Einwohner heißen Geflüchtete willkommen, ärgern sich aber über die schlechte Planung und Kommunikation der Verwaltung
Knapp 500 Bürgerinnen und Bürger kamen nach Eiche in die Sporthalle der Ludwig-Renn Grundschule, als die Potsdamer Verwaltung zur Informationsveranstaltung zu dem geplanten Bau von Unterkünften für Geflüchtete in Golm einlud. Wegen einer Demonstrationsankündigung war auch Polizei vor Ort.
Die hohe Teilnehmerzahl der Bürgerinnen und Bürger aus Golm und Eiche zeigte das große Interesse an der Thematik. Sie zeigte aber auch die lückenhafte Kommunikation seitens der Stadtverwaltung im Vorfeld zu diesem Thema. Ein erster Informationstermin im September 2022 fand erst statt, nachdem die Einwohner aus der Zeitung von dem Sonderbauprogramm der Stadtverwaltung erfahren haben.
Auch in Fahrland bekleckerte sich die Verwaltung nicht mit Ruhm. Erst nach großen Protesten der Einwohner über das bereits begonnene Bauvorhaben direkt an der Regenbogen-Grundschule war die Verwaltung zu einer Informationsveranstaltung Ende 2022 bereit, konnte aber auch dort viele Fragen nicht beantworten.
Das immer wieder kritisierte Kommunikationsverhalten der Verwaltung begründete Oberbürgermeister Schubert am Abend in Eiche damit, dass in diesem Thema ein bestimmter Weg zu durchlaufen sei. Bevor man eine Informationsveranstaltung einberuft, müsse man durch die entsprechenden Gremien, in denen die Antworten erarbeitet werden, so Schubert. Schließlich wolle man die Bedenken der Bürger ernst nehmen und auf die Fragen ausführlich antworten können.
„Mit seiner Bemerkung, dass es sich bei der Einwohnerversammlung ausschließlich um eine Informationsveranstaltung handele und grundsätzlich das Vorhaben nicht mehr zur Diskussion stünde, schlug der Oberbürgermeister den Besuchern der Veranstaltung ziemlich vor den Kopf“, kritisierten die Ortsvorsteherin von Golm, Kathleen Knier, und ihre Stellvertreterin, Angela Böttge, nach der Veranstaltung. „Bei den allermeisten Anwesenden ließ Schubert wieder einmal erhebliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit bürgerschaftlichen Engagements in der Stadt Potsdam aufkommen“, so die Vertreterinnen der Golmer Einwohner. Weil bereits jetzt in der Grundschule Eiche Golmer Kinder nicht mehr aufgenommen werden können, werde ein Wettbewerb zwischen den Golmer Familien und der der Geflüchteten erzeugt, welcher eine Integration massiv behindert könne, befürchtet Knier.
Vor der Veranstaltung in Eiche
Im März 2023 fand die Ortsbeiratssitzung in Golm statt, bei der mehrere Teilnehmer der Stadtverwaltung die aktualisierten Planungen vorstellten. Auch hier gab es ein hohes Interesse seitens der Einwohner. Ein umfangreicher Fragenkatalog, den der Ortsbeirat Golm gemeinsam mit den Menschen vor Ort erstellt hatte und der eine Vielzahl der Fragen aufgriff, die bereits 2022 an die Verwaltung gestellt wurden, ist bis heute nicht konkret beantwortet worden.
Aufnahme-Order des Bundes kam spät, aber nicht überraschend
Bereits im Herbst 2022 bestätigte ein Sprecher der Stadt auf Nachfragen des POTSDAMERs, dass 2023 mit weiteren Geflüchteten zu rechnen sei, die man längere Zeit unterbringen müsse. Dennoch konnten viele Fragen mehrere Monate später immer noch nicht beantwortet werden. „Dass die Stadtverwaltung am 18. April 2023 deutlich machte, jetzt erst konkret nach Lösungen zu suchen, sehe ich kritisch. Hier hätte man spätestens im September 2022 starten müssen, um in die Schaffung einer Lösung zu investieren“, kritisiert Dominik Kurzynski, stellvertretender Vorsitzender der CDU Potsdam West und Golmer Einwohner.
Auch die Bestätigung des Fachbereichsleiters für Fachbereich Bildung, Jugend und Sport, Steffen Richter, dass nicht jedem Golmer Kind ein Krippen-, Kita- oder Grundschulplatz angeboten werden könne, weil man Plätze für Kinder von Geflüchteten vorhalten müsse, stieß auf großes Unverständnis. Pfeiffer gab zu, keine Details in puncto zu erwartender Geflüchteter nennen zu können, weil er die Details noch nicht habe. „Wir haben damit vorletzte Woche begonnen“, gab er zur Begründung an.
Auf die Frage, wie die Integration der Geflüchteten – vor allem der Kinder und Jugendlichen – gewährleistet werde, hieß es seitens der Sozialbeigeordneten Brigitte Meier und des Abteilungsleiters Steffen, dass es dafür entsprechende Schulsozialarbeiter gebe sowie die bestehenden Strukturen der Verwaltung für soziale Themen bereitstünden.
„Wer allerdings sieht, wie schon seit Jahren Kinder mit Migrationshintergrund in den Schulen den notwendigen Deutschunterricht und die sozialpädagogische Betreuung wegen des Personalmangels nicht erhalten, der weiß, dass die Planungen der Verwaltung mit der Realität (wieder einmal) nicht viel zu tun haben“, sagte ein Besucher am Rande der Veranstaltung.
Was plant die Stadt in Golm?
Im Eichenweg sind 71 Wohneinheiten in sieben dreigeschossigen Gebäuden, im Kossätenweg 72 Wohnungen in fünf Gebäuden geplant. Insgesamt sollen beide Standorte Platz für 446 Menschen bieten. Bis spätestens Ende 2024 sollen die Unterkünfte bezogen sein.
Die Hälfte der Geflüchteten ist aller Voraussicht nach unter 18 Jahre alt. „Wir gehen von 37 Kindern im Krippen- und 50 im Kindergartenalter aus“, so Pfeiffer. Im Kitabereich sei man gut aufgestellt. Man plane den Bau einer Kita im Laufe dieses Jahres in Golm mit 127 Plätzen. Die Versorgung der Kinder mit Schulplätzen nennt Pfeiffer allerdings „eine kleine Herausforderung“. Die Stadt rechnet für Grundschule und Hort in Golm mit 74 Kindern und mit 62 Kindern für die weiterführenden Schulen. Daher plane man eine temporäre Erweiterung der Ludwig-Renn-Grundschule in Eiche in Modulbauweise.
Verwaltung bitte um Zeit für Antworten
So gut die Absicht der Verwaltung auch gewesen sein mag, die Informationen waren immer noch spärlich und zum Teil widersprüchlich. Man wisse zwar ganz genau, was man für wen bauen wolle, habe aber keine genauen Angaben zu der Anzahl der unterzubringenden Geflüchteten, könne keine genauen Angaben zu den Bau- und Betriebskosten der Unterkünfte geben. Ebenso konnten keine genauen Angaben zu der Verteilung der unterzubringenden Geflüchteten, keine genauen Angaben über die Verfügbarkeit von Schul- und Kitaplätzen, keine genauen Angaben zu möglichen Erweiterungen oder Neubauten von Schul- und Kitagebäuden und vielen anderen Themen seitens der Verwaltung gemacht werden.
Aus diesem Grund fragte der POTSDAMER noch einmal detaillierter nach. Die Antwort der Stadt: „Wir bitten noch um etwas Geduld.“
Alles in allem bleibt das Gefühl, dass die Stadt nicht nur Opfer der vom Bund vorgeschriebenen Aufnahme von Geflüchteten ist, sondern, dass die Durchführung dieser Aufgabe bereits in der Planungsphase zu scheitern droht.
Dennoch gibt der POTSDAMER einigen an dieser Stelle die Möglichkeit, selbst ein Fazit zu der Veranstaltung zu ziehen:
Oberbürgermeister Schubert sagt:
„Die Anwohnerinformationsveranstaltung zum Sonderbauprogramm Golm war die bisher von den Bürgerinnen und Bürgern am stärksten frequentierte Veranstaltung. Im Unterschied zu den bisherigen Informationsveranstaltungen zum Sonderbauprogramm der ProPotsdam konnten wir hier bereits im Vorfeld eine intensive Skepsis und auch Widerstände wahrnehmen. Deshalb war es uns ein großes Anliegen, auf dieser Veranstaltung mit den Bürgerinnen und Bürgern einen Dialog auf Augenhöhe zu führen, um dem großen Informationsbedarf nachzukommen und für Transparenz zu sorgen. Die Aufnahme Geflüchteter ist eine gesetzliche Pflichtaufgabe, die die Kommunen aktuell stark herausfordert. Die Landeshauptstadt Potsdam steht aber klar zu ihren humanitären Verpflichtungen. Damit Integration gelingen kann, sorgen wir zudem dafür, dass sich Unterkünfte für Geflüchtete nicht an einer Stelle konzentrieren, sondern dass es Standorte im gesamten Stadtgebiet gibt.
Der Weg, den wir mit dem Sonderbauprogramm auch in Golm gehen wollen, ist nachhaltiger als bei bisherigen Unterbringungsmöglichkeiten. So lassen sich weitere Nutzungen mitdenken, die für die Entwicklung von Golm wichtig sind, etwa für den Wohnbedarf von Studierenden und Gastwissenschaftlern. In der Planung werden diese Nutzungsmöglichkeiten berücksichtigt.
Die Vorhaben hatten wir bereits im vergangenen Jahr dem Ortsbeirat und in einer Versammlung im September vorgestellt. Unserer Erfahrung nach gibt es immer viele Fragen zu den Bauvorhaben. In Golm waren diese besonders zahlreich. Es war uns wichtig, auf der erneuten Veranstaltung am 18. April Antworten zu geben.
Dort gab es auch Raum für berechtigte Sorgen und Kritik. Dabei geht es oft auch um das Wachstum unserer Stadt, ob und wie hier die Infrastruktur mitwächst und wie sich dadurch die Lebensqualität verändern kann. So gab es auch bereits Ende März ein Gespräch mit den Anwohnerinnen und Anwohnern im Eichenweg zur Geschossigkeit der geplanten Gebäude. Als wichtiges Ergebnis dieser Gespräche wird nun auf das 4. Geschoss verzichtet, so dass die Gebäude nur noch in etwa die Höhe eines Einfamilienhauses erreichen. Der kontinuierliche Austausch mit den Anwohnerinnen und Anwohnern und dem Ortsbeirat wird natürlich weitergehen.“
Die Ortsvorsteherin aus Golm, Kathleen Knier, und ihre Stellvertreterin, Angela Böttge, sind der Meinung:
„Die durch den Oberbürgermeister als Entgegenkommen der Verwaltung beworbene Informationsveranstaltung wurde auf Drängen des Ortsbeirates ausgelöst, durch das massive Interesse Golmer Bürgerinnen und Bürger. So konnte diese, anders als ursprünglich geplant, bereits im April 2023 durchgeführt werden. Die Entscheidung der Stadt und ihrer Tochter, der Pro Potsdam, am Eichenweg ausschließlich dreigeschossige Baukörper zu errichten, fiel auf Druck des Ortsbeirates und der Anwohnenden.
Dennoch blieb die Veranstaltung durch einen respektvollen Umgang miteinander gekennzeichnet. Die im Vorfeld befürchtete grundsätzliche Spaltung der Bürgerschaft in die Lager ,für oder wider Flüchtlinge in Golm‘ blieb nicht nur aus, sondern war ohnehin nur insoweit zu erwarten, dass für den Ortsteil ein ganzheitlicher Ansatz für die Versorgung des Ortsteils zu treffen ist!
Leider ließen Oberbürgermeister Mike Schubert, seine Beigeordnete Brigitte Meier sowie die weiteren ihn begleitenden führenden Mitarbeiter verschiedener Fachbereiche die weit über 200 drängendsten Fragen Golmer Bürger, die bereits in Vorbereitung der Ortsbeiratssitzung am 16.03.2023 an die Verwaltung übermittelt wurden, unbeantwortet. Allein die Tatsache, dass über 500 Golmer und Eicher Bürger die Veranstaltung besuchten, um direkt vor Ort ihre Fragen zu stellen und Antworten zu erhalten, lassen daher angesichts der nahezu generalstabsmäßigen Desinformationspolitik der anwesenden Verwaltungsvertreter in der so bezeichneten Informationsveranstaltung das Auftreten des Oberbürgermeisters kaum schönreden. Schließlich wurden viele Erklärungen und Ausführungen abgegeben, ohne greifbare Aussagen zu treffen.
Sehr unbestimmte Ausführungen der zuständigen Verwaltungsmitarbeiter, zeugten vielmehr von einer gewissen Hilflosigkeit. Weder wurden z.B. Aussagen dazu getroffen, wie die bereits vor Errichtung der geplanten Flüchtlingswohnungen im Zusammenhang mit Bestands- und in Kürze in der Feldmark ans Netz gehenden Wohnungen
1. bestehende Diskrepanzen zwischen Bedarf und Angebot an Kita-, Grundschul- und Plätzen an weiterführenden Schulen ausgeräumt
2. der Personalbestand in den vorhandenen Einrichtungen erhöht werden kann, noch
3. wie beispielsweise der Ausbau des Eichenwegs als Voraussetzung für den Nachweis der gesicherten Erschließung zu dem bereits gestellten Bauantrag geführt werden sollen.
Essenzielle Forderungen des Ortsbeirates Golm bleiben daher:
1. Es sind umgehend verlässliche Aussagen zu treffen, wie hoch der tatsächliche Bedarf an Kita-, Grundschul- und Plätzen an weiterführenden Schulen in Golm/Eiche ist und wie dieser gedeckt werden soll.
2. Es ist umgehend zu informieren, wie die Erschließung der Bebauung am Eichenweg realisiert und gesichert werden soll.
3. Zur Sicherstellung der weiteren sozial-, gesundheits-, kulturinfrastrukturellen und versorgungsseitigen Entwicklung ist die Arbeit am Bebauungsplan B 157 (1 und 2) mit höchster Priorität voranzutreiben, um für den Ortsteil endlich die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Entwicklung einer Ortsmitte zu schaffen.
Dominik Kurzynski, stellvertretender Vorsitzender der CDU Potsdam West und Golmer Einwohner sagt:
„Ein Ergebnis ist, dass viele Fragen weiterhin nicht im Detail beantwortet werden konnten. Die größten offenen Baustellen sehe ich im Bereich von Schulen und Kitas. Den langjährigen Mangel muss die Stadt mit dem gleichen Tempo, wie beim Wohnbauprogramm beheben. Es ist deutlich, dass die bisherige Kommunikation nicht ausreichend war und einem kompletten Umbau benötigt. Dieser Mangel ist auch Grund dafür, dass rechtsradikale Kräfte im April in diese Lücke stoßen wollten. Als Golmer ist es mir wichtig, deutlich zu machen, dass die Menschen hier keine Radikalen sind, sondern konstruktive Fragen haben, die gerade für eine hohe Integrationsbereitschaft stehen.
Gegenüber der Stadtverwaltung habe ich die Erwartungshaltung, dass Schulen und Kitas in Golm zeitgleich mit dem Bezug bereitgestellt werden, um eine weitere Erfolgsgeschichte zu erleben. Wir vor Ort möchten den Menschen helfen, brauchen aber auch das Werkzeug, um Erfolge zu feiern. Jetzt zählt die Leistung des Oberbürgermeisters bei der Bereitstellung dieser Mittel.
Uwe Adler, SPD, MdL, meint:
„Die Anwohnerversammlung in Golm war für alle Beteiligten sehr wichtig. Die Verwaltung hatte nach vorangestellter Kritik die Möglichkeit ihre Vorstellungen zur Umsetzung des Sonderbauprogramms in Golm, Eichenweg und Kossätenweg, vorzustellen. Viel wichtiger aber noch, war die damit einhergehende Möglichkeit für die Bürgerinnen und Bürger von Golm und Eiche, sich zum geplanten Projekt zu informieren. Kritische Fragen zu sozialer (Begleit-) Infrastruktur, Kitas und Schulen wurden gestellt und ich bin überzeugt, die Potsdamer Verwaltung hat genau zugehört und aufgenommen. Das Sonderbauprogramm ist für Golm Chance und Herausforderung zugleich. Es freut mich, dass die nachvollziehbare Kritik der Anwohner zur Bauhöhe der geplanten Gebäude seitens der Verwaltung angenommen wurde und nun auch die städtische Entscheidung steht, dass diese sich über eine ausschließliche Dreigeschossigkeit und somit geringere Bauhöhe, ins Ortsbild einpflegen können.
Das weitere zeitliche Vorgehen muss die Verwaltung kommunizieren und die Menschen vor Ort gleichberechtigt und transparent mit auf einen gemeinsamen Weg nehmen. Die Veranstaltung hat mir auch deutlich gezeigt, dass Einwohnerinnen und Einwohner von Eiche und Golm weltoffen, solidarisch, freundlich und sehr emphatisch sind!“
sts