimmen.“
Den Umstand, dass Veranstalter oder Kommunen nun mitunter drastische höhere Vergütungen für die Nutzung von Musik zahlen sollen, führt die GEMA auf die Überprüfung und Neuberechung von Veranstaltungsflächen zurück: „Wir haben im vergangenen Jahr nur einfach mal die angegebenen Flächen nachgemessen“, so eine Sprecherin der GEMA. Eingeräumt hat die GEMA allerdings ein Kommunikationsdefizit. Kunden hätten umfassender über die konsequente Anwendung des bestehenden Tarif aus dem Jahr 2018 und auch über die parallel laufende Überprüfung gemeldeten Veranstaltungsflächen informiert werden müssen, so die GEMA.

hrt