Tolles Konzept zum 200. Geburtstag des Dichters

Was hat denn dieser Fontane mit unserem Dorf zu tun? Das fragten sich Ende des Jahres 2017 einige Uetzer missmutig. Die Aufregung um die Planung des Fontanejahrs 2019 konnten sie überhaupt nicht nachvollziehen. Schon gar nicht so weit im Voraus.
Von denen, die etwas mehr über die blumigen Beschreibungen des Ortes in Theodor Fontanes Wanderungen durch die Mark Brandenburg wussten, kam ebenfalls ein Schulterzucken. Schaut euch dieses Dorf doch mal an! Was ist heute davon übrig geblieben?
Die Romantik ist fort, vor allem weil täglich Tausende Autos und LKW auf der Autobahn A10 am südlichen Rand des Dorfes vorbeirauschen. Der große Damm zerschneidet die Landschaft. Von der Hundert Meter breiten Wublitz, die Fontane in seinen Erzählungen beschreibt, ist schon lang nichts mehr zu sehen. Kaum vorstellbar, dass ein Fährmann dort den Dichter über ein Wasser geschippert haben soll.
Neben der Lärmbelastung durch die Autobahn wurmt die Uetzer unter anderem, dass der Sandweg Richtung Marquardt Siedlung besonders für Fahrradfahrer schwer befahrbar ist. Seit langem kämpft das Dorf um einen Spielplatz. Etliche Varianten wurden durchgespielt. Eine konkrete Lösung ist nicht in Sicht. Sichere Straßen und Einfahrten, eine Querungshilfe über die Durchgangsstraße, Verkehrsberuhigung, die Straßenentwässerung, die unklare Zukunft des Gutshauses… all das sind Themen, welche die Uetzer bewegen.

„Es liegen Welten zwischen Fontanes Uetz und dem Uetz, wie es heute ist.“ Henry Sawade, Künstler, Restaurator, Vorstandsvorsitzender FidL e.V.

Wer denkt da schon daran, den 200. Geburtstag des alten Fontane zu zelebrieren? Ein Dorfbewohner tut es. Er setzt sich schon von Hause aus mit der Geschichte des kleinen Dorfes Uetz auseinander. Es handelt sich um den Besitzer und Restaurator des Uetzer Fährhauses, den Künstler Henry Sawade.
Henry Sawade war es, der Anfang 2018 die Dorfbewohner zusammenrief. Einige unter ihnen hatten erkannt: Dieses Fontanejahr – irgendwas steckt da drin, irgendwas müssen wir machen. Für Sawade bestand die Herausforderung gerade darin: „Es liegen Welten zwischen Fontanes Uetz und dem Uetz, wie es heute ist.“ Vielleicht lässt sich genau dazu etwas machen? Vielleicht gibt das Jubiläumsjahr einen Anstoß dafür, dass sich etwas tut im Dorf?

 

Daraus wurde ein Konzept

Zur Dorfversammlung kamen erstaunlich viele Leute. Sie brachten überraschend viele und sehr kreative Ideen mit. Henry Sawade entwickelte daraus gemeinsam mit dem Ortsbeirat ein schlüssiges Konzept. Im Vorwort dazu heißt es:
„Um zu verstehen, was wir eigentlich wollen oder uns für die Zukunft wünschen, haben wir uns entschlossen, diesen Reisenden namens Fontane zu hinterfragen, zu würdigen, zu feiern, aber auch, um dem modernen Verkehr, der Ignoranz und dem Zerstören von Landschaft, von Jahrhunderte alten Orten und der ihnen innewohnenden Geschichte etwas entgegen zu setzen. Fontane kann in diesem Projekt ein Initial werden, Zustände zu hinterfragen, aber auch Lösungsschritte einzuleiten. Getreu dem Fontane-Zitat: ‚Nicht die Größe der Aufgabe entscheidet, sondern das Wie, mit dem wir die kleinste zu lösen verstehen‘, möchten wir uns an den Feierlichkeiten beteiligen.“
Konkret planen die Uetzer drei Veranstaltungen. Die Eröffnung soll am 19. Mai, die Hauptveranstaltung am 8. September stattfinden. Das Abschlussfest wollen sie dann im späteren Herbst feiern.

Über den Knüppeldamm gelangt man heute nach Uetz. Früher fuhr die Fähre über die 100 Meter breite Wublitz. Vom Wasser ist kaum noch was zu sehen. Foto: sk

Das geplante Programm ist sehr vielfältig. Die einzelnen Aktionen sind gut aufeinander abgestimmt. Orgel- und Kammermusik aus der Zeit Fontanes um 1880/90 soll zu Beginn in der Uetzer Kirche erklingen. Die Alleebäume am Knüppeldamm sollen gepflegt und fehlende Bäume nachgepflanzt werden. Ein experimentelles Kunstprojekt soll an der Straße durch das Moor den Weg nach Uetz weisen und die Gäste begrüßen. Da Verkehr in Uetz ein großes Thema ist – zu Fontanes Zeiten und heute -, möchte Uetz die Brandenburger Verkehrsministerin Kathrin Schneider einladen, aus Fontanes Reisebeschreibungen vorzulesen.
Unter dem Motto „Spurensuche“ wollen die Uetzer ihre Beziehung zu Fontane und seiner Zeit erforschen: Wie hat sich der Ort seit seinem Besuch verändert? Wo kann man Spuren finden? Gibt es Zeitzeugnisse, mit denen sich Veränderungen gegenüber Fontanes Beschreibung dokumentieren lassen? Wie lebte Uetz zur Zeit Fontanes? Die Ergebnisse dieser Forschung sollen ausgestellt werden.

Wie reizend sind,
du schönes Dörfchen Ütz,
Heut‘ deiner Gärten Äpfelblütenreiser,
Dein gotisch Kirchlein,
deiner Fischer Kietz,
Dein Pfarrgehöfte,
deine Bauernhäuser…
Die Pferde sind zur Rückfahrt angespannt,
Vom Felde treibt der Kuhhirt durch die Gassen.
Du schönster Ort
im ganzen Havelland,
Wer könnte je
dich ungerührt verlassen!

Theodor Fontane
aus „Wanderungen durch
die Mark Brandenburg“,
dritter Teil: „Havelland“ (1880)

Highlight ist schon jetzt die geplante Theateraufführung, inszeniert und gespielt von den Uetzern selbst. Eine Ur-Ur-Ur-Enkelin Fontanes, Königin Luise mit ihrem Hofstaat, der Fährmann, die Dorfbewohner und Fontane selbst treten auf.
Große gesprayte Bilder sollen die Schönheit des Dorfes zur damaligen Zeit in Erinnerung rufen, zum Beispiel auf dem Mühlenberg. Sehr spannend ist auch die Idee der Silence Disco: Mit Kopfhörern kann man erleben, wie es damals war, als noch keine Autobahn ständig im Hintergrund rauschte.
Neben all diesen Projekten soll natürlich auch richtig gefeiert werden, mit Live-Bands, Speis und Trank und einem zünftigen Dorfball am Abschlusstag.
Die Idee aus Uetz sprach sich in den Nachbardörfern herum. Peter Roggenbuck, Ortsvorsteher aus Marquardt, war begeistert und bot seine Unterstützung an. Der Verein Historisches Paretz nahm Kontakt auf und könnte zum Beispiel eine Kutsche für das Bühnenbild zur Verfügung stellen. Hier ergeben sich neue, lebendige Beziehungen zwischen den Dörfern. Vielleicht hat sie Fontane damals auf ähnliche Art erfahren.

Der Anspruch ist hoch

„Fontanes Texte halten den Brandenburgern einen Spiegel vor: Schaut her, so schön war es früher einmal. In den letzten Jahren wurden viele der kulturellen Orte zerstört. Was hat jeder einzelne mit seiner kulturellen Verantwortung gemacht?“ fragt Henry Sawade. „Geschichtliches Bewusstsein ist kaum noch vorhanden. Das soll unser Konzept zum Fontanejahr ändern. Aus dem Dorf selbst heraus!“ Fontane ist der Aufhänger.
„Mir geht es um den Ort, historisch und heute“, bekräftigt Sawade: „Ziel ist, dass für den Ort etwas bleibt.“ Eins haben die Uetzer schon geschafft: Sie sind näher zusammen gerückt.

Das alte Fährhaus steht nicht mehr am Wasser, sondern an der Autobahn.

Die Finanzierung

Vielleicht kann ein Teil der Ausgaben, etwa für Material, Technik und die Bands, durch die Einnahmen bei den Festen wieder eingespielt werden. Insgesamt bedarf es allerdings einer ordentlichen Summe Geld, um ein so großes Projekt zu stemmen.
Der entsprechende Förderantrag liegt dem Fachbereich Kultur der Stadt Potsdam vor. Bisher hat Uetz keinerlei Rückmeldung erhalten. Erst im Februar soll das Auswahlverfahren gelaufen sein. Erst dann werden die Uetzer erfahren, ob sie ihre tollen Pläne in die Tat umsetzen, ob sie also Fontane und ihr Dorf feiern können im Fontanejahr 2019.
Das ist spät, möglicherweise zu spät für die nötige, aufwendige Vorbereitung. Man denke zum Beispiel an die Theaterproben, das Buchen der Bands und das Gewinnen von Sponsoren.
Bleibt allein die Hoffnung, dass die Entscheidungsträger in der Stadt das ausgefeilte Konzept erkennen und unterstützen. Die Bewohner des Potsdamer Ortsteils Uetz stehen jedenfalls in den Startlöchern.

sk