Einwohnerversammlung zum Thema Verkehrskonzept im Potsdamer Norden
Nach der Eingemeindung von Marquardt, Groß Glienicke, Neu Fahrland, Uetz-Paaren, Satzkorn, Fahrland und Golm im Jahre 2003, also vor 17 Jahren!, passierte nicht viel mit den neuen Ortsteilen. Man überließ sie im Wesentlichen sich selbst. Städteplanerisch waren sie bis vor Kurzem nicht einmal groß im Fokus. Hier und da durften sich Großinvestoren wie ein Theo Semmelhaack austoben. Auch schaute die Bauverwaltung bei der Umsetzung von Bauprojekten manchmal ganz genau hin, bei anderen genauer. Es gab viel Spielraum im Norden Potsdams, der langsam und leise vor sich hin wuchs, ohne sich dabei an ein übergeordnetes Konzept zu halten. Das Ergebnis sind heute Ortsteile, die über Radwege oder Busverbindungen kaum miteinander verbunden sind, die Infrastruktur ähnelt einem Flickenteppich, und die große Frage nach einem nachhaltigen und verbindlichen Verkehrskonzept wartet immer noch auf ihre Beantwortung.
Große Erwartung
Jetzt wird alles anders. „In den Norden Potsdams kommt Bewegung“, kündigte Bernd Rubelt, Potsdams Baubeigeordneter, zur Eröffnung der Einwohnerversammlung am 02. März dieses Jahres in Groß Glienicke an, die auf Initiative des Ortsbeirats- und Stadtverordnetenmitglieds Andreas Menzel zum Thema Verkehrsplanung initiiert wurde. Hintergrund dieser Initiative ist die weitverbreitete Befürchtung eines Verkehrskollaps´ entlang der nördlichen Hauptverkehrsstraße B2, die von Spandau kommend durch Groß Glienicke, Neu Fahrland und Bornstedt führt und sich in den Zeiten des Berufsverkehrs zu einer kriechenden Blechlawine verwandelt.
Ebenso betonte Rubelt, dass Groß Glienicke nun näher an Potsdam heran wachsen solle und dass er sich dafür einsetze, identitätsstiftende Ortsteile zu entwickeln statt Schlafstädte.
Gespannt und in voller Hoffnung auf neue Entwicklungen haben sich interessierte und engagierte Einwohner – nicht nur aus Groß Glienicke – in der voll besetzten Aula der Hanna von Pestalozza-Grundschule versammelt, um den verantwortlichen Mitarbeitern der Stadtverwaltung bei der Präsentation des aktuellen Verkehrskonzeptes zu lauschen.
Schon zu Beginn stellte sich eine leichte Ernüchterung ein, als der Leiter der Verkehrsplanung, Norman Niehoff, Folien über Verkehrsflüsse präsentierte, die bereits einige Jahre alt sind. Auch die daraus resultierenden Zahlen in Bezug auf Einwohner, Wege und Fahrzeugmengen zeigten bereits Bekanntes. Niehoff bestätigte zwar, dass es derzeit keine aktuelleren Zahlen gebe, betonte aber – wie schon seit Jahren –, dass das Wachstum der Bevölkerung immer mit wachsendem Straßenverkehr einhergehe und es die Aufgabe sei, der Entwicklung eines steigenden motorisierten Individualverkehrs (MIV) mit einem verbesserten Angebot von Rad- und Fußwegen sowie dem Ausbau eines attraktiven ÖPNV-Angebots entgegenzuwirken. Dass er dieses Ziel konsequent verfolgt, ist deutlich geworden. Allerdings bezogen sich seine Ausführungen fast ausschließlich auf Krampnitz, für und insbesondere in Groß Glienicke wird sich kaum etwas ändern.
Krampnitz als Impulsgeber
Weil man plant, den Ortsteil Fahrland um eine Kleinstadt von über 10.000 Einwohnern zu erweitern, die direkt an der B2 liegt, versucht die Landeshauptstadt ein Konzept zu entwickeln, dass das drohende Verkehrschaos verhindert. Die täglichen Staus in die Potsdamer Innenstadt wie auch die aus Groß Glienicke in Richtung Spandau sollen der Vergangenheit angehören – irgendwann einmal.
Was genau plant die Stadtverwaltung nun konkret, um die Gesamtsituation nachhaltig zu verbessern?
Für eine schnelle Verbindung nach Potsdam und nach Berlin-Spandau sowie für eine deutliche Verkehrsentlastung wird in einigen Jahren der Bahnhof Marquardt als Mobilitätsdrehscheibe sorgen. Um den Bahnhof auch von den umliegenden Ortsteilen besser erreichen zu können, soll die Buslinie 609 dann über Krampnitz und Fahrland bis nach Marquardt fahren. Weil die Verwaltung mit 30 Prozent mehr Kfz-Verkehr rechnet, kann es allerdings sein, dass die 100 Kfz-Parkplätze in Marquardt nicht ausreichen werden, um die gewünschte Abnahme des mobilen Individualverkehrs zu erreichen. Auch wenn zusätzlich einige überdachte Fahrradstellplätze vorhanden sein werden.
Unterschiedliche Vorstellungen
„Mit den Einwohnerinnen und Einwohnern wird diskutiert, wie in Zukunft mit der Bundesstraße im Ortsteil Groß Glienicke umgegangen werden soll und welche möglichen Maßnahmen ergriffen werden können.“ So zumindest hieß es in der Einladung. Auch Rubelt betonte, dass er die Einwohner zum Teil des Entwicklungsprozesses machen wolle.
Die im Wesentlichen Groß Glienicke betreffenden Themen waren der geplante Ausbau der B2, die Bushaltestellen an der B2, Ecke Fontanestraße, die Ortsumgehung sowie die Anbindung zur Waldsiedlung. Diese erhielten durch den Vortrag von Kerstin Schulz, Fachbereich Grün- und Verkehrsflächen, eine übersichtliche Aufmerksamkeit und zeigten wenig Abstimmungspotential.
Das Fazit von Frau Schulz lässt sich kurz zusammenfassen: Einen Ausbau der B2 wird es aufgrund fehlender Finanzmittel nicht geben. Eine Umgehungsstraße sei nicht möglich. Die geplanten Bushaltestellen kommen, nur ist nicht sicher wann. Ebenso verhält es sich mit der Anbindung der Waldsiedlung (Villenpark Groß Glienicke). Was umgesetzt werden soll ist allein ein Fußweg, der zur Grundschule führt, um diesen sicherer zu machen. Ob der schon vor Jahren geplante Fahrradweg durch den Gutspark zum Ritterfelddamm nun gebaut werde, wollte ein Einwohner aus Groß Glienicke wissen. Diese Frage konnte Norman Niehoff nicht beantworten, versprach aber, die Antwort nachzureichen.
Auch die anderen – nicht unbedingt neuen – Ideen aus dem Publikum wurden kurz aufgenommen, dann aber schnell wegargumentiert: Das Thema Umgehungsstraße wieder zu thematisieren sei nicht möglich, da keine naturschutzrechtliche Befreiung aus dem Landschaftsschutzgebiet vorläge und eine erneute Beantragung nur mit einer verkehrlichen oder städtebaulichen Begründung genehmigungsfähig sei. Außerdem würde mit einer Umgehungsstraße keine wesentliche verkehrliche Verbesserung einhergehen, meinte Schulz, ohne dies näher zu begründen. Es soll also dabei bleiben, dass der gesamte Pendler- und LKW-Verkehr durch Groß Glienicke geleitet wird. Und das wird auch so bleiben, wenn Krampnitz voll erschlossen und bezogen ist. Für eine Busspur von Groß Glienicke bis in die Stadt fehle das nötige Geld, außerdem sehe man hierfür keinen Bedarf, hieß es von Seiten der Stadtvertreter.
Lediglich eine bessere Busverbindung zwischen den Ortsteilen sagte man zu, ohne sich jedoch zeitlich für deren Umsetzung festlegen zu wollen.
Mit Jörg Manteuffel (Mitglied im Ortsbeirat für die CDU) wurde formal zu Beginn der Veranstaltung ein Sprecher der Einwohnerversammlung gewählt, der als Kommunikationskanal zwischen Einwohnern und Stadtverwaltung fungieren soll.
Fazit
In Potsdam sind seit Jahren immer mehr Einwohner, mehr Autos und mehr Staus zu beobachten. Jetzt, im Rahmen der Entwicklung des Wohngebietes Krampnitz, möchte man ein Gesamtkonzept entwickeln, dass die Situation aller Ortsteile im Norden Potsdams verbessert.
Weil Krampnitz entwickelt werden soll, versucht die Stadtverwaltung die Entwicklung des Verkehrs durch unterschiedliche Maßnahmen abzufedern. Warum aber die Verkehrsentwicklung im Norden trotz Wachstum seit Jahren sich selbst überlassen wurde und auch in den nächsten Jahren keine deutliche Verbesserung erfährt, blieb nach der Veranstaltung für viele weiterhin unbeantwortet.
Alle Maßnahmen, die sich an dem Thema Krampnitz orientieren, sind in deutlichem Abstand zu Groß Glienicke geplant. Für die Einwohner von Groß Glienicke ist nur eines sicher: der Verkehr durch den Ortsteil wird wesentlich zunehmen, und dagegen getan wird nichts.
Potsdam bleibt in der Entwicklung des Potsdamer Nordens deutlich hinter den Erwartungen der Einwohner*innen zurück. Schade, dabei könnte die Verwaltung gerade jetzt beweisen, wie innovativ und handlungsfähig sie ist.
sts