Ein Gastbeitrag von Caroline Fisseler

Der Mensch ist ein Egoist – Auf dieser Annahme beruht das moderne Wirtschaftssystem begründet von Adam Smith. Darwin behauptet, dass nur die Besten im Überlebenskampf gewinnen könnten. Doch wie ist es dann noch möglich an Philanthropie, Nächstenliebe und soziales Handeln zu glauben? Warum sind Menschen motiviert freiwillig hilfsbereit zu sein und wieso ist diese scheinbar paradoxe Eigenschaft so tief im Menschsein verankert?

Teilnehmer des 172. Jugend Presse Kongress interviewen THW-Ehrenpräsident Albrecht Broemme

Teilnehmer des 172. Jugend Presse Kongress interviewen THW-Ehrenpräsident Albrecht Broemme
Foto: Caroline Fisseler

Unser System der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland zeigt: Egoismus und Soziales müssen einander nicht widersprechen. Natürlich kommt das Soziale jedem zu Gute und wird nicht als Selbstzweck ausgeübt, sondern primär, damit im Endeffekt ein optimaler Profit für jeden einzelnen herausspringt. In Deutschland wird bspw. für eine Grundsicherung im Krankenversicherungssystem gesorgt. Davon lebt das Prinzip der Demokratie: Menschen sind zufriedener und haben mehr freie Zeit, um über gesellschaftlich relevante Themen zu diskutieren.

Es könnte nahezu der Eindruck entstehen, dass Menschen, gerade diejenigen, die die Regeln unserer Gesellschaft am stärksten prägen, nur ein soziales Konstrukt schaffen, um Frieden zu bewahren und somit der bloße Profit des Helfens im Vordergrund stünde. Warum aber stürzt sich ein Feuerwehrmann in ein brennendes Haus, wenn dieser dabei sein eigenes Leben aufs Spiel setzt? Die Antwort liegt tiefer.

Menschen sind soziale Wesen. Das bewies ein umstrittenes Experiment an Säuglingen 1944 in den USA – den Babys wurde nur das Nötigste geboten: Wickeln, Waschen, Nahrung und ein Schlafplatz. Wenn sie ohne Weiteres weinten, wurden sie nicht gekuschelt, um sie zu beruhigen. Über die Hälfte der körperlich gesunden Säuglinge verstarb nach Beendigung dieses Experiments.

Der Mensch braucht also zumindest einfache Zuwendung, um gesund heranwachsen, gar überleben zu können.

Das sog. Gewissen und ein tief sitzender Gerechtigkeitssinn, von dem viele Philosophen ausgehen, bestimmen die Handlungsweise der Mehrheit an Menschen. Sie vermitteln uns schnell, was als Ungerechtigkeit gilt, besonders wenn es jemandem deutlich schlechter geht als anderen. Bei vielen entsteht ein Drang dieses Defizit auszugleichen und so gut es geht in dem Moment zu handeln. Darum ist unterlassene Hilfeleistung strafbar. Es wird allgemein als unmoralisch angesehen, gerade weil durch eine einfache Handlung, bspw. eines Passanten, Leben gerettet werden kann. Das Phänomen einfach vorbei zu laufen, lässt sich durch eine Angst etwas falsch machen zu können und/oder einer überwiegenden Eigenliebe, sich nämlich aus der Sache heraus zu halten, um sich selbst keinen Schaden zuzufügen, erklären. Ehrenämtler aber verbindet, mutig an Herausforderungen heranzugehen und selbst im kleinen Rahmen etwas zu bewirken. Doch nicht nur sie, sondern wir alle tragen diese Eigenschaft in uns.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist klar, dass bei einer helfenden Aktion Dopamin, ein Glückshormon, ausgeschüttet wird – Beim Helfenden als auch beim Geholfenen. Der Helfer entwickelt ein Verlangen mehr helfen zu wollen und die geholfene Person will etwas zurückgeben und verhält sich deshalb im Allgemeinen zuvorkommender, höflicher und dankbarer.

Caroline Fisseler

Caroline Fisseler

Ich selbst habe im Schulsanitätsdienst und Jugendbeirat immer wieder gemerkt, dass ich nach einem Einsatz oder einem vollendeten Projekt glücklicher bin als vorher. Es fühlt sich gut an zu wissen, dass mithilfe der Fähigkeiten und Möglichkeiten, die man in dem Moment hat, anderen eine Last abgenommen werden kann – ohne je etwas zurückfordern zu wollen.

Dieses Gefühlt treibt viele an sich auf die Mission zu begeben Corona-Teststationen oder Lager für Geflüchtete aufzubauen, obwohl sie die Geflüchteten noch nie zuvor kennengelernt haben.

Auf dem 172. Jugendpressekongress der Young Leaders Organisation in Potsdam, wo sich ehrenamtlich engagierte Jugendliche treffen, um journalistische Fertigkeiten zu erlernen, kommen wir der Lösung näher. Dort berichtet, am 12. September, Albrecht Broemme, Ehrenpräsident des Technischen Hilfswerks (THW) vor jungem Publikum über das Thema: „Kompetenz, professionell, freiwillig – Nur so geht Katastrophenschutz“. Auch für spätere Gespräche blieb er auf der kongresseigenen Medienbörse, um der jungen Generation Einblicke in seinen Erfahrungsschatz zu gewähren.

Jeder einzelne zählt. Bereits ab dem Alter von sechs Jahren können sich Engagierte einbringen.

Am Beispiel von Waldbränden wird klar, wie der Beitrag des THW die Sicherheit vieler Menschen gewährleistet. Hierbei wird der Feuerwehr Löschwasser bereitgestellt, ohne welches ihr Einsatz gar nicht erst möglich wäre. Broemme selbst war Leiter der Berliner Feuerwehr, für die er sich schon seit jungen Jahren begeistert. Jugendarbeit sei ihm wichtig. Dabei müssen Jugendliche nicht auf andere Freizeitaktivitäten verzichten, denn körperliche Fitness bspw. komme bei den Einsätzen nicht zu kurz, wie es im Werbefilm dargestellt wird.

Besonders Freizeitgestalter, Technikinteressierte und Menschen mit Visionen passten gut zum THW. Zurückschrecken müsse man nicht, denn es kommt auf die Perspektive an: „Wenn einer sagt: Ich habe zwei linke Hände, dann sage ich: Je nachdem, wie man es sieht, habe ich die auch“ – Denn nicht nur der Wille zu helfen sind Grundvoraussetzung, sondern auch gut helfen lernen zu wollen, altersunabhängig und auch ohne vorher Fachkenntnisse haben zu müssen. Mitglied zu sein „ist eine Frage der Lebenseinstellung“. Passend dazu zitiert Broemme John F. Kennedy: „Wenn deine Gesinnung, den vielen, die arm sind nicht helfen kann, kann sie auch die wenigen nicht retten, die reich sind“. Diejenigen, die nun fürchten, sie hätten nicht genug Zeit fürs Ehrenamt, beruhigt der Ehrenpräsident, denn es müsse keine primäre Aufgabe im Leben sein. Er hofft, dass zukünftige Führungskräfte ehrenamtlich engagierte Mitarbeiter fördern, auch wenn diese ihre Arbeit für einen Einsatz unterbrechen müssen.

Gutsein ist ein entscheidender Teil des Menschseins in unserer sozial verzweigten Gesellschaft.

Helfen ist also kein Zwang, aber wie mir jetzt wissen, ein Muss für ein erfülltes Leben.

Caroline Fisseler, Bad Nauheim, 24.11.2020

Dieser Artikel entstand im Rahmen des young leaders Journalistenwettbewerbes, an dem Caroline Fisseler teilnimmt, und die wir mit dieser Veröffentlichung gerne unterstüzen.