Der Football-Verein hat großes Potential aber kein eigenes Zuhause
American Football ist die Sportart mit der meisten Medienpräsenz in Deutschland – nach Fußball. Und sie steigt kontinuierlich an. Nicht nur die GFL (German Football League), die Deutsche Bundesliga der Football-Vereine, erhält immer mehr Aufmerksamkeit der Medien. Mittlerweile werden sogar Spiele der Amerikanischen Liga (NFL) – allen voran der Super Bowl – im Fernsehen live übertragen und erreichen in Deutschland ein Millionenpublikum. Kein Wunder also, dass das Interesse bei Kindern und Jugendlichen steigt, diesen Sport auch in Deutschland zu spielen.
Von dieser positiven Entwicklung profitiert auch der Potsdamer Football-Verein POTSDAM ROYALS (kurz ROYALS), der allerdings über die Grenzen Potsdams hinaus wesentlich bekannter ist als in Potsdam selbst. Schließlich gehört die Bundesliga-Mannschaft der ROYALS zu einer der besten in Europa.
Der Schritt zu den Profis
Die ROYALS bestritten ab 2006 ihre ersten Saisons noch unter dem Dach des SC Potsdam. Nach mehreren sehr erfolgreichen Jahren stand man 2010 vor dem möglichen Aufstieg in die 2. Bundesliga. Aus unterschiedlichen Gründen war ein gemeinsamer Aufstieg in diese aber nicht möglich, so dass man den damaligen Förderverein der ROYALS zu einem Sportverein umfunktionierte und von nun an als eigenständiger Verein auftrat. Auch in der zweiten Bundesliga dominierten die ROYALS und blieben einige Jahre hintereinander ungeschlagen. Seit 2018 spielt die erste Mannschaft der Über-18-Jährigen in der Bundesliga mit sehr großem Erfolg. Im selben Jahr gewann sie den Eurobowl, der im Fußball mit dem Europapokal zu vergleichen ist.
Neben dem sportlichen Erfolg entwickelte sich der Verein auch intern weiter. „Wir sind eine große Football-begeisterte Familie, die stark zusammenhält und ein gemeinsames Ziel verfolgt“, beschreibt Jens-Torsten Müller, seit 2020 der Präsident der ROYALS, das Führungsteam des Vereins im Gespräch mit dem POSTDAMER. Müller kennt den Verein sehr gut. 2006 stand er selbst noch als Spieler auf dem Platz, 2018 übernahm er die Leitung der Jugendabteilung und baute sie aus. Während aber die anderen Vereine der Bundesliga-Mannschaften über einen Etat verfügen, der etwa zehnmal so hoch ist wie der der ROYALS und sich damit festangestellte Mitarbeiter, teure Trainer und Spieler leisten können, müssen die ROYALS kleinere Brötchen backen.
„Wir haben derzeit keinen einzigen Angestellten. Alle Aufgaben werden von Ehrenamtlichen übernommen. Das zeigt einerseits die enorme Identifikation und Liebe zum Verein. Andererseits führt es uns aber auch unsere Grenzen deutlich vor Augen“, so Müller. „Aus diesem Grund führen wir regelmäßig Workshops durch, um uns intern auszutauschen, neu auszurichten und Weiterentwicklungen zu ermöglichen.“
Das Ressourcenproblem
Nicht nur die fehlenden Mitarbeiter, durch die eine professionellere Ausrichtung und Struktur möglich wären, sind für den wachsenden Verein ein Problem. Das Problem fehlender Ressourcen, die einem großen Potential und damit einhergehender Chancen – auch für die Stadt – gegenüberstehen, ist allgegenwärtig. „Wir treten leider auf der Stelle. Aktuell gibt es in Vorbereitung der Saison, die zu Ostern mit dem Trainingsauftakt beginnt, noch vieles rund um den Trainings- und Spielbetrieb mit den Verantwortlichen zu klären. Für die große Unterstützung des SC Potsdam und der bisherigen Nutzungsmöglichkeit der Spielflächen des SV Babelsberg 03 und des 1. FFC Turbine Potsdam sind wir sehr dankbar. Ebenso wäre ohne die großartige Unterstützung der Spielereltern der Jugendmannschaften vieles nicht möglich.
Unsere Arbeit ist geprägt von Improvisation und vom ehrenamtlichen Engagement abhängig. Wir haben keine Heimat, keine eigene Spiel- und Trainingsflächen, kein Vereinsgelände mit Sozialtrakt, Umkleiden, Sanitäranlagen, Räumlichkeiten für Schulungen und Material. Wir haben keine 20 Spieler pro Mannschaft, sondern 40, 50 oder gar 60. Wir müssen also in anderen Dimensionen denken als andere Sportvereine und uns entsprechend organisieren. Wenn wir zu einem Auswärtsspiel fahren, ist allein das Anfahren des benötigten Equipments eine riesige logistische Herausforderung“, beschreibt Müller die schwierige Situation.
Auch eine Frage des Geldes
Trotz der Widrigkeiten entwickelt sich der Verein immer besser. Der sportliche Erfolg ist da. Am Ende der letzten Saison wurde man Dritter. Der Mitgliederstamm wächst ebenso wie die Zuschauerzahlen. Diese Entwicklung weckt auch das zunehmende Interesse neuer Sponsoren. „Unsere Sponsoren sind für uns essenziell. Ohne diese finanzielle Kraft wäre der Ausbau des Vereins nicht realisierbar“, ist Müller überzeugt. „Das liegt sicher auch daran, dass wir unseren Sponsoren individuelle Pakete anbieten, um sie bestmöglich in Szene zu setzen. Auch die kleinste Unterstützung ist möglich und hilft. Wir müssen eben flexibel sein, weil wir jeden Euro brauchen.“
Trotzdem begleitet das Problem der fehlenden Heimat diese positive Entwicklung besonders. „Haben wir keine optimalen Spiel- und Trainingsbedingungen, bleibt der sportliche Erfolg aus. Und wenn dieser ausbleibt, werden wir für Sponsoren weniger attraktiv. Dann können wir uns die Weiterentwicklung der Bundesliga-Mannschaft und der anderen Abteilungen nicht mehr leisten. Die Existenz eines eigenen Vereinsgeländes wird daher früher oder später über die Zukunft des Vereins entscheiden.“
Müller weiß aber auch, dass der sportliche Erfolg und die stark wachsende Mitgliederzahl von der Politik und der Stadtverwaltung beobachtet werden. „Wir spüren die wachsende Aufmerksamkeit der Stadt und freuen uns über die aktive Unterstützung, die man uns zukommen lässt“, bedankt sich Müller. Dennoch ist die Finanzierung des Vereins alles andere als gesichert. „Was uns bei der Bundesliga-Mannschaft an Geld fehlt, müssen wir leider bei den Jugendmannschaften kürzen. Trotzdem steht bei uns der Ausbau der Jugendabteilung im Fokus unserer zukünftigen Ausrichtung. Die Jugend ist die Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft des Vereins. Statt teure Spieler aus der ganzen Welt einkaufen zu müssen, wollen wir aus unserer eigenen Jugendarbeit heraus für den passenden Nachwuchs sorgen. Für diesen Weg brauchen wir nicht nur die Unterstützung weiterer Sponsoren, sondern vor allem die der Stadt“, ist sich Müller bewusst.
Ein Sportfest für alle
Bei den ROYALS finden nicht nur alle Altersgruppen auf dem Spielfeld ein Zuhause, sondern auch die Zuschauer. „Unsere Spiele sind jedes Mal eine riesige Party für Groß und Klein“, schwärmt Müller. „Bei uns gibt es keine negativen Ausschreitungen vor, während oder nach den Spielen. Wir haben noch nie Hundertschafften von Polizisten oder Ordnern gebraucht, um unsere Fans im Zaum zu halten oder Konflikte mit Fans unserer Gegner zu vermeiden. Auch das hebt uns deutlich vom Fußball ab. Durch die Kombination von fairem Sport und Unterhaltung sind unsere Heimspiele jedes Mal ein Fest für die ganze Familie.“
Integrationssportart Nummer 1
Neben den vielen Vorzügen, die American Football bietet, steht eine Eigenschaft für Müller über allen. „Es gibt wohl keine andere Sportart, die ein so hohes Potential an Integrationsmöglichkeit hat. Wenn wir uns andere Mannschaftssportarten wie Fußball, Volleyball, Handball oder Basketball angucken, fällt auf, dass alle Spielerinnen und Spieler einen sehr ähnlichen Körpertypus haben. Hier finden sich meist durchtrainierte und schlanke Spielerinnen und Spieler. Im American Football ist das ganz anders. Hier haben wir kleine flinke Spieler, schnelle Läufer, große, mittlere und kleine Werfer und Fänger sowie große, korpulente und stämmige Spieler, von denen jeder eine ganz bestimmte Aufgabe im Spiel erfüllt. Beim Football kann also jeder mitspielen, ganz egal, mit welchem Alter er beginnt. Es gibt für jeden eine Position.
Kein anderer Sport bietet ein so breites Spektrum an Spielertypen wie Football. Hinzu kommt, dass es im Football kaum Ausprägungen von spielentscheidenden Einzelspielern gibt. Auch deshalb gehört Football zu den teamorientiertesten Sportarten. Egal, auf welcher Position man gut oder sehr gut ist, wenn die anderen in der Mannschaft ihre Aufgaben nicht erfüllen, kommt kein erfolgreicher Spielzug zustande. Football ist aufgrund des sehr hohen strategischen Spielanteils auch ein sehr intelligent zu spielender Sport, bei dem sich jeder auf den anderen verlassen muss. Jeder der spielen will, kann auch spielen, weil er individuelle Fertigkeiten und Fähigkeiten mitbringt. Und genau diese Eigenschaften kann man beim Football einbringen“, weiß Müller aus eigener Erfahrung. Aufgrund der Komplexität strategischer Spielentscheidungen nennt man American Football auch „Rasenschach“. In den Männermannschaften kommt dann noch das Körperliche hinzu, das allgemein als Tackling bekannt ist. Diesen Körperkontakt gibt es in den Jugend- und Seniorenmannschaften nicht.
„Wir wollen dem American Football in dieser so sportbegeisterten Stadt auch im Oberhaus den Stellenwert geben, den Potsdam und die Region verdient haben und zusammen mit unseren Fans weiterhin fantastische Football-Feste feiern. Und wir möchten Vorbild sein, im sportlichen wie auch im strukturellen und ideologischen Sinne und Maßstäbe setzen“, beschreibt Müller die Ziele der ROYALS.
Ob dem Verein dies gelingen wird, wird sicherlich auch davon abhängen, ob er in Zukunft ein eigenes und geeignetes Vereinsgelände in Potsdam finden wird.
sts