Bürgerinitiative wehrt sich gegen Riesen-Raststätte

In den Dörfern im Potsdamer Norden hat sich eine Bürgerinitiative (BI) gegründet, die sich gegen den geplanten Bau der Autobahnraststätte Havelseen an der A 10 am Standort Satzkorn wehrt. Die Raststätte soll neben Tankstelle und Rasthof Platz für 103 LKWs bieten. Die Planfläche ist rund 30 Hektar groß – und damit größer als die Grundfläche der Dörfer Paaren und Kartzow, in deren unmittelbarer Nachbarschaft sie gebaut werden soll. „Es ist ein Raumschiff, dass hier mitten in unserer kleinteiligen Landschaft aus Äckern, Streuobstwiesen, Wanderwegen und Hecken landen soll“, sagt Ingo Kunde, Mitglied der BI Potsdamer Norden.
Viele Anwohner erfuhren von dem Bauprojekt aus der Zeitung – und dort hörte es sich so an, als ob der Bau beschlossene Sache sei, die Stadt Potsdam sich über „mögliche Synergien mit dem Friedrichspark“ freue und die Anwohner nur noch pro Forma im Planfeststellungsverfahren beteiligt werden sollen, das in diesem Jahr noch starten solle. Möglicher Baubeginn sei 2023.

Die alten Obstwiesen in unmittelbarer Nähe der geplanten Raststätte – ein Biotop für seltene Vögel.

Die alten Obstwiesen in unmittelbarer Nähe der geplanten Raststätte – ein Biotop für seltene Vögel.
Foto: Silke Beckedorf

Fläche ist jetzt noch wertvoller Lebensraum

„Wir sind geschockt, dass man so über die Menschen hinweggeht, die in dieser Region leben und ihre Landschaft lieben“, so die Mitglieder der Bürgerinitiative. Die Teilnehmer nahmen sofort Kontakt zur Politik auf, informierten die Presse und Naturschutzverbände. Die Planfläche sei ein Acker mit gutem Boden, ein wertvoller Lebensraum für seltene Tiere – und das Lebensumfeld von Menschen, die nur wenige hundert Meter entfernt wohnen, sind die Argumente seitens der BI. „Wir leben nicht nur in unseren Häusern, wir alle hier nutzen die betroffene Region, um dort spazieren zu gehen, Sport zu treiben und uns zu erholen“, sagt Kunde. Direkt auf den betroffenen Flächen brüten Kiebitze, eine geschützte Vogelart, die seit den 1980er-Jahren über 90 % ihres Bestandes verloren hat. Angrenzend brütet auf einem Strommast ein Fischadlerpärchen; in den nur rund 200 Meter entfernten alten Obstwiesen sind Pirole, Neuntöter und Wiedehopfe zu Hause. An der Planfläche entlang läuft der 66-Seen-Rundwanderweg, der um Berlin herumführt.

Kiebitze, die bei uns auf dem Weg zum Aussterben waren.

Kiebitze, die bei uns auf dem Weg zum Aussterben waren. Foto: Pixabay

Viele Anwohner befürchten nachhaltige Beeinträchtigungen der Lebensqualität in ihren Dörfern. Allein die Bauphase solcher Raststätten dauert ein bis zwei Jahre, danach bleibt die Region auf Dauer durch Lichtverschmutzung, versiegelte Flächen, mutmaßlich auch durch Vermüllung und gestiegene Kriminalität geschädigt, Nebenwirkungen, die oft mit solchen großen Raststätten einhergehen. „Es wird zu Wertverlusten der Häuser kommen“, so die Mitglieder der BI.
Noch ein wichtiger Fakt: In der Region gibt es noch wirkliche Nacht. Die Region ist kaum durch künstliche Lichtquellen erhellt – in Vollmondnächten werfen die Häuser Schatten. Lichtverschmutzung ist als eine der Ursachen des Insektensterbens wissenschaftlich anerkannt.

Bürgerinitiative wächst

Auf einer Informationsveranstaltung in der Kulturscheune Marquardt, die am 18. Oktober von der BI ausgerichtet wurde, schlossen sich weitere Bürger aus den umliegenden Orten der BI an. Da die Teilnehmerzahl aufgrund Corona auf 50 begrenzt war, konnten nicht alle Interessenten hineingelassen werden, etliche standen bei regnerischem Wetter draußen vor der Tür.
Die Bürgerinitiative fordert, dass sich die planende Behörde nach Alternativstandorten umsieht und das Planfeststellungsverfahren nicht mitten in der Pandemie startet, einer Zeit, in der kaum politische Gegenwehr möglich ist und daher demokratische Prozesse behindert würden.
LKW-Fahrer brauchen Möglichkeiten, Pausen zu machen und sich zu erholen. Die Mitglieder der BI erkennen an, dass dies notwendig ist. Allerdings können sie nicht nachvollziehen, dass dafür unverbaute Naturflächen zerstört, Ackerflächen vernichtet werden und das Lebensumfeld mehrerer Dörfer massiv beeinträchtigt wird. „Es gibt entlang der A 10 an mehreren Flächen, die bereits versiegelt und auch nachts beleuchtet sind. Es gibt auch die Raststätte Wolfslake, deren Genehmigung verlängert werden könnte,“ so die BI.

Silke Beckedorf

Mitmachen – Petition unterzeichnen!

Was die Bürgerinitiative „Potsdamer Norden“ fordert:
Wir hinterfragen, wieso das Gebiet zwischen Paaren, Kartzow und Satzkorn durch Flächenversiegelung und Lichtverschmutzung als Lebensraum für Tiere vernichtet wird, und das in nur wenigen Kilometern Entfernung zur Döberitzer Heide, einem FFH-Gebiet. Die Bundesregierung, in deren Auftrag gebaut werden soll, hat sich selbst zum Ziel gesetzt, die Flächenversiegelung und die Lichtverschmutzung zu stoppen.

Wir hinterfragen auch, was für ein Signal der Bau solch einer riesigen Raststätte in „Potsdams grünem Vorgarten“ aussendet. Die Menschen hier lieben ihre Natur und beobachten tagtäglich, wie bereits heute immer mehr Bäume durch die Klimaveränderung absterben. Wir fordern die Politik auf, darauf zu reagieren und sich gegen den immer weiter ausdehnenden Verkehr zu stellen. Wir appellieren an unsere Politiker, die Klimawende ernst zu nehmen. Eine gigantische Raststätte direkt neben kleinen, ländlichen Dörfern in einem unzerstörten Naturraum wäre ein deutliches Signal für ein „wir machen weiter wie bisher“. Schaffen Sie stattdessen Stellplätze auf bereits versiegelten Flächen, ohne noch mehr Natur zu zerstören – und arbeiten Sie parallel daran, dass der LKW-Verkehr ab- statt immer mehr zunimmt.

Diese und andere Argumente stehen in unserer Onlinepetition kann „Lieber Naturerhalt statt Asphalt“. Man findet sie auf openpetition über Google oder auch über die Homepage der BI: www.potsdamer-norden.de. Bitte machen Sie mit! Pro Haushalt können bis zu fünf Mitglieder unterschreiben.
Kontakt zur BI kann aufgenommen werden über buergerinitiative@potsdamer-norden.de. Per E-Mail kann man Mitglied werden. Silke Beckedorf: 0173-643 66 95