Ortsbeirat Fahrland nicht überzeugt von Bauvorhaben
Fahrlands rasante Entwicklung von einem beschaulichen märkischen Dorf hin zu einem großen Ortsteil von Potsdam ist noch lange nicht abgeschlossen. Zwei neue Kindergärten, ein Seniorenheim, drei neue Baufelder für Wohnungsbau, ein sehr großes Gewerbegebiet und der Anschluss an das Potsdamer Straßenbahnnetz und natürlich Krampnitz sind aktuell in der Diskussion.
Mit all diesen Konzepten muss sich der Fahrländer Ortsbeirat auseinandersetzen, Fragen stellen, Kritik üben, Vorschläge erarbeiten und sich eine Meinung bilden. Eine Mammutaufgabe. Kein Wunder, dass die Ortsbeiratssitzung am 20.2. so gut besucht war wie lange nicht mehr. Darunter waren viele Mitglieder der Bürger_innen-Initiative Fahrland.
Wohnhäuser, Kita und Pflegeheim
Überrascht wurden die Fahrländer von der persönlichen Anwesenheit des Bauunternehmers Theodor Semmelhaack. Mit seinem Team präsentierte er den überarbeiteten Entwurf für die Bebauung des Grundstücks Ketziner Straße 22 sowie ein Konzept für den Bau eines Seniorenpflegeheims mit 110 Pflegeplätzen und einer Kita für 120 Kinder in der Gartenstraße/Ecke Hasensteg.
Die Fläche westlich des Grabens zwischen Heizhaus und Hasensteg ist schon sehr lange für ein Kitagebäude reserviert. Seit Jahren warten die Fahrländer auf die versprochene soziale Einrichtung. Das Seniorenpflegeheim für ambulante oder stationäre Betreuung möchte Semmelhaack direkt neben die Kita setzen. Er betonte einen positiven Synergieeffekt: In der Pflege beschäftigte Mütter könnten ihre Kinder direkt nebenan betreuen lassen.
Bei Betrachtung der Baupläne, die in der Sitzung herum gereicht wurden, wird schnell klar: Die Bebauung ist relativ dicht. Ob die verkehrliche Erschließung mit einer Sackgasse von der Gartenstraße her ausreicht, ist fraglich, aber besser als die ursprüngliche Variante der Erschließung über den Hasensteg. Hoffentlich wird diesmal an ausreichend Parkplätze gedacht. Nicht nur für Mitarbeitende, sondern auch für Gäste. Das ist in einem ähnlichen Projekt des Investors in Eiche nicht so gut gelaufen (siehe Artikel auf Seite 14/15). Ein Pflegeheim zu bauen, stößt auf viel Wohlwollen im Ortsbeirat, denn in Fahrland gibt es eine solche Einrichtung bisher nicht.
Für den Bau an der vorgesehenen Stelle müsste die Stadtverordnetenversammlung zustimmen, denn ein Pflegeheim ist im Wohngebiet nicht zulässig.
Der Bebauungsplan für die Ketziner Str. 22 mit 24 Doppelhäusern und acht Einfamilienhäusern wandert schon seit einiger Zeit durch die Ausschüsse (der POTSDAMER berichtete). Jetzt hat der Investor Semmelhaack aufgrund eines Antrags der Linken die Pläne angepasst. In einer aktuellen Stellungnahme der Mitglieder des Ortsbeirates an den Bauausschuss heißt es dazu: „Wir lehnen eine Bebauung des Areals aus den verschiedensten Gründen weiterhin vollständig ab. Die marginale Erhöhung des Abstandes der Bebauung zu den Nachbarschaftsgrenzen von 3 auf 5 m im Entwurf, also 2 m über der gesetzlich geforderten Mindestabstandsfläche, ist für uns vollständig inakzeptabel.“
Positiv aufgenommen wurde der Vorschlag des Investors, direkt an der Einfahrt zur Ketziner Str. 22 einen Apothekenstandort einzuplanen. Direkt neben der Praxis der Allgemeinärztin Frau Dr. Finger in der Von-Stechow-Str. wäre die Apotheke allerdings viel besser aufgehoben, z. B. im derzeitigen Verkaufsbüro von Semmelhaack.
Bemerkenswert war die Aufforderung Semmelhaacks in Richtung Bauverwaltung und Ortsbeirat: „Wir werden logischerweise in eins bauen wollen. Wir wollen nicht nur die Kita bauen, oder dieses (gemeint ist Ketziner Str. 22, Anm. d. Red.) oder die Pflege – es soll eine Kombination sein, das muss man auch verstehen.“ Das heißt, Semmelhaack will die Kita nur bauen, wenn er die anderen Pläne genehmigt bekommt.
In einer sechs Tage später formulierten Erklärung an den Bauausschuss kommentieren fünf der acht Ortsbeiratsmitglieder diese Forderung so: „Wir halten das unter Druck setzen eines gewählten Gremiums der Bürgerschaft für völlig unangemessen und fordern Sie auf, sich diesem Druck ebenfalls zu widersetzen.“
Eine weitere Kita für 124 Kinder baut die Stadt Potsdam mit ihrem Kommunalen Immobilien Service (KIS) gerade selbst. Schon zum neuen Kitajahr im August 2019 soll das Gebäude schräg hinter dem Nahkauf stehen. Schnell muss ein geeigneter Träger gefunden werden und der muss bis dahin die Kita komplett einrichten und betriebsbereit machen. Unglaublich: Die Ausschreibung für den Träger seitens der Stadt wurde gerade erneut verschoben. Schwierigste Aufgabe dürfte dann auch sein, entsprechendes Personal, sprich Erzieher, zu finden. Ortsvorsteher Claus Wartenberg: „Das ist ein sehr sportliches Vorhaben. In ganz Potsdam können zurzeit rund 200 Kitaplätze nicht belegt werden, weil nicht genug Personal zur Verfügung steht.“
Wieso die neue Kita „Fahrländer Feldmäuse“ heißen soll, ist völlig rätselhaft. Wäre der Ortsbeirat im Vorfeld dazu befragt worden, hätte er darauf hinweisen können, dass die Verwechselungsgefahr mit der bestehenden Kita „Fahrländer Landmäuse“ viel zu groß ist.
Gewerbegebiet Fahrland-West
Richtig kontrovers wurde die Ortsbeiratssitzung als das Thema Straßenbahnerweiterung nach Fahrland und die Vorkaufsrechtssatzung mit vorbereitenden Untersuchungen für „Fahrland-West“ aufgerufen wurde. Das 62 Hektar große Gebiet zwischen Ketziner Str., Königsweg, Döberitzer Straße und Regenbogenschule soll zu einem großen Gewerbegebiet mit Wohnnutzung entwickelt werden. Erik Wolfram, Chef der Potsdamer Stadtentwicklung, zählte folgende Nutzungen auf, die geprüft werden sollen: Straßenbahn mit Wendeschleife und Betriebshof, P&R-Platz, Recyclinghof, Berufsfeuerwehr sowie ein Depot für Fahrzeuge des Winterdiensts, Spielplätze, Wege, Grünanlagen und Kleingärten, Erweiterung des Gewerbezentrums, Forst-Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Angedacht sind weiterhin eine 3-Feld-Sporthalle für die Schule sowie zwei wettkampftaugliche Sportfelder.
Mit dieser Satzung will die Stadt Spekulationen mit dem zurzeit in privater Hand befindlichen Boden verhindern. Würde die Stadt das Land zum Ackerpreis kaufen, käme das einer Enteignung gleich. Entsprechend enttäuscht äußerte sich Landwirt Hans Becker, ehemaliger Ortsvorsteher von Uetz-Paaren und einer der betroffenen Landeigentümer: „Warum werden die Landeigentümer und -nutzer nicht zu einem Gespräch eingeladen? Reden wir doch einfach Klartext!“ In „Golm-Nord“, für das parallel ein ähnliches Verfahren eingeläutet worden ist, kam es durch einen Änderungsantrag von Marcus Krause wenigstens zu der Ergänzung, dass eine Lösung für die Landwirte gefunden werden soll. Fahrland hatte da leider keinen Fürsprecher in der Stadtverordnetenversammlung.
Einig waren sich die Ortsbeiräte über die Straßenbahn und die sich daraus ergebende Notwendigkeit eines Betriebshofs. Absolut nicht nachvollziehbar fanden sie indes, wieso die Straßenbahntrasse planerisch in zwei Teile geteilt werden soll: Erstens die Strecke von Krampnitz über die Gartenstraße bis an die Döberitzer Straße. Und zweitens: der letzte Abschnitt mit der Wendeschleife, der demnach im beschriebenen Gewerbegebiet Fahrland-West läge, das damit ebenfalls genehmigt würde. Karsten Etlich (SPD): „Schade, dass die Straßenbahn nicht in einem Plan zusammengefasst wurde. Wenn wir über die einzelnen Punkte diskutieren sollen, regt sich bei mir absolut der Widerstand. Eine Feuerwehr im Norden – sicher! Aber bitte nicht das, was in Krampnitz teuer verkauft werden soll oder da vergessen wurde, dann nach Fahrland. Und ich möchte auch nicht, dass die ganzen 10.000 Einwohner aus Krampnitz mit ihrem Müll hier nach Fahrland kommen. Denn die kommen wahrscheinlich nicht mit der Straßenbahn, sondern mit dem Auto. Und dass alles passiert dann in unmittelbarer Nähe der Regenbogenschule. Da sind ganz viele Sachen, die im Moment verhindern, dass ich mitgehen kann. Auch die Feuerwehr gehört für mich dazu. Wir haben hier eine Freiwillige. Das ist super. Aber die Berufsfeuerwehr soll nicht ständig durch Fahrland fahren, wenn sie in die Stadt fahren muss.“
Ortsbeirat Stefan Matz (DIE LINKE, BI Fahrland) brachte es auf den Punkt: „Wenn wir die Straßenbahn wollen, müssen wir das gesamte Paket absegnen. Das halte ich nicht für sinnvoll.“
Der Ortsbeirat sah sich gezwungen, seine Zustimmung zu verweigern. Auf Vorschlag von Ortsvorsteher Wartenberg nahmen die Beiräte die Vorkaufsrechtssatzung „zur Kenntnis“. Ein klares Nein hätte es besser sein sollen. Allerdings spielt die Meinung des Ortsbeirats sowieso wieder einmal keine Rolle, denn der Grundsatzbeschluss zu „Fahrland West“ wurde schon in der Sitzung der Stadtverordneten am 30.1. gefasst, ohne die Ortsbeiräte vorher zu beteiligen.
Da 78% der Gesamtfläche im Landschaftsschutzgebiet liegen, muss das Umweltministerium Brandenburg dem Vorhaben ohnehin zustimmen. Unlängst sind ähnliche Pläne in der Waldstadt und der Pirschheide aber genau aus diesem Grund gescheitert. sk