Das junge Golmer Bläserensemble „Havelländer Goldkehlchen“ feiert internationale Erfolge
Klar, dass sich Jäger heute erst mal in einer WhatsApp-Gruppe zusammenschließen, bevor sie zur gemeinsamen Jagd aufbrechen. Aber in vielen Fällen sind die Signale der Jagdhornbläser während der Jagd der Handyverständigung überlegen: Alle hören das Signal gleichzeitig und können schnell reagieren, die Hände sind frei zum Bedienen des Gewehrs, mögliche Funklöcher im Wald kein Thema. Auch, wenn reine Verständigungssignale heute während der Jagd nur noch selten benutzt werden, sind sie fester Bestandteil des gepflegten Brauchtums.
„Sammeln der Jäger“, „Begrüßung“, „Aufbruch zur Jagd“„Treiber in den Kessel“, „Aufhören zu Schießen“, „Damhirsch tot“, „Sau tot“, „Jagd vorbei“, „Halali“, Zum Trinken“ – das sind Signale, die jeder Jäger kennen sollte. Nach alter Tradition folgen die Gesellschaftsjagden, die gewöhnlich von September bis Januar stattfinden einem fest geschriebenen Ablauf. Die Signale der Jagdhornbläser markieren die einzelnen Abschnitte.
Blasende Jäger und jagende Bläser
„Wir gehören zu der zweiten Truppe“ sagt einer der Bläser der „Havelländer Goldkehlchen“ während der wöchentlichen Probe in der Golmer Reiherbergstraße und lächelt verschmitzt. Tatsächlich sind fast alle Mitglieder des Ensembles selbst Jäger. „Ein paar Töne blasen, das bekommen die meisten Jäger hin. Zur Verständigung bei der Jagd ist das ok. Der Anspruch der Goldkehlchen ist, das jagdliche Brauchtum zu pflegen – mehrstimmig und mit möglichst hoher Qualität und musikalischem Niveau“, sagt Andreas Bohm, Profibläser mit langer Orchestererfahrung und musikalischer Leiter für die Parforcehorn-Spieler in der Gruppe. Natürlich kommen auch die klassischen Fürst-Pless-Jagdhörner und die Ventilhörner zum Einsatz. Inzwischen beherrschen die Goldkehlchen neben den Signalen eine große Bandbreite an jagdlichen Stücken, Fanfaren, Märschen, Heimat- und Volksliedern, die sie zumeist vier- oder fünfstimmig vortragen.
Als Team zusammen gewachsen
Angefangen hat alles mit einem Einsteigerkurs für das Jagdhornblasen des Landesjagdverbandes Brandenburg im Januar 2017. Einer ihrer Lehrer war der Jagdhornbläser Lutz Hamann. „Es hat uns so viel Spaß gemacht, dass wir danach unbedingt weitermachen wollten. Aber keine Bläsergruppe wollte uns als Anfänger aufnehmen“, erzählt die Sprecherin der Goldkehlchen und Betreiberin der Agentur für Waldabenteuer „WildReich & FrohNatur“ Sibylle Sorge. „Also gründeten wir kurzerhand unsere eigene Gruppe“. Zu den Gründungsmitgliedern gehört auch Nicole Grube, die ihren Handwerksbetrieb, die „Dachdeckerei Grube“ in Golm in fünfter Generation führt. Die Dachdeckerei betreibt sie gemeinsam mit ihrem Mann Alexander Zeisler. Er bläst den Bass am Parforcehorn.
Gemeinsam geprobt wird wöchentlich. Ein stabiler Ansatz mit den Lippen am Horn ist das A&O für einen gleichmäßigen wohltemperierten Klang. Deshalb ist tägliches Üben zu Hause angesagt. Im Sommer werden die gemeinsamen Proben auch gern mal ins Freie verlegt. Dann verweilen die Spaziergänger in den Parks gern und erfreuen sich am Hörnerklang.
Markus Kohl entdeckte bei einem Flohmarktbesuch ein altes Jagdhorn, erinnerte sich an seine Kindertage als Jagdhornbläser und schloss sich mit dem reparierten Horn 2018 kurzerhand den Goldkehlchen an. Inzwischen musiziert auch sein Sohn David (12) als jüngster Bläser mit.
International mitspielen
Den ehemaligen Berufsmusiker Ulrich Lindner konnten die Goldkehlchen mit der Gründung als musikalischen Leiter gewinnen. Lindner erkannte schnell, was für ein besonderes Potenzial in der Gruppe steckt. Gleich zu Beginn haben sie sich ein ambitioniertes Ziel gesteckt: Die Teilnahme an den Europäischen Meisterschaften im Jagdhornblasen. „Diese Herausforderung half uns tatsächlich, mit Fleiß und Ehrgeiz bei der Sache zu bleiben.“ Mit Erfolg: Die Havelländer Goldkehlchen wurden im August 2018 Europäische Meister in der Anfängerklasse.
Im Mai 2019 gewannen sie beim Pokalwettbewerb des Landes Brandenburg im Krongut Bornstedt als Überraschungssieger vor alteingesessenen Bläsergruppen, „die die Früchte der harten Arbeit respektvoll anerkannten“. Speziell in Deutschland und international sowieso gehören die Brandenburger Jagdhornbläser zu den Exoten. Denn in Süddeutschland und im Alpenraum ist das Brauchtum viel stärker verwurzelt.
Trotzdem nahmen die Havelländer Goldkehlchen im Juni 2019 erfolgreich als eine der wenigen deutschen Bläsergruppen am Internationalen Wettbewerb auf Schloss Weinzierl in Österreich teil – der inoffiziellen Weltmeisterschaft der Jagdhornbläser.
Zukunftsmusik
Für die Zukunft schmieden die Goldkehlchen schon wieder Pläne: Neben der langfristigen Vorbereitung auf den Bundeswettbewerb sowie die Europameisterschaft in Ungarn 2021 wollen sie 2020 an Landeswettbewerben teilnehmen und mit traditionellen jagdlichen Stücken im November eine Hubertusmesse in einer Potsdamer Kirche gestalten. Der Überlieferung nach war Hubertus als junger Edelmann ein leidenschaftlich ausschweifender Jäger, der die Erlegung des Wildes als Selbstzweck sah. Später erkannte Hubertus in allen Wesen Geschöpfe göttlichen Ursprungs und hat sich deshalb hegend und pflegend für sie eingesetzt. Diese Grundhaltung der „Achtung vor dem Geschöpf“ ging in die Verhaltensgrundsätze der Jägerschaft ein. „Es ist des Jägers Ehrenschild, dass er beschützt und hegt sein Wild. Weidmännisch jagt, wie sich’s gehört, den Schöpfer im Geschöpfe ehrt.“
sk
Nächster öffentlicher Auftritt am 5.1.2020: Neujahrswanderung mit Start am Jagdschloß am Stern.
www.goldkehlchen-jagdhorn.de
www.dachdecker-grube.de
www.wildreichundfrohnatur.de
Die Jagdsignale zum Anhören: www.pizcolani.ch/signale
Jagdleitsignale
… sind konkrete melodische Tonfolgen, die ein- oder mehrstimmig geblasen werden, z.B. zur Begrüßung oder zum Ende der Jagd (Halali). Ganz wichtig sind die Jagdleitsignale während der Jagd. Denn über weite Distanzen hinweg können alle Jäger das entsprechenden Signal vernehmen und entsprechend handeln.
Beim Kesseltreiben beispielsweise nehmen Treiber und Jäger im Kreis Aufstellung, nach dem Signal „Treiber in den Kessel“ bewegen sich die Treiber auf die Mitte des Kreises zu, und es darf nur noch aus dem Kessel heraus geschossen werden, also nicht mehr in Richtung der Treiber. Das Spielen und Verstehen der Signale ist für die Sicherheit während der Jagd von Bedeutung.
Ehrensignale
Nach der Gesellschaftsjagd versammeln sich alle Beteiligten. Die erlegten Tiere werden nebeneinander in einer bestimmten Reihenfolge auf ihre rechte Körperseite gelegt (Jagdstrecke). Nach alten Überlieferungen handelt es sich um die „gute Seite“. Damit wird verhindert, dass „Erd-
dämonen“ in das Wild eindringen.
Zu Ehren des Wildes spielen die Bläser nacheinander für jede Wildart das entsprechenden Signal.