In Groß Glienicke entsteht ein neuer Bio-Betrieb

Während seine Freunde lieber vor dem Computer saßen, spielte Marc Fechner, Jahrgang 1997, nach eigener Aussage mit Schweinen und anderen Tieren des kleinen Hofes, auf dem er aufwuchs. Der kleine Hof in Groß Glienicke ist seit etwa 1870 in Familienbesitz, wurde jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg und während der DDR-Zeit kaum genutzt. Nach der Wende hielt die Familie auf dem Hof Schweine und Kaninchen zum Eigenbedarf. Mit der Landwirtschaft ist Marc Fechner also schon als Kleinkind in Berührung gekommen. Jetzt hat der Landwirt in Groß Glienicke seinen eigenen kleinen Betrieb gegründet und möchte somit die Familientradition der Landwirte in Groß Glienicke fortsetzen. Auf den Flächen des alten Groß Glienicker Pfarrackers, westlich der L20 in Richtung Seeburg, hält Fechner seit Ende September eine kleine Herde Rinder. Die Idee sei während seiner Ausbildungszeit im Erzgebirge „auf seinem eigenen Mist gewachsen“, erzählt der junge Landwirt im Gespräch mit dem POTSDAMER.

Betrieb dient nur dem Nebenerwerb

Einst diente der Pfarracker den ansässigen Pastoren zur Sicherung ihrer Lebensgrundlage, da deren Einkommen sehr gering war. Seit der Wende wurde die sich im Eigentum der Evangelischen Kirchengemeinde Groß Glienicke befindliche Fläche nur noch in einem Übergangszeitraum landwirtschaftlich genutzt.
Als Fechner sich von einem Freund zeigen ließ, wie dieser sich einen kleinen Betrieb im Erzgebirge aufgebaut hatte, dachte er sich: „Das kann ich auch“. Von seiner Idee überzeugt, wandte sich Fechner 2018 an den damaligen Vorsitzenden des Gemeindekirchenrates, Burkhard Radtke, und lief bei diesem offene Türen ein. „So ein ehemaliges märkisches Bauerndorf, wie es Groß Glienicke war, sollte noch bestimmte Strukturen bewahren, damit auch noch unsere Kinder und Enkel wissen, was Landwirtschaft ist“, sagt Radtke gegenüber dem POTSDAMER. Der laufende Pachtvertrag wurde in Übereinstimmung beendet und Ende 2020 der Pachtvertrag mit Marc Fechner abgeschlossen.

Marc Fechner (MItte) mit seinen Großeltern, Brigitte und Hans-Jürgen Bartel, auf dem gepachteten Pfarracker.

Marc Fechner (MItte) mit seinen Großeltern, Brigitte und Hans-Jürgen Bartel, auf dem gepachteten Pfarracker.
Fotos: sts

Der geplante Betrieb stellt allerdings mit seiner aktuell nutzbaren Weidefläche von nur etwa fünf Hektar eine sehr begrenzte Wirtschaftlichkeit in Aussicht. Aus diesem Grund wird der Betrieb nur dem Nebenerwerb dienen. Eine hauptberufliche Tätigkeit sieht Fechner in Zukunft eher bei einem der „interessanten Betriebe in der Region“, mit denen er bereits erste Gespräche geführt hat. Parallel zu seiner Ausbildung zum Landwirt begann er im dualen System ein Studium zum Agrarwissenschaftler, das er 2022 abschließen wird. Durch die Kombination von Ausbildung und Studium möchte Fechner theoretisches und praktisches Wissen miteinander verbinden.

Bio-Zertifizierung soll kommen

Seit wenigen Tagen sind auf der mittlerweile mit einem neuen Elektrozaun umzogenen Weidefläche junges Fleckvieh zu sehen. Dieses hat aktuell ein Alter von wenigen Monaten und soll im Laufe des kommenden Jahres erwachsen werden. Mitte 2022 soll ein Bulle der kleinen Herde zugestellt werden, so dass Fechner im Jahr 2023 mit dem ersten Nachwuchs rechnet.
Die naturbelassene Haltung der Tiere wird dabei im Vordergrund stehen. „Die Tiere brauchen lediglich ausreichend Futter, Wasser, einen schützenden Unterstand und ab und zu die notwendigen tierärztlichen Untersuchungen“, so Fechner. Weil selbst niedrige Temperaturen im Winter den Tieren nichts ausmachen, kann Fechner auf die Stallhaltung verzichten. Später soll die Viehzucht auch Bio-zertifiziert werden, damit der ohnehin biologisch geführte Betrieb auch eine offizielle Bestätigung für die Haltungsqualität erhält.

Die Haltung der Rinder ist auch für die Artenvielfalt ein Gewinn. Der Mistkäfer freut sich ganz besonders über seine neuen Mitbewohner.

Kein Show-Betrieb, aber offen für Bürger

Ein Vorzeige-Bauernhof im Sinne eines Bauernhofes für Kinder möchte Fechner nicht sein. „Bei einem solchen Konzept werden die Arbeit und die Verantwortung des Berufes den Kindern zu wenig nähergebracht“, ist Fechner der Meinung. „Es geht in unserem Beruf nicht darum, den ganzen Tag Tiere zu streicheln. Unser Arbeitstag fängt oft früh morgens um vier Uhr an und endet abends um zehn. Die große Verantwortung, die wir als Landwirte den Tieren und der Gesellschaft gegenüber haben, wird den Kindern in der Schule nicht beigebracht.“ Fechner ist Landwirt aus Leidenschaft, deshalb sieht er das Angebot eines sogenannten „Kinder-Bauernhofs“ eher kritisch. Dennoch möchte er in der Region wahrgenommen werden und den Kontakt zu den Bürgern suchen. Fechner sei es wichtig, dass die Menschen den Betrieb als Teil der Region kennenlernen. Die Zusammenarbeit mit Schulen schließt Fechner dabei nicht grundlegend aus, dann möchte es Fechner aber anders ablaufen lassen als in einem Streichelzoo.
Der Kita-Träger Spatzennest e.V. hatte sich bereits im Vorfeld für Teile der Pfarracker-Fläche beworben, weil dieser für die dort geplante Inklusionskita eine zusätzliche Fläche für den Neuaufbau eines Kinderbauernhofes benötigt. Burkhard Radtke lehnte diese Anfrage jedoch mit der Begründung ab, dass auf der anderen Straßenseite bereits eine entsprechende Einrichtung existiere.

Die robusten Rinder können das ganze Jahr über im Freien gehalten werden, einen Unterstand bekommen sie trotzdem noch.

Fleisch statt Milch und Eier

Die Rinder, die auf der Fläche gehalten werden, sind reine Fleischrinder. Ein Milch erzeugender Betrieb wird nicht entstehen. Ebenso soll die ursprünglich geplante Haltung von Hühnern und die Produktion von Bio-Eiern anfangs noch nicht umgesetzt werden, da diese sehr zeitintensiv und parallel zum Studium laut Fechner nicht möglich sei.
Auch wenn der Groß Glienicker Betrieb Bio-Fleisch produzieren wird, wird die verfügbare Menge überschaubar sein. Weil Fechner die Kälber und die Mutter-Kühe so lange wie möglich auf der Fläche zusammen halten möchte, werden Tiere erst aus der Herde genommen und der Fleischproduktion zugeführt, wenn die Weidefläche den Vorgaben entsprechend zu klein wird. Dabei soll das Bio-Fleisch primär an private Haushalte der Region verkauft werden, aber auch die Gastronomie möchte Fechner später gerne beliefern. Ein billiges Produkt wird es jedoch nicht sein. „Fleisch ist ein sehr wichtiges Lebensmittel. Das heißt aber nicht, dass wir so viel Fleisch essen müssen, wie wir es aktuell tun. Auch wenn ich Bio-Fleischproduzent bin, sehe ich den sehr hohen Fleischkonsum in Deutschland sehr kritisch. Durch eine geringere Fleischproduktion wird die Umwelt erheblich entlastet und die Lebensqualität der Tiere aus Bio-Betrieben steigt um ein Vielfaches“, so Fechner. Und weil das Bio-Fleisch eine besonders hohe Qualität verspricht, rechnet Fechner mit Preisen, die deutlich über dem der Billig-Discounter liegen. „Ich werde das Fleisch nicht übermäßig teuer verkaufen. Aber ich muss mehrere Faktoren berücksichtigen: die hohe Qualität, den Arbeits- und Investitionsaufwand sowie den Respekt vor dem Lebewesen als solches, das für unseren Konsum sein Leben gibt“, macht Fechner seine Position deutlich.

Der passionierte Landwirt

Der Pfarracker wurde von Fechner von der Evangelischen Kirchengemeinde für zwölf Jahre gepachtet. Bevor die Rinder auf die Weide ziehen konnten, musste Fechner erst einmal alte Wirtschaftswege wiederherstellen, der Bewaldung der Fläche entgegenwirken, die Weideanlage von Müll befreien sowie für die Wiederherstellung eines gesunden Weide-Wiese-Milieus sorgen. Fechner möchte den Betrieb so lange wie möglich erhalten, wenn möglich bis zur Rente oder sogar darüber hinaus. Viel verdienen wird er damit doch vermutlich nicht. „Ich mache diesen Beruf nicht des Geldes wegen, sondern weil die Landwirtschaft meine Passion ist. Die Landwirtschaft ist die Branche, in der man für die meiste Arbeit am wenigsten Geld bekommt. Und weil ich Kühe liebe und die Fläche eine Schweinhaltung nicht anbietet, habe ich mich für die Haltung der Rinder entschieden.“
Reich wird Fechner mit dem kleinen Öko-Betrieb vermutlich nicht, aber für die Region ist dieser Betrieb sicherlich eine große Bereicherung.

sts