Die Bedeutung Potsdams für den nationalen und internationalen Film soll sichtbarer werden
Dass Potsdam die deutsche Filmstadt ist, ist nicht nur der Fachwelt, sondern auch vielen Potsdamerinnen und Potsdamern bekannt. Potsdam-Babelsberg ist die Wiege des deutschen Films und einer der ältesten Filmstandorte weltweit. UFA, DEFA und Studio Babelsberg, die hier ansässig waren oder es noch sind, stehen stellvertretend für fünf Schaffensphasen deutscher und europäischer Filmgeschichte. In der rund 46 Hektar großen Medienstadt Babelsberg arbeiten ca. 3.500 Menschen in mehr als 170 Medienunternehmen. Allein die Studio Babelsberg AG verfügt über 21 Studiohallen. Potsdam erteilt jährlich etwa 200 Genehmigungen für Dreharbeiten außerhalb der Filmstudios im gesamten Stadtgebiet.
Seit Oktober 2019 darf sich Potsdam sogar „UNESCO Creative City of Film“ nennen und ist damit einzigartig in Deutschland.
Die Filmgeschichte reicht bis ins Jahr 1911 zurück, als der Filmpionier Guido Seeber das kaum bebaute Gelände als optimalen Standort für die Filmproduktion erkannte und das neue gläserne Studio im Auftrag der Deutschen Bioscop GmbH errichtete. Die Filmgeschichte Potsdams schreibt sich unaufhörlich und sehr erfolgreich fort und nimmt dabei nicht selten die Rolle des Innovationstreibers ein. Dafür sorgt unter anderem die lebendige Start-up-Szene, die mit neuen Entwicklungen und Ideen auch die internationale Filmbranche beeinflusst.
„Trotz dieser einzigartigen Erfolgsgeschichte des Films in unserer Stadt wird der Filmstandort Babelsberg leider noch oft als Teil Berlins wahrgenommen“, sagt Dr. Sigrid Sommer, Marketingleiterin der Landeshauptstadt Potsdam, im Gespräch mit dem POTSDAMER. Um diesen Wermutstropfen des Erfolgs ein für alle Mal von sich abzuschütteln, möchte Potsdam seinen nationalen und internationalen Stellenwert in der Welt des Films für alle Potsdamer und Besucher sichtbarer und erlebbarer machen. Der Titel der UNESCO CREATIVE CITY OF FILM ist maßgeblich dafür.
Film als Bestandteil der Marke Potsdam
Ein deutlich sichtbares Zeichen soll der „Boulevard des Films“ setzen, denn Film ist Markenzeichen der Landeshauptstadt, wird jedoch vor allem mit Babelsberg assoziiert.
Mit dem „Boulevards des Films“ soll das Markenthema Film aus Babelsberg in die Mitte der Stadt und damit in die Mitte der Aufmerksamkeit gerückt werden. „Die aktuellen Rahmenbedingungen für die Umsetzung eines solchen Vorhabens sind einmalig, denn die Realisierung des Projekts ist nur im Zusammenhang mit den derzeit durchgeführten Baumaßnahmen in der Brandenburger Straße möglich. Dieser Ansatz entspricht im Übrigen den UN-Nachhaltigkeitszielen, zu deren Einhaltung sich die LHP mit der Bewerbung um den Titel einer UNESCO Creative City bekannt hat“, so Sommer.
Für Sommer ist der „Boulevard des Films“ ein echtes Herzensprojekt. Was nicht nur daran liegt, dass es Potsdam als Filmstadt repräsentiert, sondern, weil der „Boulevard des Films“ ihre persönliche Idee ist. „Das Projekt wäre aber eine Spinnerei geblieben, wenn es nicht Leute gegeben hätte, die sich darauf eingelassen und es aktiv unterstützt haben. Da sind zu aller erst die Kolleginnen und Kollegen des Fachbereichs Mobilität und technische Infrastruktur zu nennen. Ohne Martina Woiwode vom Bereich Verkehrsanlagen und ihr Team wäre das Projekt nur eine nette Idee geblieben. Die KollegInnen haben im besten Sinne den Weg dafür frei gemacht – durch Planung, Finanzierung und aktive Unterstützung. Zwei Jurys haben uns beraten. Und dann natürlich die eigenen KollegInnen der CREATIVE CITY OF FILM. Der Boulevard des Films ist deshalb das Werk vieler engagierter MitstreiterInnen, denen ich ganz herzlich danke sagen möchte“, so Sommer.
Keine Hollywood-Kopie
Der „Boulevard des Films“ wird dabei keine Kopie des berühmten „Walk of Fame“ in Hollywood, und auch mit der Berliner Idee des „Boulevards der Stars“ am Potsdamer Platz wird er nichts zu tun haben. Der „Boulevard des Films“ verfolgt eine ganz eigene Idee: Es soll nicht um Personen gehen, sondern um bedeutende Filme, die in Potsdam entstanden sind.
Jury und Auswahlkriterien
Im Januar 2020 wurde vom Oberbürgermeister eine Expertenjury für die Auswahl der Filme berufen, zu der folgende Akteure gehörten:
Prof. Chris Wahl (Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF), Guido Altendorf und Saschiko Schmidt (Filmmuseum Potsdam), Stefanie Eckert (DEFA-Stiftung), Christine von Wahlert (Friedrich-Murnau-Stiftung), Petra Rauschenbach, (Deutsches Filmarchiv), Dr. Christoph Woebcken (Studio Babelsberg AG), Christine Krone-Raab (Medienboard Berlin-Brandenburg).
Dieses Gremium hat auf Grundlage eines Kriterienkatalogs die zu würdigenden Filme ausgewählt. Die Brandenburger Straße wird zwischen St. Peter und Paul Kirche und dem Brandenburger Tor Platz für 55 Filme bieten.
Ausschlaggebend für die Auswahl der Filme waren hierbei die Bedeutung für den Standort (Kreativität aus Potsdam), die gesellschaftliche Relevanz, der Publikumserfolg / Kultcharakter des Films, die besondere künstlerische oder technische Leistung sowie Auszeichnungen und Preise für die Werke.
Prof. Chris Wahl, der die Film-Jury leitet, kommentierte deren Arbeit mit folgenden Worten: „Die Beschäftigung mit dem reichen filmischen Erbe ist für mich Profession, durch das ganz besondere Projekt des ‚Boulevard des Films‘ ist dieses Thema aber auch für die anderen Jurymitglieder zur Passion geworden.“ Diesen Eindruck bestätigt auch die Leiterin des Filmarchivs, das Teil des Bundesarchivs ist. Petra Rauschenbach unterstreicht: „Ich bin Potsdamerin und seit Beginn meines Berufslebens eng mit der Potsdamer Filmgeschichte vertraut. Unter den vielen wunderbaren Filmen aus Potsdam die besten zu definieren, war durchaus eine Herausforderung, der wir uns alle mit Leidenschaft gestellt haben.“
Auch die Potsdamerinnen und Potsdamer waren aufgerufen, ihren Favoriten zu wählen. Sie fanden ihn in dem Film „Ich war neunzehn“ (DDR, 1968, Regie: Konrad Wolf, DEFA).
Eine weitere Jury gab es für die Auswahl des Gestaltungsentwurfs der zu beschriftenden Granitplatten, auf denen der Filmtitel, das Produktionsjahr und das Logo der UNESCO CREATIVE CITY OF FILM zu sehen sein werden. In dieser Jury waren Prof. Sophie Wolfrum (Stadt- und Regionalplanerin, Mitglied im Gestaltungsrat), Bärbel Schälicke (AG Innenstadt), Prof. Dr. Chris Wahl (Filmuniversität Babelsberg, Vertreter der Auswahljury für die Filme), Saskia Hüneke (Stadtverordnete BÜDNIS 90/DIE GRÜNEN), Götz Friederich (Vorsitzender AG Innenstadt u. des Marketingclub Potsdam), Jens Cacha (Bildhauer und Restaurator), Petra Schmidt Dreyblatt (Geschäftsführerin Brandenburgischer Verband Bildender Künstlerinnen und Künstler e.V. (BVBK) und Mitglied im Beirat Kunst im Öffentlichen Raum), Martina Woiwode (Bereichsleiterin Verkehrsanlagen LHP), Marlies Deponte (Verein Freies Tor e.V.), Roland Zurkuhlen (Bereich Untere Denkmalschutzbehörde LHP) sowie Maria Pohle (ehemalige Bereichsleiterin Bereich Partizipation und Tolerantes Potsdam).
Die 80 x 80 cm großen Granitplatten sind inzwischen beim Steinmetz, die Reihenfolge der 55 Titel ist definiert. „Wir alle freuen uns riesig darauf, dass es irgendwann mit den Pflasterarbeiten losgeht und man dann auch in der Innenstadt von Potsdam darauf aufmerksam wird, dass Potsdam die deutsche Filmhauptstadt ist“, äußert sich Sommer voller Vorfreude.
Der Umsetzungsplan
Die Brandenburger Straße, Potsdams bislang einzige Fußgängerzone, wird seit 2021 saniert, und die Maßnahmen werden noch einige Zeit andauern. Auftraggeber ist der Fachbereich Mobilität und technische Infrastruktur der Landeshauptstadt Potsdam, der dieses Projekt in Zusammenarbeit mit der Energie und Wasser Potsdam GmbH realisiert. Jeweils von ca. März bis Mitte November wird die ca. 800 m lange Straße, die im Volksmund den Namen „Broadway“ trägt, samt der darunterliegenden Versorgungsinfrastruktur komplett saniert und zum Schluss neu gepflastert. Damit ergibt sich die einmalige Chance, die Idee des Potsdamer „Boulevards des Films“ als nachhaltiges Projekt in der Landeshauptstadt zu realisieren. Ursprünglich sollte bereits früher mit den Pflasterarbeiten für die Brandenburger Straße der begonnen werden. Doch – wie so oft bei komplexes Bauvorhaben – gab es auch hier deutliche Verzögerungen, die unterschiedlicher Natur waren. Nun sollen Ende dieses Jahres im Rahmen der Erschließungs- und Umbaumaßnahmen der Brandenburger Straße die ersten Granitplatten in das neue Pflaster eingefügt werden.
Als besondere Idee werden mögliche Beziehungen zwischen dem auf der Granitplatte genannten Filmen und ihrer Lage in der Innenstadt hergestellt werden. Man darf also gespannt sein.
sts
Dies sind die 55 Filme des „Boulevard des Films:
Nr. Jahr Titel
1 1911/12 Der Totentanz
2 1913 Der Student von Prag
3 1919 Madame Dubarry
4 1921/22 Fridericus Rex
5 1922/24 Die Nibelungen
6 1924 Der letzte Mann
7 1926 Die Abenteuer d. Prinzen Achmed
8 1925/26 Metropolis
9 1930 Die drei von der Tankstelle
10 1930 Der blaue Engel
11 1931 Emil und die Detektive
12 1931 Mädchen in Uniform
13 1931 Der Kongress tanzt
14 1935 Amphitryon
15 1941 Frauen sind doch die besseren Diplomaten
16 1942/43 Münchhausen
17 1943/44 Die Feuerzangenbowle
18 1945 Unter den Brücken
19 1946 Die Mörder sind unter uns
20 1946 Potsdam baut auf
21 1950 Das kalte Herz
22 1951 Der Untertan
23 1953 Die Geschichte vom kleinen Muck
24 1954-1956 Du und mancher Kamerad
25 1963/64 Der geteilte Himmel
26 1965 Das Kaninchen bin ich
27 1965 Die Söhne der großen Bärin
28 1966/90 Jahrgang 1945
29 1966 Spur der Steine
30 1967/68 Ich war neunzehn
31 1968 Heißer Sommer
32 1971 Der Dritte
33 1972/73 Die Legende von Paul und Paula
34 1972/1973 Drei Haselnüsse f. Aschenbrödel
35 1972 Eolomea
36 1974 Jakob der Lügner
37 1979 Bis dass der Tod Euch scheidet
38 1978-80 Solo Sunny
39 1981 Das Fahrrad
40 1983 Moritz in der Litfaßsäule
41 1984 Hinter den Fenstern
42 1985 Die Frau und der Fremde
43 1988/89 Coming Out
44 1990 Die verriegelte Zeit
45 1990 Im Durchgang – Protokoll für das Gedächtnis
46 1999 Sonnenallee
47 2001 Duell – Enemy at the Gates
48 2002 Der Pianist
49 2005 V wie Vendetta
50 2008 The Reader/Der Vorleser
51 2009 Inglourious Basterds
52 2011 Halt auf freier Strecke
53 2014 The Grand Budapest Hotel
54 2015 Bridge of Spies – Der Unterhändler
55 2017 Babylon Berlin