Tatsachen geschaffen bevor Bebauungsplan genehmigt ist

Wer in den letzten Wochen am Fahrländer Friedhof vorbei kam, erkennt das Gelände nicht mehr wieder. Eine riesige gerodete und plattgewalzte Fläche erstreckt sich von der Straße Am Friedhof bis heran an die Döberitzer Straße. Das Gelände wurde komplett umzäunt. Damit ist auch der Parkplatz des Friedhofs verschwunden. Die Müllfahrzeuge können nicht mehr wenden. Auf der 7,5 ha großen Fläche sollen überwiegend Einfamilien- und Doppelhäuser entstehen. Investorin ist die Leonwert GmbH aus Potsdam, der ca. 2/3 der Flächen gehören. Circa 1/3 ist im Besitz der Stadt Potsdam. Die Abstimmung über den Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan 132 „Am Friedhof“ steht auf der Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung am 4.3.2020. Über das Ergebnis können wir also erst in unserer Aprilausgabe berichten.


Der Ortsbeirat Fahrland jedenfalls kann dem Satzungsbeschluss nur zustimmen, wenn folgende Änderungen berücksichtigt werden: Damit alte große Bäume nicht gefällt werden müssen, sollen einige Häuser in ihrer Position leicht verschoben werden. Diese Forderung kann nur noch für die kommunalen Fläche gelten, da auf dem Gelände von Leonwert bereits alles komplett abgeholzt wurde.
Weiterhin fordert der Ortsbeirat, dass auf einem Baugrundstück für die 36 Bestandswohnungen (wenigstens temporär) deutlich mehr Auto-Stellplätze geschaffen werden als geplant. Ansonsten wäre ein Parkchaos zu befürchten, da die Anwohner ihre momentanen Stellplätze verlieren würden. Wenn später die Straßenbahn fährt, also die Anbindung an den ÖPNV deutlich verbessert wurde, könnte dieses Grundstück immer noch bebaut werden.
Einen Spielplatz für Null- bis Zwölfjährige wünscht sich der Ortsbeirat am neuen Schulweg. Der Platz würde den Schulkindern, den neuen Bewohnern und den Menschen im mit Spielflächen unterversorgten, angrenzenden Dorfkern zugute kommen.

Baustraße durch das Naturschutzgebiet inn Fahrland.

Baustraße durch das Naturschutzgebiet. Fotos: sk

Einschränkunen im Bebauungsplan zu Errichtung von Photovoltaikanlagen möchte der Ortsbeirat aufheben: „Anlagen zur Nutzung von Sonnenenergie sind nur in den Dachflächen liegend zulässig. Aufgeständerte Anlagen und Anlagen ohne Gebäudebezug sind nicht zulässig. Die Oberflächen von Anlagen der Photovoltaik und der Solarthermie sind matt und nicht reflektierend auszubilden.“ Statt dessen fordert der Ortsbeirat, dass auch Anlagen zur Nutzung von Sonnenenergie auf Gebäuden, Garagen und Carports liegend oder aufgeständert zulässig sind. Die Angaben zur Oberflächenbeschaffenheit von Anlagen der Photovoltaik und der Solarthermie sind zu streichen. Aus rechtlichen und klimapolitischen Gründen dürfe es da keine Einschränkung geben. Auf Ausnahmegenehmigungen im Nachhinein, wie es von der Bereichsleiterin Verbindliche Bauleitplanung der Stadt Potsdam, Viola Holtkamp, in der Ortsbeiratssitzung im Januar 2020 vorgeschlagen wurde, möchte sich der Ortsbeirat wegen fehlender Rechtsverbindlichkeit nicht einlassen.
Insbesondere wegen des geforderten Spielplatzes und der Klausel zu den Photovoltaikanlagen kann es sein, dass es bei Annahme der Änderungsbeschlüsse zu einer (eingeschränkten) Neuauslage des Bebauungsplans kommen kann. Einen Zeitverzug möchte die Stadtverwaltung aber im Interesse des Investors auf jeden Fall verhindern. Wären die über 200 Seiten Einwände der Fahrländer, der BürgerInnen-Initaitive und der Naturschutzverbände bereits in den offiziellen Beteiligungsverfahren stärker beachtet worden, gäbe es jedoch nicht diese Diskussionen im Nachhinein und auch keinen Zeitverzug.

Der alten Schafstall wurde Anfang Februar abgerissen. Zahlreiche Bäume mussten fallen.

Der alten Schafstall wurde Anfang Februar abgerissen. Zahlreiche Bäume mussten fallen. Foto: privat

Tina Lange, Mitglied im Ortsbeirat Fahrland und Stadtverordnete für DIE LINKE fasst es so zusammen: „Die immense Wohnbebauung der letzten Jahre hat Fahrland bereits auf eine harte Probe gestellt. Auch dieser Bebauungsplan ist in der derzeitigen Form nicht annehmbar – fehlende Stellplätze für die Altbewohnenden, ein fehlender Spielplatz, die unnötige maximale Rodung von Bäumen, wie auf den privaten Investorflächen leider schon zu sehen ist und regenerative Energien möchte man auch so einschränken, dass Photovoltaik unrentabel wird. Das ist nicht nur mir unverständlich, sondern auch dem Ortsbeirat, der deshalb zu Recht Änderungsforderungen stellt. Wir wollen keine weitere Bebauung zu Lasten der hier Wohnenden, sondern im Einklang miteinander in sinnvollen Kompromissen.“
DIE LINKE-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung stellt weitere Forderungen: So soll auf dem B-Plan-Gelände eine Schulreservefläche für die nötige Erweiterung der Schule eingeplant werden. Diese könnte genutzt werden, falls die eigentlich geplante Erweiterung der Schule Richtung Norden, also im Landschaftsschutzgebiet, scheitert. Außerdem fordert DIE LINKE bezahlbaren Wohnraum. Auf Flächen an der Döberitzer Straße soll kommunaler sozialer Wohnungsbau im Geschosswohnungsbau hergestellt werden.
Ronald Franke, Mitarbeiter der Leonwert GmbH, äußerte in der Ortsbeiratssitzung sein Unverständnis darüber, wieso Politiker jetzt überhaupt noch auf die Idee kämen, es wären noch Änderungen im Bebauungsplanentwurf möglich. Die Verwaltung hätte den Plan abgeschlossen. Ihm wurde gesagt, der Satzungsbeschluss wäre jetzt nur noch eine Formalie. Hier haben aber die Stadtverordneten das letzte Wort.

Bebauungsplanentwurf in Fahrland mit neuen Anliegerstraßen

Bebauungsplanentwurf mit neuen Anliegerstraßen. Grafik: LHP

Baufreiheit um jeden Preis?

Große Fragezeichen tun sich auf in Bezug auf die Schaffung der sogenannten „Baufreiheit“. Gleich nach Veröffentlichung des Entwurfs des Bebauungsplans im November 2019 begann der Investor Leonwert mit ersten bauvorbereitenden Maßnahmen. Dazu gehörten u.a. die Fällung vieler auch großer Bäume. Teilweise lagen dafür Genehmigungen vor.
Allerdings steht die konkrete Behauptung im Raum, dass diese bauvorbereitenden Maßnahmen deutlich umfassender ausfielen, als sie genehmigt wurden. Ob die neu angelegte Baustraße im nördlichen Bereich auf einem Grundstück der Stadt sowie teilweise im Landschaftsschutzgebiet genehmigt wurde, ist fraglich. Der Investor könnte gegen naturschutzrechtliche Vorgaben verstoßen haben, die aus den Umweltgutachten von 2014 und dem Teilgutachten 2019 hervorgehen. Auf der Nordfläche gab es vermutlich keine Ausnahmegenehmigung bzgl. der dort lebenden Zauneidechsen. Weil Zauneidechsen zu den streng geschützten Arten gehören, hätte dort ohne eine solche gar nichts getan werden dürfen. Auf der Südfläche kann man sich die für März geplante zweite Absammlung der Eidechsen wohl sparen. Denn das Gelände ist komplett gerodet und planiert worden. sk