Das Wegblasen der gefiederten Samen diente zu vielem. Die nach dem Anpusten stehen gebliebenen Früchte sollten angeben, wieviel Uhr es sei, wie viele Jahre man noch leben werde, wie viele Jahre man noch zur Hochzeit habe. Wenn man alle Früchte auf einmal weggeblasen hatte, bekam man ein neues Kleid oder es gab zu Hause eine gute Suppe. War der Blütenboden hell, so kam man in den Himmel, war er dagegen dunkel, wartete die Hölle. So viele Früchte in den Kleidern des Angeblasenen hängenblieben, so viele Sünden sollte er haben.
Man gab die Pflanze den Bettnässern zu essen, um sie davon abzuhalten, in der Nacht ins Bett zu machen. [Deshalb heißt die Pflanze in Frankreich auch pissenlit – Anmerkung der Autorin]
Sieben oder neun Wurzeln, die zu Bartholomäus (24. August) vor Sonnenaufgang gegraben sind, wurden in einem Beutel um den Hals getragen, das sollte bei Augenbeschwerden helfen. Mit dem Milchsaft sollten Warzen vertrieben werden, wenn man ihn am dritten Tag im abnehmenden Mond anwendet. Wer die ersten drei Löwenzahnknospen verschluckt, sollte das ganze Jahr gesund bleiben. Den Kühen gab man Löwenzahn, gemischt mit Kleieund Salz, zu fressen, damit sollte die Milch wiederkommen“, schreiben Siegrid Hirsch und Felix Grünberger in ihrem Buch „Die Kräuter in meinem Garten“ aus dem Weltbildverlag zum Thema „Volksglaube und Mythologie“ über den Löwenzahn.
Und wer von uns hat nicht schon die Schirmchen der „Pusteblume“ fliegen lassen oder hat „Butterstauden“ gesammelt, um sie an Hasen, Kaninchen oder Meerschweinchen zu verfüttern. Und dabei sollten wir sie selbst futtern: die jungen, gezahnten Blättchen im Frühlingssalat, damit die enthaltenen Bitterstoffe Frühjahrsmüdigkeit vertreiben, indem sie den Gallenfluss fördern und die Nierentätigkeit anregen. Oder die Knospen mit Salz und Essig als „Kapern“ einlegen, um sie als spätere Salatzugabe zu konservieren.
Wenn die Blüten voll aufgeblüht sind, ist hohe Erntezeit. Ich verwende die gesamte Blüte, da für mich gerade die Bitterstoffe so wertvoll sind. In reichlich Wasser aufkochen, 24 Stunden ziehen lassen, abseihen, die Blüten gut ausdrücken und diesen Sud dann weiterverarbeiten.
Zum Beispiel mit Zucker zu Sirup einkochen (den sogenannten „Löwenzahnhonig“) oder mit Apfelsaft gemischt zu Gelee verarbeiten.
Interessant ist auch die Verarbeitung zu Pesto (als Brotaufstrich oder zu Spaghetti): Löwenzahnblätter waschen, trocken tupfen, klein schneiden und dann im Mixer weiter zerkleinern. Dabei nach und nach zu gleichen Teilen Sonnenblumen- oder Rapsöl sowie trocken angeröstete Sonnenblumenkerne zugeben, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist. Es würde natürlich auch eine Knoblauchzehe dazu passen. Je nach Menge in mehreren Portionen abfüllen und mit einer Schicht Öl bedecken. Kühl aufbewahren.
Da es sich um ein heimisches Pesto handelt, verwende ich kein Olivenöl und Pinienkerne.
Vor einigen Jahren habe ich sogar mal ein Löwenzahnbier angesetzt. Wie immer trifft das natürlich nicht jedermanns Geschmack. Aber zum Glück ändern sich Geschmäcker auch im Laufe der Zeit. Leider kann ich mich nicht mehr an das Rezept erinnern. Das ist also nochmal eine spezielle Recherche mit anschließendem Experiment wert.
Oder es gibt mal wieder einen Löwenzahnkaffee aus getrockneten und gerösteten Löwenzahnwurzeln. Fein gemahlen, 1 Teelöffel mit einer Tasse Wasser aufkochen. Sofort abseihen, sonst wird es zu bitter.
Und wem das alles zu viel Aufwand ist, aber trotzdem nicht auf Löwenzahn verzichten will, dem empfehle ich, jetzt auf einer Wiese Ihres Vertrauens das entsprechende Kraut zu sammeln, schonend zu trocknen und anschließend zu Pulver zu verarbeiten. Dann kann es bei Bedarf der einen oder anderen Speise zugesetzt werden. Trocken und dunkel aufbewahrt hält sich bis zur nächsten Erntesaison, wenn es nicht schon vorher aufgebraucht ist.
Damit wünsche ich Ihnen allen einen guten Start in den Frühling!
Ramona Kleber
die Kräuterfrau vom
Lavendelhof Marquardt